
Der Amazonas-Regenwald
Zwischen Leben und Zerstörung: Der Amazonas kippt
- Überblick
Der Amazonas ist ein atemberaubendes Naturwunder – voller Leben, Farben und Geräusche. Doch hinter dem dichten Blätterdach verbirgt sich eine dramatische Realität: Brände, Dürren und rücksichtslose Abholzung setzen dem Regenwald so stark zu, dass er an einen Kipppunkt geraten könnte. Ein Kollaps hätte verheerende Folgen – für indigene Gemeinschaften, für Millionen von Arten, für Menschen, die von ihm leben, für das globale Klima.
Im November dieses Jahres findet die UN-Klimakonferenz CoP30 im Herzen des Amazonas-Regenwaldes statt – sie muss ein Wendepunkt für den globalen Wald- und Klimaschutz werden. Der Petersberger Klimadialog, ein jährliches Treffen von rund 40 Staaten zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenz, sollte daher klare Weichen stellen: für klare Maßnahmen zur Emissionsreduktion in allen Sektoren, für mehr Sicherheit durch bessere Klimaanpassung, mehr Klimafinanzierung und verbindliche Maßnahmen gegen die Waldvernichtung. Ohne ambitionierte Beschlüsse droht der Amazonas-Regenwald seinen Kipppunkt zu überschreiten – mit dramatischen Folgen für das Weltklima. Die kommenden Monate entscheiden, ob die CoP30 echte Fortschritte bringt.
Bereits in den vergangenen Jahren geriet der Amazonas-Regenwald durch immer neue Katastrophen in die Schlagzeilen. Jedes Jahr brannten riesige Waldflächen, oftmals absichtlich durch die Agrarindustrie gelegt, um Platz für Viehweiden zu schaffen. Immer stärkere Dürren haben diese Brände in den letzten Jahren verschärft – eine Folge intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und der globalen Klimakrise.
Doch die Dürren verursachen noch weitere Probleme. Besonders erschütternd war das massive Fischsterben im Jahr 2023. Extrem niedrige Wasserstände in Flüssen wie dem Rio Negro führten zu einer dramatischen Erwärmung der Gewässer. Die hohen Temperaturen töteten Hunderttausende von Fischen undmehr als 100 Flussdelfine, darunter bedrohte Arten wie den Amazonas-Sotalia und den pinken Flussdelfin. Rund 400.000 Menschen litten unter den Auswirkungen der Dürre, da Fischbestände, Trinkwasserversorgung und Transportwege stark beeinträchtigt wurden.
Laut einer Studie aus dem Dezember 2024 gibt es außerdem immer größere Sturmschäden die in immer größeren Teilen des Regenwaldes Bäume umreißen, was das ohnehin geschwächte Ökosystem weiter destabilisiert. Kommt der Regenwald an seinen Kipppunkt, wird das auch hier spürbar. Denn trotz der geografischen Entfernung schützt der Amazonas-Regenwald indirekt auch unsere Lebensgrundlagen und den Wohlstand hier in Deutschland, indem er das globale Klimagleichgewicht stabilisiert.
Ein Exkurs in eines der wertvollsten und bedrohtesten Naturwunder unseres Planeten.
Alle Informationen im Überblick
- Was ist der Amazonas-Regenwald?
- Der Amazonas-Regenwald in Bildern
- Warum eigentlich Amazonas-REGENwald?
- Die Vielfalt des Amazonas-Regenwalds
- Die Vielfalt des Regenwaldes bewahren
- Der Amazonas-Regenwald schrumpft
- Was sind Kipppunkte?
- Wie erreicht der Amazonas Regenwald einen Kipppunkt?
- Was wir alle tun können
- Was passiert, wenn der Amazonas-Regenwald kippt?
Was ist der Amazonas-Regenwald?
Der Amazonas-Regenwald ist der größte Regenwald der Welt. Er befindet sich im Amazonasbecken, dem Einzugsgebiet des Amazonas-Flusses, und erstreckt sich über neun Staaten Südamerikas: Brasilien, Bolivien, Peru, Ecuador, Venezuela, Kolumbien, Guyana, Französisch-Guayana und Suriname. Dabei hat Brasilien mit einer Fläche von rund 60 Prozent den weitaus größten Anteil.
Amazonien ist DER Hotspot für Artenvielfalt: Faszinierende Tiere, wie der Jaguar oder das größte Nagetier der Welt, das Capybara, streifen durch die Wälder, während sich rosa Flussdelfine und Seekühe im Amazonas-Fluss tummeln. Soweit wir wissen, leben im Amazonasbecken mehr als 400 verschiedene Säugetier-, 1.200 Vogel-, eine Million Insekten-, 3.000 Fisch- und 40.000 Pflanzenarten. Wissenschaftler:innen vermuten aber, dass sich hier noch unzählige weitere bisher unentdeckte Arten befinden. Damit ist diese Region die Heimat von etwa 10 Prozent aller weltweiten Pflanzen- und Tierarten. Zum Vergleich: In Deutschland ist nicht mal ein Viertel dieser Biodiversität zu finden.
Amazonien hat auch die unterschiedlichsten Kulturen hervorgebracht: Etwa 320 verschiedene indigene Bevölkerungsgruppen haben hier ihre Heimat, viele pflegen bis heute ihre traditionelle Lebensart.

Der Amazonas-Regenwald in Bildern
Warum eigentlich Amazonas-REGENwald?
Die Wälder des Amazonas-Gebiets gehören zu den tropischen Regenwäldern, die eine ganz besondere Fähigkeit besitzen: Sie können ihre eigenen Wolken herstellen - und damit ihren eigenen Mini-Wasserkreislauf. Das funktioniert so: Der tropische Regenwald wächst weltweit am Äquator, wo die Sonne fast senkrecht über der Erde steht. Hier ist die Sonneneinstrahlung besonders intensiv, Boden und Luft erhitzen sich stark. Deshalb verdunstet die Feuchtigkeit aus den Gewässern und den Pflanzenblättern in großen Mengen. Ein einzelner Baum kann rund 1000 Liter Wasser pro Tag "verschwitzen". Diese großen Verdunstungsmengen steigen auf, kühlen ab und bilden die für den tropischen Regenwald typischen tiefhängenden Wolken über den Baumwipfeln. Während der Regenzeit entleeren sie sich fast täglich in wasserfallartigen Ergüssen wieder über dem Wald. Nach dem Regenschauer kommt die Sonne raus und der Kreislauf beginnt von vorne.
Vom Amazonas-Regenwald weht ein Teil der selbst hergestellten Wolken mit dem Wind in südliche Regionen Lateinamerikas. Diese sogenannten "fliegenden Flüsse" versorgen Brasilien, Paraguay, Bolivien und Argentinien mit Regenwasser. Ohne sie gäbe es hier an vielen Stellen keine fruchtbaren Böden und Landwirtschaft wäre in ihrer jetzigen Form nicht möglich.
Die Vielfalt des Amazonas-Regenwalds
Der Regenwald hat im Gegensatz zu Wäldern in gemäßigten Breiten keinen Vorratsspeicher im Boden: So fällt beispielsweise in Wäldern in Deutschland ein großer Anteil der organischen Materie wie Blätter, Früchte, Kot und Kadaver auf den Waldboden und wird hier von Insekten, Pilzen und Mikroorganismen zersetzt. Diese Kleinstlebewesen können aufgrund der wechselnden Jahreszeiten und schwankenden Temperaturen nur langsam arbeiten. Dadurch entsteht eine dicke, fruchtbare Bodenschicht (Humusschicht). Anders im Amazonas-Regenwald: Der Großteil der Nährstoffe kreist in den Baumwipfeln und gelangt gar nicht erst auf den Boden. Was unten ankommt, wird durch die Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit in Windeseile das ganze Jahr über zersetzt und alle Nährstoffe direkt von feinen Baumwurzeln, Tieren und Insekten aufgenommen. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Deshalb kann im tropischen Regenwald nur eine sehr dünne Humusschicht entstehen. Die Konkurrenz um Nährstoffe und das wenige Licht, das durch die Baumwipfel dringt, ist der Grund für die große Artenvielfalt des Regenwalds. Die Tiere und Pflanzen mussten sich spezialisieren, um jede Nische nutzen zu können.
Die Lebewesen, die sich hier entwickelt haben, sind eine Fundgrube für Medizin und Wissenschaft sowie eine Inspiration für Technik, Lebensmittelherstellung und Kunst. So vermuten Wissenschaftler:innen im Fell des Amazonas-Faultiers Antibiotika, die auch gegen multiresistente Bakterien helfen. Insgesamt haben rund 35% der derzeit genutzten Medikamente Wirkstoffe, die von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen gewonnen wurden.

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In den Bäumen des Amazonas-Regenwaldes leben faszinierende Tiere wie beispielsweise das Faultier.
Abholzung: Der Amazonas-Regenwald schrumpft
Die Wälder des Amazonasgebiets sind Ur- oder Primärwälder, weil es sich um ursprüngliche Wälder handelt, die seit Jahrtausenden existieren und nie im industriellen Stil abgeholzt und beeinflusst wurden. Es gibt sie bereits seit 58 Millionen Jahren. Im Vergleich: In Europa gibt es fast nur noch sogenannte Sekundärwälder, weil wir den Großteil der Bäume in den letzten 200 Jahren gefällt, die Wälder neu aufgeforstet und damit die natürliche Vegetation des Waldes stark verändert haben.
Im Laufe der Erdgeschichte hat sich die Fläche des Amazonas-Regenwalds stets verändert: In den Eiszeiten schrumpfte sie, in den Warmzeiten dehnte sie sich wieder aus. Zur Zeit befinden wir uns in einer Warmzeit, dem Holozän, deshalb müsste der Regenwald eigentlich gerade wachsen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Er hat in den letzten 50 Jahren fast die Hälfte seiner Fläche verloren. Grund sind Brandrodungen und Abholzungen, um Agrarflächen zu schaffen - vor allem für Rinderzucht, Futtersoja und Palmöl.
Die Waldzerstörung war zu Beginn der 2000er Jahre besonders schlimm, ging aber dank des Aktionsplans zur Prävention und Kontrolle der Entwaldung im Amazonasgebiet (PPCDAM) stark zurück. Doch dann kam Jair Bolsonaro an die Macht. In seiner Zeit als brasilianischer Präsident (2019-2022) nahm die Waldvernichtungwieder rapide zu: Im Vergleich zum Jahr 2015 verdoppelte sich die abgeholzte Fläche. Noch schlimmer: Die Zahl der Feuer, die für Rodungszwecke gelegt wurden, stieg dramatisch an, unzählige Tiere verendeten elendig, Indigene verloren ihre Heimat, die Rauchschwaden verpesteten die Luft der lokalen Gemeinden und verdunkelten den Himmel noch hunderte Kilometer weiter. Die aktuelle brasilianische Regierung unter Präsident Lula da Silva setzt sich zwar für stärkeren Regenwaldschutz ein, doch damit ist die Bedrohung bei Weitem nicht vorbei. Illegale Rodungen gibt es weiterhin und durch internationalen Handel wie beispielsweise dem drohenden EU-Mercosur-Freihandelsabkommen zunehmen. Es ist also jetzt wichtiger denn je, dass internationale Gesetze in Kraft treten und finanzielle Mittel im globalen Norden bereitgestellt werden, um den Regenwald zu schützen. Die Zeit drängt: Der Amazonas-Regenwald nähert sich einem Kipppunkt.
Was sind Kipppunkte?
Man stelle sich einen Jenga-Turm vor. Zieht man hier und dort einen Stein, wird die Konstruktion immer instabiler, bis sie schließlich durch einen entscheidenden Zug zusammenbricht. Ökosysteme sind mit einem solchen Jenga-Turm vergleichbar. Zerstören wir sie systematisch, ist irgendwann der (Kipp-)Punkt erreicht
Dieses Prinzip gilt nicht nur für den Amazonas-Regenwald, sondern auch für das Schmelzen der Polkappen, das Ausbleiben von Meeresströmungen wie dem Golfstrom, das Auftauen der Permafrostböden und den Verlust des borealen Nadelwalds. Der Kipppunkt aller Kipppunkte ist erreicht, wenn das Klima sich unumkehrbar verändert, weil die Eisschilde, die Wälder und die Permafrostböden nach und nach gekippt sind.
Wie erreicht der Amazonas Regenwald einen Kipppunkt?
Brandrodungen und Abholzungen hinterlassen große Brachflächen im Amazonas-Regenwald. Das beeinträchtigt den internen Wasserkreislauf massiv, denn: Er funktioniert nur solange, wie der Regenwald eine gewisse Größe hat. Nimmt die Zahl der Bäume ab, sinkt auch die Menge des Verdunstungswassers, aus dem sich Wolken und die fliegenden Flüsse bilden können. Das führt zu weniger Regen, woraufhin der Wald seine vielen Pflanzen nicht mehr mit genug Wasser versorgen kann. Pflanzen und Böden trocknen aus und sind weniger feuerresistent. Die Zahl der natürlichen Waldbrände nimmt zu, was wiederum zu weniger Bäumen und mehr Trockenheit führt, was wiederum den Wasserhaushalt negativ beeinträchtigt. Tier- und Pflanzenarten sterben, die für das Ökosystem und die Bestäubung essentiell sind. Ohne den Schutz der Bäume tragen Wind und Regen die nährreiche, dünne Humusschicht des Waldes unwiederbringlich ab und das Regenwasser versickert in tiefere Bodenschichten. Zurück bleibt ein kahler, wenig fruchtbarer Boden, der durch die starke Sonneneinstrahlung sehr schnell austrocknet.
CO2-Speicherung: Was passiert, wenn der Amazonas-Regenwald kippt?
Der Amazonas-Regenwald wird häufig als “grüne Lunge der Welt” bezeichnet - und viele Menschen denken deshalb, dass wir ohne ihn ersticken würden. Das ist aber nicht der Fall.
Wälder im Allgemeinen nehmen Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und wandeln es mithilfe von Photosynthese in Zucker und Sauerstoff um. Die Bäume nutzen den Zucker, um zu wachsen und geben den Sauerstoff ab. Dieser Prozess kehrt sich nachts um, weil kein Licht verfügbar ist. Insgesamt speichert der Wald aber mehr CO2 als er produziert. Zwar produziert der Regenwald etwa 9 Prozent des weltweiten Sauerstoffs, dieser wird jedoch fast vollständig von den Tieren und Pflanzen vor Ort veratmet. Der Wald ist also ein mehr oder weniger in sich geschlossenes Sauerstoff-Ökosystem.
Eine entscheidende Rolle spielt der Regenwald hingegen für das Weltklima. Pro Jahr bindet er etwa 380 Millionen Tonnen Kohlenstoff, das sind etwa 5 Prozent der weltweiten Emissionen. Auch ist bereits eine enorme Menge Kohlenstoff in den Pflanzen und Böden gespeichert. Werden Bäume gefällt oder verbrannt, können sie einerseits kein neues CO2 binden. Andererseits gelangt ihr bereits gebundener Kohlenstoff in Form von CO2 in die Erdatmosphäre. Mit jedem Baum, der gefällt und für eine Rinderweide geopfert wird, verliert der Regenwald also einen Teil seiner Funktion als Kohlenstoffspeicher und Bremse der Klimakrise. Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Teile des Amazonas-Regenwalds aufgrund der (Brand-)Rodungen bereits jetzt mehr CO2 abgeben als speichern. Sollte der Wald bzw. große Teile von ihm als Folge der Abholzungen und dem Wasserverlust versteppen, würde der dort gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt werden. Dies würde die Erderwärmung immens beschleunigen und damit auch die anderen Kippelemente wie das Schmelzen der Pole antreiben.
Für die Bevölkerung Amazoniens, immerhin rund 34 Millionen Menschen, würde das Absterben des Regenwalds nichts Geringeres als den Verlust ihrer Lebensgrundlage bedeuten. Ähnlich dramatisch wäre dies für andere Teile Lateinamerikas, deren Böden dann nicht mehr durch die fliegenden Flüsse bewässert würden.
Tausende von Arten würden zusammen mit dem Amazonas-Regenwald unwiederbringlich aussterben. Das wäre nicht nur für Wissenschaft, Medizin, Technik und Kunst ein großer Verlust, denn: Auch wenn sie uns vielleicht nicht direkt dienen. Wie unfassbar schade wäre eine Welt ohne Ara-Papageien, die Hot-Lips-Pflanze, Pfeilgiftfrösche und Jaguare?