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Projektion zum Atomausstieg am AKW Isar 2
© Matthias Balk / Greenpeace

Atomkraftwerke abschalten!

Atomkraft ist nicht nur unsicher, sondern auch keine Lösung für die Energiekrise: Der deutsche Ausstieg aus der Risikotechnologie am 15.4.2023 war darum notwendig und überfällig. Die Alternative wären gefestigte Abhängigkeiten und alte Gefahren.

Seit dem 15. April 2023 ist Schluss mit Atomkraft in Deutschland. Später als von der schwarz-gelben Koalition 2011 beabsichtigt, doch früher als es deutsche Pro-Atom-Lobbyist:innen wünschten. Kurios daran ist: Viele davon sitzen im Bundestag in eben jenen Fraktionen, die den Ausstieg damals beschlossen haben. Die Argumente für das Betriebsende der AKW sind aber heute so richtig wie vor zwölf Jahren, auch wenn sich Union und FDP offenbar nicht mehr an sie erinnern. Atomenergie ist eine gefährliche Risikotechnologie, sie bremst die Energiewende aus und wird für die deutsche Energieversorgung nicht benötigt.

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Der deutsche Atomausstieg

Bereits seit 2002 stand fest, dass der Atomkraft in Deutschland keine lange Zukunft beschieden war. Damals beschloss die rot-grüne Bundesregierung, dass zum einen keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden und weiterhin, dass die Laufzeiten der bestehenden Anlagen auf rund 32 Jahre begrenzt sind. Im Folgejahr ging das Atomkraftwerk Stade vom Netz, zwei Jahre später Obrigheim. Das Abschalten der deutschen Atomkraftwerke hatte begonnen und ebnete den Weg für den Atomausstieg in Deutschland.

Nur wenige Monate dauerte der Ausstieg vom Ausstieg, den die schwarz-gelbe Regierung zu verantworten hatte. Zunächst beschloss sie noch Laufzeitverlängerungen – um die Entscheidung in der Folge des GAUs im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 wieder rückgängig zu machen. Seitdem galt als deutscher Ausstiegstermin aus der Atomenergie ein Datum, an dem bis vergangenes Jahr nicht gerüttelt wurde: der 31.12.2022. Dann kam der Ukrainekrieg - und mit ihm eine Energiekrise.

Deutschland hat es zwar geschafft, sich in sehr kurzer Zeit von billigem russischen Gas unabhängig zu machen - allerdings mussten Energiekund:innen dies eine ganze Weile schultern. Doch die Scheinlösung Atomkraft bedeutet keine Freiheit von despotischer Willkür, im Gegenteil: Große Teile der europäischen Atomwirtschaft sind auf Uran aus Russland angewiesen, auch die autokratisch regierten Verbündeten Usbekistan und Kasachstan liefern den Rohstoff an Atomkraftwerke in Europa. Bis zu 50 Prozent des europäischen Bedarfs an Uran werden von diesen Ländern gedeckt. Die Lehre aus dem Nord-Stream-Debakel, jenen Pipelines, die Deutschland mit günstigem Gas aus Russland versorgen sollten, kann nur lauten: Derartige Abhängigkeiten darf die Bundesregierung nicht wieder zulassen.

 

Wer steckt hinter der russischen Atomindustrie?

Hinter dem russischen Geschäft mit Atomtechnologie steckt der unter Putin gegründete Staatskonzern Rosatom, bei dem ähnlich wie beim Gasriesen Gazprom etliche Fäden zusammenlaufen. Der Konzern hat 350 Tochterfirmen in einem nahezu undurchschaubaren Geflecht, mit dem Russland weltweit das Nukleargeschäft dominiert. Dazu gehören auch Atomwaffen und Nuklearsprengköpfe. Etwa ein Drittel der Tochterfirmen und Mitarbeiter:innen arbeiten im militärischen Bereich.

AKW Saporischschja

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Die Energiekrise führt zum Streckbetrieb

Nuclear Waste Drums Comment on Stress Test Result

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin vor der Vorstellung des Stresstest-Ergebnisses am 5. September 2022.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat politische Gewissheiten in Europa mit einem Schlag zerstört, und er bringt nach wie vor unermessliches Leid über die Bevölkerung des überfallenen Landes. Die EU reagierte mit Sanktionen, das heißt: kein Geld mehr für Gas, Öl oder Kohle aus Russland. Für Deutschland bedeutete das, dass bislang günstig in Russland eingekauftes Gas nunmehr teurer von anderen Anbietern importiert wurde. Eine Energiekrise war die Folge - und ein Wiederaufleben der Debatte um Laufzeitverlängerungen. Die Bundesregierung stellte ein neues Konzept in den Raum: der Streckbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke Isar 2, Emsland & Neckarwestheim 2.

Ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebener Stresstest sollte Klarheit schaffen über die Energiebedarfe des Winters 2022/23, und darüber, wie viel Strom zur Verfügung steht. Das Ergebnis: Die letzten drei Atomkraftwerke würden im so genannten Streckbetrieb nur noch rund 0,8 Prozent der Stromversorgung gewährleisten und weniger als 0,2 Prozent des Gasverbrauchs einsparen, so eine Schnellanalyse des Öko-Instituts in Freiburg.

Dennoch lautete die Empfehlung von Bundeswirtschaftsminister Habeck im September 2022: Die Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 und Isar 2 sollten nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31. Dezember in eine Einsatzreserve überführt werden, um unwahrscheinliche Stromengpässe abzufedern. Bei Bedarf sollten die AKW längstens bis zum 15. April 2023 weiter am Netz bleiben. Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital kommentierte damals: “Es ist und bleibt energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 auszuhebeln. Für die wenigen Stunden, in denen die Netzstabilität im kommenden Winter möglicherweise unsicher werden könnte, wäre stundenweises gezieltes und vereinbartes Abschalten von großen industriellen Verbrauchern und intelligentes Lastmanagement viel zielführender."

Im folgenden Koalitionsstreit zwischen den Grünen und der FDP, die längere Laufzeiten befürwortet hat, sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schließlich im Oktober ein Machtwort. Bezugnehmend auf seine Richtlinienkompetenz legte er fest: Alle drei am Netz verbliebenen Atomkraftwerke laufen im Streckbetrieb bis zum 15.4.2023. Streckbetrieb bedeutet, dass die Reaktoren physikalisch bedingt nicht mehr die volle Leistung erreichen können und diese immer weiter abnimmt. Die ohnehin nicht mehr voll leistungsfähigen, weil nahezu verbrauchten, Brennelemente wurden demnach so eingesetzt, dass die Kraftwerke auch tatsächlich bis Mitte April Strom liefern konnten. Danach war dann Schluss.

Was hat der Streckbetrieb gebracht?

Die Pro-Atomlobby hat Ängste vor Stromknappheit und -ausfällen geschürt. Beides ist in den vergangenen Monaten des Streckbetriebes im Winter 2022/23 nicht eingetroffen und hat sich als Märchen erwiesen. Der geringe Beitrag der Atomkraft zum deutschen Strommix – nur rund vier Prozent – hat keinen Preisanstieg verhindert; was an Energie fehlt, ist größtenteils ein hausgemachtes Problem der von der Union bewusst verschleppten deutschen Energiewende. Auch für den Winter 2023/24 haben Bundesnetzagentur sowie Netzbetreiber in ihrer Bedarfsanalyse vorab keine Anzeichen für eine Energieknappheit oder Lastunterdeckung gesehen. Die Versorgungssicherheit auch ohne Atomkraftwerke war zu jeder Zeit gesichert.

Eine Studie im Auftrag von Greenpeace und dem Ökostromanbieter Green Planet Energy stellte einen Tag vor dem deutschen Atomausstieg ebenfalls fest: Die dreieinhalb Monate Streckbetrieb der deutschen Atomkraftwerke haben weder etwas zur Versorgungssicherheit beigetragen noch den Strompreis spürbar gesenkt. Die Laufzeitverlängerung war überflüssig.

Analysepapier: Effekte der Laufzeitverlängerung deutscher AKW

Analysepapier: Effekte der Laufzeitverlängerung deutscher AKW

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Mehr Atomkraftwerke zu reaktivieren oder gar zu bauen ist deshalb nicht zielführend: Atomkraft ist teuer, langsam, unzuverlässig und hochgefährlich. Die Lösung sind erneuerbare Energien. Die sind zuverlässig, günstig, lassen sich im eigenen Land produzieren und schaffen keine langfristigen Abhängigkeiten wie fossile Energien. 

Am lautesten haben Stimmen aus Bayern gegen das Aus der Atomkraft protestiert. Das hat seinen Grund: Die CSU insbesondere unter Markus Söder hat in Bayern den Umbau zu nachhaltigen Energien bewusst gebremst und die Atomdiskussion genutzt, um von diesen Versäumnissen abzulenken. Stromtrassen, die günstige Windenergie aus dem Norden nach Bayern hätten liefern können, wurden weder unter Seehofer noch unter Söder fertiggestellt – die Versorgungslücke sollte der Weiterbetrieb von Isar 2 schließen, dabei hat die Stromproduktion des Meilers dazu bei weitem nicht ausgereicht. Mit ihren falschen Versprechungen zur Atomkraft und ihrem Anti-Windkraft-Kurs nimmt die bayerische Landesregierung den Rest der Republik in Geiselhaft.

Renewable Energy Farm in Germany

Die Energiewende könnte Bayern günstigen und klimafreundlichen Strom bringen und den Wirtschaftsstandort sichern. Doch seit Jahren arbeitet die Staatsregierung gegen den Ausbau der Windkraft.

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TÜV Süd in der Kritik

Schon im Jahr 2022 warb der Freistaat für ein Wiederanfahren des ausgeschalteten Reaktors Gundremmingen; argumentativ unterfüttert wurde diese Forderung von einem Gutachten des TÜV Süd, in dem der Weiterbetrieb von Gundremmingen und Isar 2 für sicherheitstechnisch unbedenklich eingestuft wurde. Doch dieses Schriftstück wies eklatante Mängel auf, wie ein von Greenpeace beauftragtes Rechtsgutachten belegt hat. “TÜV Süd bescheinigt, was der Auftraggeber wünscht. Unabhängig vom Zustand und ohne Überprüfung der AKW steht für den TÜV das Ergebnis bereits fest”, sagte Smital im Juli 2022. Das Bundesumweltministerium sparte ebenfalls nicht mit Kritik an der Sicherheitsbewertung: Die TÜV-Stellungnahme und die Schlussfolgerungen daraus stünden "nicht im Einklang mit höchster Rechtsprechung, geltenden Vorschriften & Maßstäben der AKW-Sicherheit".

Exit Projection at the Isar 2 NPP

Projektion am AKW Isar 2 am 13. September 2022

Geltende Vorschriften und Maßnahmen meinen unter anderem die vorgeschriebene – und wegen des terminierten Atomausstiegs ausgefallene – Sicherheitsüberprüfung der Atomkraftwerke alle zehn Jahre. Die letzte erfolgte 2009. Im Jahr 2019 hätte also eine weitere stattfinden müssen; wegen des geplanten Atomausstiegs Ende 2022 ließ man die allerdings ausfallen. Seitdem laufen die verbliebenen deutschen AKW mit einer Sondergenehmigung.

Eine solche periodische Sicherheitsüberprüfung ist keine Formalität; sie geht weit über routinemäßige Instandhaltungsarbeiten hinaus. Dabei ist seit 2009 einiges passiert: Nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 wurden 2012 die Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke in Deutschland überarbeitet, 2014 gab es dann europaweit erhöhte Anforderungen. Das heißt: Alle Reaktoren in Deutschland wurden 2009 noch nach den alten Vorgaben geprüft, nach längst überholten Standards. “Daher war es den Betreibern so wichtig, die Sicherheitsüberprüfung 2019 nicht mehr machen zu müssen”, sagt Smital, “denn um die zu bestehen, wären sehr hohe Investitionen notwendig geworden.”

   

Mythos klimafreundliche Atomkraft

Auch wenn es Befürworter:innen gerne behaupten: Atomenergie ist nicht klimaneutral. Zwar entstehen im Betrieb weniger Emissionen als etwa bei Kohle und Gas, doch davor müssen AKW erst einmal treibhausgasintensiv gebaut werden – und danach rückgebaut. CO2-Emissionen entstehen vor allem beim Prozess vom Uranabbau bis zur Brennelementherstellung, aber auch beim Neubau und Rückbau von Atomkraftwerken, beim Transport und der Endlagerung – was jeweils mit hohem Energieaufwand verbunden ist.

Die Treibhausgasemissionen von Atomkraftwerken liegen darum über den gesamten Lebenszyklus im Bereich von 3,7 bis 110 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde, so ein ⁠IPCC⁠-Bericht von 2014. Zudem bindet Atomkraft wichtige finanzielle Mittel, die für den Ausbau der Erneuerbaren Energien notwendig wären, und verstopft die Netze. 

Fakt: Atomenergie ist nicht CO2-neutral

Oft wird Atomenergie als CO2-neutral dargestellt. Das ist aber falsch. Der gesamte Kreislauf der Atomstromproduktion stellt immer noch eine Belastung für das Klima dar: Die Kühlung benötigt Unmengen an Wasser, die Herstellung der Brennstäbe und der Abbau von Uran emittiert viel CO2 (3,7 bis 110 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde mit einem Median von 12 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde.)

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Gefahren der Atomkraft

Die historischen Meilensteine der zivil genutzten Atomkraft tragen die Namen katastrophaler Reaktorunfälle: Three-Mile-Island 1979, Tschornobyl 1986, Fukushima 2011. Die belgischen Meiler Tihange 2 und Doel 3, die wegen Rissen und Materialfehlern international in der Kritik standen, sind inzwischen abgeschaltet. Gegen das AKW Cattenom an der deutsch-französischen Grenze wurde immer wieder protestiert. Im Ukrainekrieg steht das Atomkraftwerk Saporischschja immer wieder unter Beschuss, und stellt Tag für Tag die Frage: Darf eine solche Risikotechnologie in einem Kriegsgebiet überhaupt betrieben werden?

Die Gefahr, die durch Atomkraftwerke im Katastrophenfall besteht, ist dokumentiert und belegt. Alleine in Deutschland wurden seit Beginn der kommerziellen Atomenergienutzung, also seit der Inbetriebnahme der ersten Atomkraftwerke, über 6500 Pannen registriert. Das Gebiet um Tschornobyl ist auch fast vierzig Jahre nach dem Unfall noch Sperrgebiet. In der Präfektur Fukushima mussten etwa 160 000 Menschen ihre Heimatorte verlassen, viele 10 000 sind nach wie vor aufgrund der Strahlenbelastung nicht zurückgekehrt - und werden voraussichtlich auch nie wieder zurückkehren. Dabei trat in Fukushima Daiichi nicht einmal das Worst-Case-Szenario ein: Wären die Abklingbecken von der Katastrophe betroffen gewesen, hätte der Großraum Tokio evakuiert werden müssen. Die Internationale Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse kennt sieben Schweregrade: Innerhalb einer Generation hat die Menschheit zwei Ereignisse der Stufe 7 erlebt, in Tschernobyl und Fukushima.

Doch selbst wenn kein Unfall passiert; wenn Atomkraftwerke so funktionieren wie sie sollen, bleibt das Problem des radioaktiven Abfalls, das bis heute nicht gelöst ist. Bis heute gibt es keine geeignetes Endlager weltweit; der jahrelang politisch geforderte Standort Gorleben ist seit September 2020 vom Tisch, nachdem die Bundesgesellschaft für Endlager in einem Zwischenbericht den Salzstock final als “nicht geeignet” einstufte.

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5 Gründe Atomkraftwerke abzuschalten

Atomkraft bleibt lebensgefährlich

Atomkraft bleibt die gefährlichste Form der Energieerzeugung. Auch heute kann die Atomindustrie das Risiko eines Super-GAU`s wie 1986 in Tschernobyl nicht ausschließen. Am laufenden Band, kommt es in Atomkraftwerken und Atomanlagen weltweit zu Fehlfunktionen, kritischen Situationen und (beinahe) Unfällen.

Ob Materialversagen, technische Defekte oder menschliches Versagen - schon vermeintlich kleine Fehler können in AKWs Katastrophen verursachen. Allein in Deutschland gibt es jedes Jahr weit über 6500 meldepflichtige Stör-Ereignisse. Seit dem 11. September 2001 ist auch die Gefahr eines terroristischen Anschlags auf ein Atomkraft näher gerückt. Und kein ein einziges der weltweit 414 AKW ist beispielsweise wirksam gegen den Absturz einer Verkehrsmaschine geschützt.

Atomkraft ist keine Lösung für`s Klima

Oft haben die Vertreter:innen, die fossile Kraftwerke gefördert haben und für die Klimaschutz keine Priorität war, nun plötzlich Klimaschutz als Argument für die Atomenergie entdeckt. Dabei gilt das Gegenteil: Für den Klimaschutz ist Atomkraft verzichtbar, erweist sich oftmals sogar als Hindernis für wirksamen Klimaschutz.

Einige Fakten dazu:

  • Atomenergie ist nicht CO2-frei; die Emissionen schwanken je nach Herkunft des Urans zwischen 78 bis 178 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (kWh). Moderne Gaskraftwerke mit Wärmeauskoppelung liegen bei 119 Gramm pro kWh.
  • Weltweit haben die 414 Atomkraftwerke einen Anteil von lediglich zwei bis drei Prozent an der weltweiten Energieversorgung (Endenergie).
  • Für einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz müssten nach Ansicht der Internationalen Energie Agentur (IEA) bis 2050 zusätzlich etwa 1.300 Atomkraftwerke (jedes Jahr 32 AKW) gebaut werden. Das ist in vielerlei Hinsicht utopisch , und wäre angesichts der Risiken auch völlig unverantwortlich.
  • Jede Investition in die Atomenergie, ob Laufzeitverlängerung oder Neubau, blockiert saubere Klimaschutztechnologien. Denn jeder Euro für Atomkraft steht nicht für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Kraft-Wärme-Kopplung und der Steigerung der Endenergieeffizienz zur Verfügung. Selbst Konzerne wie RWE investieren mittlerweile in Erneuerbare Energien. 2020 war RWE der zweit-größte Offshore-Windkraft-Betreiber in Europa, weltweit sind sie die Nr. 2.

Atomkraft ist auf dem Rückzug

Auch wenn in einzelnen Ländern wie China, Russland und Frankreich einzelne neue AKW gebaut werden und in anderen über den Neubau von AKW nachgedacht wird: Atomkraft verliert im weltweiten Maßstab an Bedeutung.

Das liegt am hohen Alter der bestehenden AKW von weltweit durchschnittlich knapp 32 Jahren. Auf dem Papier ist die Laufzeit der Kraftwerke beliebig verlängerbar, in der Realität sieht das anders aus. Der Anteil der Atomkraft wird somit tendenziell abnehmen. Von den derzeit weltweit neu gebauten AKW sind viele Projekte wie das AKW Hinkley Point C in Großbritannien seit über Bauruinen.

Endlagerfrage weltweit ungelöst

Auch 70 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten AKWs gibt es weltweit kein einziges sicheres Endlager für die Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle. Für eine Million Jahre muss der hoch gefährlicher Müll sicher von der Biosphäre abgeschlossen sein - eine unverantwortbare Hypothek für kommende Generationen.

Die als vorbildlich und sicher bezeichneten Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Morsleben und Asse II zerfallen, haben Wassereinbrüche und zeigen die Fehleinschätzung und Probleme bei der Endlagerung.

Zivile und miltärische Nutzung von Atomkraft kaum trennbar

Die zivile und die miltärische Nutzung von Atomkraft sind von jeher verschränkt: Atomreaktoren wurden ursprünglich erfunden, um Plutonium für Atomwaffen zu erzeugen. Heute wird das Bombenmaterial eher aus speziellen Reaktoren als aus Kraftwerken zur Stromgewinnung entnommen, aber der Zusammenhang zwischen AKW und Plutonium für Waffen besteht bis heute.

Windrad mit Rapsblüte in Gramzow

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