Tierhaltung: mehr Tierleid als Tierwohl
Weniger Tiere und diese artgerecht zu halten, ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch für den Umwelt- und Klimaschutz unerlässlich.
Eine unvorstellbar große Zahl: Rund 750 Millionen Schweine, Rinder, Hühner, Puten, Schafe und weitere Tiere wurden in 2022 in Deutschland geschlachtet. Das ist zwar – infolge sinkenden Konsums und verschlechterter Exportmöglichkeiten – deutlich weniger als in den Vorjahren, aber immer noch eine riesige Zahl. Im Gegensatz zu Millionen liebevoll umsorgter Haustiere erleiden sie in der Regel ein kurzes, qualvolles Leben. Die Verordnungen zur Haltung von Nutztieren sind viel zu schwach: Sie verstoßen laut Greenpeace-Gutachten bei der Schweinehaltung sogar gegen das deutsche Tierschutzgesetz und damit gegen die Verfassung. Für Milchkühe sind bislang noch nicht einmal gesetzliche Mindestanforderungen festgelegt.
Der Bau von Riesenställen, in denen die Tiere eng an eng stehen, ist getrieben vom Kostendruck durch den harten Preiswettbewerb, der mit einer Industrialisierung der Tierhaltung einhergeht. In Europa verdreifachte sich zwischen 1960 und 2010 die Milch- und Fleischproduktion. Viel und möglichst billig, so die Maxime. Landwirt:innen können diesem Druck oft nicht standhalten. So deckt der von Molkereien ausbezahlte Milchpreis oft nicht einmal die Produktionskosten der Milchbäuer:innen. Die Zahl der Milchbetriebe ist drastisch gesunken: Im Jahr 1950 gab es noch 1,4 Millionen Höfe, die Kühe hielten, 2020 waren es nur noch 54 800. Gleichzeitig werden in den verbliebenen Ställen mehr Kühe gehalten.
Deutschland an der Spitze der Fleisch- und Milchproduktion in der EU
Deutschland erzeugt in der EU die meiste Milch und steht weltweit an vierter Stelle. Beim Fleisch zählt das Land zu den größten Produzenten Europas. Zwar ist der Fleischkonsum in Deutschland erfreulicherweise rückläufig: Im Jahr 2017 verspeiste rechnerisch jede Person noch 60 Kilogramm pro Kopf, 2022 waren es 52 Kilogramm. Das schlägt sich auch in einer sinkenden Fleischerzeugung nieder. Mit einem Kilogramm pro Woche landet aber immer noch doppelt so viel Fleisch auf dem Teller wie von der Wissenschaft empfohlen – zudem wird längst auch für den Export produziert.
Die Tierhaltung hat nicht nur ein ethisches Problem – auch aus Gründen des Klima-, Biodiversitäts- und Grundwasserschutzes ist ein Umbau hin zu einer artgerechteren Haltung mit nur halb so vielen Tieren notwendig.
Tierhaltung verursacht die meisten Treibhausgase in der Landwirtschaft
Die Tierhaltung ist weltweit für 19 Prozent aller ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich, dazu zählt vor allem das besonders klimaschädliche Methan. Treibhausgase werden zum einen direkt ausgestoßen – etwa von Rindern bei der Verdauung. Diese sind mit ihrem Methanausstoß für einen Großteil der Treibhausgasemissionen innerhalb des Agrarsektors verantwortlich, weshalb Rindfleisch und Milchprodukte besonders klimaschädlich sind.
Zu den indirekten Emissionen der Tierhaltung gehört der CO2-Ausstoß bei der Landnutzung und den verharmlosend genannten Nutzungsänderungen – also wenn etwa für den Anbau von Tierfutter Wälder gerodet oder Grünflächen umgebrochen werden. Dadurch wird nicht nur das in Holz und Boden gespeicherte CO2 freigesetzt, die ausgeräumten Flächen nehmen auch kaum noch Treibhausgase aus der Atmosphäre auf. Insbesondere in Südamerika ist das Ausmaß der Regenwaldvernichtung dramatisch.
Der Tierhaltung in Deutschland werden aber meist nur die direkten Emissionen zugerechnet und nicht die Treibhausgase, die durch den Anbau von Futterpflanzen etwa in Südamerika entstehen. Eine Greenpeace-Studie hat sich die gesamte Kette angeschaut: So erhöht sich der Anteil der Tierhaltung an den Gesamtemissionen für ganz Deutschland von sechs auf elf Prozent. Die Studie rechnet auch vor, dass die Tierbestände bis 2045 halbiert werden müssen, um die Klimaziele in der Landwirtschaft in Deutschland zu erreichen.
Zu viel Gülle und Tierfutter für die Flächen
Weniger Tiere würden auch die Flächen in Deutschland entlasten. Jährlich landen mehr als 200 Millionen Tonnen Gülle auf den Feldern und belasten das Grundwasser mit Nitrat. Wasserwerke müssen in einigen Regionen immer mehr Aufwand betreiben, um die Trinkwasserqualität sichern zu können.
Längst reichen in Deutschland auch die Flächen für den Anbau eiweißreicher Futterpflanzen nicht mehr, um damit die Millionen hierzulande gehaltener Tiere zu füttern. Für den Export von Soja nach Deutschland und Europa werden in südamerikanischen Ländern wie Brasilien großflächig Wälder und ökologisch wertvolle Flächen zerstört. Rund 80 Prozent der weltweit zur Verfügung stehenden Acker- und Weideflächen werden für die Erzeugung tierischer Produkte genutzt.
Mit Wäldern und Savannen schwinden jedoch Lebensräume. Das weltweite beängstigende Artensterben ist nur noch aufzuhalten, wenn wir aufhören, solche wertvollen Lebensräume für Tierfutter zu zerstören – und das gelingt nur durch eine Abkehr von der industrialisierten Tierhaltung und weniger Konsum von Fleisch- und Milchprodukten.
Mehr Tierwohl: weniger Tiere, dafür artgerecht gehalten
Wäre billige Massenproduktion nicht mehr die Maxime, könnte sich auch der Umgang mit den Tieren ändern – hin zu mehr Tierwohl. Derzeit befasst sich sogar das Bundesverfassungsgericht mit den unsäglichen Zuständen in den Ställen. Nachdem ein Greenpeace-Gutachten dargelegt hat, dass die konventionelle Schweinemast in Deutschland gegen Tierschutz und Verfassung verstößt, hat der Berliner Senat eine Normenkontrollklage eingereicht. Stimmt das Bundesverfassungsgericht dieser Sicht zu, müsste die entsprechende Nutztierhaltungsverordnung endlich überarbeitet und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden.
Probleme in der deutschen Schweinehaltung:
- Kupieren: Rund 40 Millionen Ferkeln wird kurz nach der Geburt qualvoll der Ringelschwanz abgeschnitten. Ziel ist, dass die Tiere sich nicht gegenseitig anfressen. Aufgrund der Enge in den Ställen und fehlender Beschäftigung neigen die Tiere dazu, sich gegenseitig zu verletzen. Die intelligenten Tiere werden nicht ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten, sondern den Bedürfnissen der Produktion angepasst.
- Kastenstand: Der Kastenstand, in dem Sauen wochenlang in engen Gitterkäfigen fixiert dahinvegetieren müssen, ist in anderen EU-Ländern bereits verboten. In Deutschland ist er mit Übergangsfristen weiterhin erlaubt.
In der konventionellen Landwirtschaft sind etliche Formen der Qualhaltung also noch Realität. Milchkühe werden in Deutschland oft unter schmerz- und leidvollen Bedingungen gehalten, die mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind. Viele Tiere müssen das ganze Jahr im Stall stehen, werden dort zum Teil über Monate fixiert oder sind in zu engen Laufställen ohne Auslauf und Weidegang untergebracht. Ein von Greenpeace veröffentlichtes Rechtsgutachten zeigt, dass häufig gegen den gesetzlichen Tierschutz verstoßen wird. Bislang fehlen Mindestanforderungen, die die Haltung von Milchkühen gesetzlich regeln. In der Putenmast wiederum werden den Tieren immer noch die Schnäbel gekürzt.
Artgerechte Tierhaltung: Agrarsubventionen sinnvoll einsetzen
Einem 110-Kilo-Mastschwein steht nur 0,75 Quadratmeter Platz zu, ein Huhn vegetiert oft dicht an dicht mit zehntausenden weiteren Leidensgenossen im Stall. Das ist nicht artgerecht. Doch der Um- beziehungsweise Neubau tiergerechter Ställe und Ausläufe ist teuer und es gibt rechtliche Hürden. Landwirt:innen brauchen deshalb Sicherheit, dass sich ihre Investitionen auch langfristig lohnen. Letztlich hängt Tierwohl am Geld – und das ist eigentlich vorhanden.
Der Topf für EU-Agrarsubventionen beinhaltet 53 Milliarden Euro jährlich. Doch das alte Verteilungsprinzip fördert eine Landwirtschaft, die auf Kosten von Tieren, Klima und Umwelt geht. Denn die Fördermittel werden auch nach der 2021 beschlossenen Reform immer noch vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Fläche vergeben. Es bedarf dringender Änderungen: Betriebe, die ihre Tiere artgerecht halten, klima- und umweltschonend wirtschaften, sollten finanziell mit Steuergeldern unterstützt werden.
Pläne für mehr Tierwohl gibt es, die Bundesregierung setzt sie nur nicht um
Greenpeace hat Anfang 2020 verschiedene Modelle für eine Besteuerung von Fleisch und Milch analysiert, die Anreize böten, mehr pflanzliche statt tierischer Produkte zu konsumieren – und so Umweltzerstörung und Klimaschäden zu vermeiden.
Derzeit fördert Deutschland den klimaschädlichen Konsum tierischer Produkte mit mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr, da auf Fleisch und Milchprodukte nur die ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent erhoben wird. Diese Subvention sollte umgehend gestoppt und der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben werden. Dafür könnten gesunde und nachhaltig erzeugte Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse ganz von der Steuer befreit und für alle erschwinglicher werden.
Mit den Einnahmen aus einer auf Fleisch- und Milchprodukte erhobenen, zweckgebundenen Tierwohlabgabe könnten Stallumbauten für eine bessere Tierhaltung gezielt gefördert werden. Das von der Bundesregierung eingesetzte Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat diesen Vorschlag in ihren Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung und dessen Finanzierung aufgegriffen. Doch den Empfehlungen der Borchert-Kommission sind bislang keine Taten gefolgt.
Ebenso fehlt – abgesehen von der für Schweinefrischfleisch ab 2024 - noch immer die von Greenpeace geforderte verpflichtende Haltungskennzeichnung von Fleisch. Diese würde mehr Transparenz beim Einkauf schaffen. Obwohl auch Teile des Handels und der Industrie ein verpflichtendes Kennzeichen befürworten, hatte sich die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auf ein freiwilliges “Tierwohl-Label” versteift. Das hätte nur für Schweinefleisch gegolten und nicht dafür gesorgt, Fleisch aus tierquälerischer Haltung kenntlich zu machen. Ihr Nachfolger Cem Özdemir (Die Grünen) stellte im Sommer 2022 ein Eckpunktepapier für eine staatliche, verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung vor. Für ein wirkungsvolles Label, das langfristig für mehr Tierwohl sorgt, muss es jedoch Nachbesserungen geben und auf alle Fleischarten ausgeweitet werden.
Die Bundesregierung muss den von früheren Regierungen verschleppten Umbau der Tierhaltung jetzt endlich angehen. Greenpeace wird sich weiterhin für eine nachhaltige Agrarpolitik einsetzen, die Landwirt:innen eine Perspektive mit Planungssicherheit für den Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit gibt.
Häufig gestellte Fragen zur Tierhaltung
Woran erkenne ich gutes Fleisch?
Zertifizierungen und Gütesiegel wie Demeter, Bioland oder Neuland stehen für eine bessere Tierhaltung. Generell empfiehlt Greenpeace, Fleisch, Milch oder Eier eher selten und nur aus guter Haltung zu beziehen. Was hinter den geläufigen Siegeln und Labeln steckt, erklärt der Greenpeace-Siegelratgeber. Der Lebensmitteleinzelhandel hat seit 2019 eine freiwillige vierstufige Kennzeichnung für Frischfleisch etabliert. Die will er nun nach und nach bei den Eigenmarken des Handels auch auf verarbeitetes Fleisch ausweiten. Die Haltungsformen 1 und 2 des Handels hat Greenpeace als tierschutzwidrig eingestuft. Im Jahr 2021 haben die großen Lebensmittelketten, allen voran Aldi und Rewe, angekündigt, künftig nur noch Fleisch aus den besseren Haltungsformen 3 und 4 verkaufen zu wollen.
Ist Fleisch essen ungesund?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Durchschnittlich konsumiert die Bevölkerung in Deutschland jedoch 1,1 Kilogramm. Ein hoher Anteil an Fleisch- und Milchprodukten bei der Ernährung kann Herzerkrankungen, einige Krebsarten sowie Diabetes begünstigen https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/ungesunde-fleischeslust. Auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten steht im Zusammenhang mit der intensiven Tierhaltung. Durch die Vernichtung von Wäldern dringen Menschen in Wildtierhabitate vor – so können bislang unbekannte Viren auf Nutztier oder Mensch überspringen. Zudem ist es bekannt, dass neue Viren auch in großen Massentierhaltungsställen entstehen und sich verbreiten können – wie etwa die Schweinegrippe.
Was ist artgerechte Tierhaltung?
Tiere sollten ihre angeborenen Verhaltensweisen ausleben können und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden. Das geht nur, wenn ausreichend Platz, Zugang zu Freiland, Beschäftigungsmöglichkeiten, Tageslicht und abgetrennte Liege- und Kotbereiche vorhanden sind.
Wie sollte eine gute Ernährung aussehen?
Wählen Sie saisonale Produkte aus der Region – am besten in Bio-Qualität. Denn die ökologische Landwirtschaft setzt keine chemisch-synthetischen Pestizide ein, auch die Tierhaltung ist deutlich besser als bei konventionellen Betrieben. Weniger tierische Produkte, dafür aus besserer Haltung, sorgen für weniger Tierleid, sind gut für die Gesundheit und entlasten Umwelt und Klima. Zum Weiterlesen: 10 Tipps für gutes Essen.
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Der weltweite Ausstoß von Klimagasen in der Fleisch- und Milchindustrie ist immens, zeigt ein Greenpeace-Report. Aktivist:innen protestieren. Doch es gibt Lösungen, den Methanausstoß zu reduzieren.
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Die Molkerei Hochwald wirbt mit hoher Qualität und verkauft unter dem Label Bärenmarke hochpreisige Milch. Im Molkerei-Ranking schneidet die Marke jedoch schlecht ab. Aktive informieren vor Märkten.
Siegel-Ratgeber Milch
Greenpeace hat zum zweiten Mal große Molkereien gefragt, wie die Kühe gehalten werden, von denen sie ihre Milch beziehen. Das Ergebnis: Weidemilch ist weiterhin die Ausnahme im Kühlregal.
Weniger Billigfleisch im Sortiment
Supermärkte haben mehr Tierwohl angekündigt, doch wie kommt die Umstellung des Fleischsortiments voran? Greenpeace hat beim Handel nachgefragt, Aktivist:innen prüfen die Kennzeichnung.
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Kühe stehen meist im Stall, dabei ist Weidehaltung gut für Tierwohl, Klima und Artenvielfalt. Umwelt- und Tierschutzverbände fordern sie schon lange, nun kommt sie: die Weideprämie.
Kühe leiden für Bärenmarke-Milch
Verdreckte Kühe – so angebunden, dass sie sich kaum bewegen können. Greenpeace hat Strafanzeige gegen die Bärenmarke-Molkerei gestellt. Aktivist:innen nehmen aber auch die Politik in die Pflicht.
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