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Sumpf im Vodlozero National Park in Russland
© Greenpeace

Treibhausgas-Senken

Sie speichern gigantische Mengen CO2: Wälder, Meere, Böden. Welche Rolle spielen diese Kohlenstoffsenken im Kampf gegen die Klimakrise? Kurz gesagt: Wenn wir Wälder, Böden und Meere schützen, können wir Treibhausgase senken und das Klima entlasten.

Das System ist ausgeklügelt: Moore etwa – meist lediglich beachtet als Kulisse für Horrorfilme, als Stoff für den Geschichtsunterricht (Moorleichen) oder als No-Go für den Blumentopf – binden im Torfboden doppelt so viel CO2 wie Wälder. Diese wiederum sind an Land Spitzenreiter darin, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu ziehen. Und die Meere speichern aller steigenden CO2-Emissionen zum Trotz immer noch 25 Prozent aller Klimagase. Kohlenstoffsenken heißen diese unermüdlichen Helfer im Fachjargon. Längst jedoch übersteigt die Menge der von Menschen verursachten Klimagase die Möglichkeiten der Senken, diese in ausreichendem Maße aufzunehmen, da wir sie immer weiter zerstören. Das, was daraus folgt, ist bekannt: Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, Hurrikane. Eben die Klimakrise.

Im Jahr 2019 bilanzierte das Global Carbon Project einen CO2-Überschuss von zusätzlichen 4,9 Gigatonnen Kohlenstoff (GtC) – also 4.900.000.000 Tonnen – in der Atmosphäre, der nicht von den Senken gebunden werden konnte: Durch die Verbrennung fossiler Stoffe (Kohle, Öl, Gas) etwa für Verkehr oder Industrieprodukte wie Beton entstanden im Jahr 2019 9,5 GtC. Naturzerstörung wie die Rodung von Wäldern für den Futtermittelanbau verursachten 1,5 GtC. Im Gegenzug nahmen die Meere 92,5 GtC auf, emittierten allerdings auch 90 GtC – unterm Strich verbleiben aber 2,5 GTC in den Ozeanen. Das Land, dazu zählen Wälder, Permafrostböden, Moore, Böden, speichert nach Abzug der Emissionen durch absterbende Pflanzen noch 3,2 GtC. Macht insgesamt ein Plus von 5,3 GtC. Berücksichtigt man Berechnungsvariablen, bleibt ein Plus von 4,9 Gigatonnen. Wobei Plus hier nichts Gutes bedeutet – ähnlich dem positiven Corona-Testergebnis.  

Was heißt hier eigentlich klimaneutral?

Der Ausstoß an Klimagasen muss also runter und die Senkenleistung hoch. Irgendwann dürfen die jährlichen Emissionen nicht größer sein, als die Fähigkeit der Senken, diese Gase zu binden. Das sogenannte Netto-Null-Ziel. NGOs, darunter auch Greenpeace, fordern wissenschaftlich untermauert, dass die EU bis 2040 klimaneutral sein muss. Die EU peilt derzeit 2050 an. Wie sie dort schrittweise hinkommen will, debattierten die Mitgliedsstaaten Ende 2020. Demnach soll bis zum Jahr 2030 der Treibhausgasausstoß der EU um mindestens 55 Prozent netto gegenüber 1990 sinken. Notwendig jedoch wären 65 Prozent. Zudem soll die CO2-Speicherfunktion des europäischen Landsektors in das Reduktionsziel einberechnet werden, insbesondere die von Wäldern. Warum? Die Rechnung ist simpel: Wer die Speicherkapazität der Bäume einbezieht, muss in einer Netto-Zielsetzung weniger Emissionen reduzieren etwa in den Sektoren Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Energie. Aber geht diese Rechnung auf?

Jannes Stoppel, Greenpeace-Experte für Wälder, lehnt dieses Vorgehen ab: „Die Landsenken anzurechnen ist ein fauler Trick. Denn die Klimakrise und die damit verbundene Dürre schwächt anfällige Waldstrukturen: Gerade Monokulturen, speziell Fichtenforste, sind anfälliger für Schädlinge geworden und sterben durch zunehmende Auswirkungen der Klimakrise eher ab.” 

Natürliche CO2-Senken stärken

Lübecker Stadtwald im Spätsommer 2019

Naturnah: der Lübecker Stadtwald

Statt die zunehmend unter Stress stehenden Wälder als Scheinlösung zu missbrauchen, fordert Stoppel neben dem EU-Reduktionsziel ein weiteres Ziel festzulegen: den Aufbau der natürlichen Senken im Einklang mit der Biodiversitätsstrategie. Denn zweifelsohne brauchen wir mehr gesunde Wälder, Böden, Meere, um die Klima- als auch die Biodiversitätskrise in den Griff zu bekommen und die Widerstandsfähigkeit unserer Lebensgrundlagen zu sichern. Denn am meisten Kohlenstoff versenkt ein Wald, der sich selbst überlassen bleibt – der einfach wachsen darf. Das abgestorbene Holz verrottet, bildet ein Zuhause für die Artenvielfalt, speichert Wasser, baut Humus auf und lagert so den Kohlenstoff im Boden ein. 

Der Weltklimarat konstatierte bereits vor zwei Jahren, dass die Erderhitzung nur bei 1,5 Grad stabilisiert werden könne, wenn der CO2-Ausstoß rasch drastisch gemindert und zusätzlich der Atmosphäre CO2 entzogen würde.

Das funktioniert aber nur, wenn sich am Umgang mit dem Wald hierzulande und weltweit einiges ändert. In der EU etwa müssen die genutzten Wälder naturnaher bewirtschaftet werden. Nur so haben sie die Chance, zu wachsen, mehr Holz zu bilden und damit auch ihren CO2-Speicher auszuweiten. Naturnahe Wälder stellen zudem noch weitere wertvolle Ökosystemleistungen bereit wie Artenschutz, verbesserte Wasserhaushalte oder Kühlungseffekte auf die umliegende Landwirtschaft. Naturnahe Wälder, das zeigt etwa der Lübecker Stadtwald, sind robuster und können Schädlingen als auch Dürre leichter trotzen. Die derzeitigen EU-Regeln für die Bewirtschaftung von Wäldern führen jedoch zu einer drastischen Verringerung der Senkenleistung von bis zu 18 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000.

Auch am Zustand der Wälder weltweit ist die Europäische Union mitschuldig. Vom Tierfutter in großen Mengen bis zu Gartenmöbeln landen immer noch Waren auf dem europäischen Markt, die aus Waldzerstörung stammen. Lange schon fordert Greenpeace ein Gesetz, das solche Produkte verbietet, damit vor allem die Tropenwälder als CO2-Speicher sowie Heimat für Mensch und Artenvielfalt erhalten bleiben.    

Neben dem Waldschutz ist aber auch die Ausweitung der Waldfläche nötig. Hier gelten die gleichen Maßstäbe: Eine billige Pflanzung von Plantagen, die nach 20 Jahren geerntet werden, auf Klimaziele anzurechnen, ist, wie nach einem Tag Diät sich den Magen vollzuschlagen. Den Anbau von Biomasse im großen Stil voranzutreiben, ist im Hinblick auf knappe landwirtschaftliche Flächen, die dann nicht mehr für die Produktion von Lebensmitteln verfügbar wären, mehr als fragwürdig und heizt Landkonflikte an. Auch eine ökologische Wiederbewaldung von entwaldeten Flächen ist deswegen nur begrenzt möglich.

Moore: die verkannte Klimarelevanz

Sumpf im Mischwald, Oulanka Nationalpark in Finnland

Oulanka Nationalpark in Finnland

Lange nicht so populär in der Klimadebatte wie die Wälder sind die Moore – obwohl ihre Beachtung zunimmt. Zu Recht. Ihr Beitrag, Kohlenstoff aus der Luft zu ziehen, ist zunächst zwar wenig beeindruckend. Anders sieht es aus, wenn es um Fähigkeit geht, Kohlenstoff zu binden: Obwohl Moore nur etwa drei Prozent der weltweiten Landfläche ausmachen, speichern sie doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen. Sie bestehen größtenteils aus Wasser, Pflanzen und Torf. Von den Pflanzen aufgenommenes C02 wandert nach dem Absterben in die Torfschicht, lagert sich dort über die Zeit ab und verdichtet sich.  

Torf begegnet einem meist im Baumarkt mehr oder weniger handlich verpackt in Säcken als Beigemisch von Blumen- oder Komposterde. Ein Dilemma nicht nur fürs Klima. Durch die Abbau von Torf verlieren auch einzigartige Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum. Einst waren etwa 4,2 Prozent der Landfläche Deutschlands von Mooren bedeckt, heute ist es nur noch ein Bruchteil: Die Flächen wurden für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt, werden aber auch weiterhin durch den Abbau von Torf  für den Einsatz im Garten- und Landschaftsbau zerstört. Ein Drittel landet in privaten Gärten.

So wird auch hier wie bei der Zerstörung von Wäldern die Kohlenstoffsenke zur Quelle. Denn durch die Entwässerung entweichen die gespeicherten Treibhausgase in großen Mengen: „Derzeit etwa doppelt so viel wie der weltweite Flugverkehr jedes Jahr“, schreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Die gute Nachricht: Durch Wiedervernässung bereits trockengelegter Moore können die Emissionen gedeckelt werden. Treibhausgase würden zwar immer noch entweichen, aber in einem deutlich moderateren Maße. Bei einer Wiedervernässung von sieben Prozent der deutschen Agrarfläche würden 37 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen eingespart werden. „Um die Klimaziele zu erreichen, muss daher der Schutz und die Wiederherstellung von Mooren verstärkt werden“, so das PIK.

Permafrost: da hilft nur tiefkühlen

Korallenbleiche am Great Barrier Reef. Eine Taucherin hält ein Schild "This ist climate change".

Korallenbleiche am Great Barrier Reef

Ähnlich den Mooren verhält es sich bei den Permafrostböden etwa in Sibirien und Nordamerika: Die Böden speichern unfassbar große Mengen CO2. Diese sind jedoch gefroren, was an und für sich egal ist – allerdings nicht, wenn sich die Erde erwärmt. Denn die aufgrund des Klimawandels weltweit steigenden Temperaturen führen zum Auftauen immer größerer Permafrostflächen. Schmilzt das Eis, werden unzählige Mikroorganismen aktiv: Sie zersetzen das, was von Pflanzen, Blättern, Stämmen aus längst vergangenen Zeiten noch übrig geblieben ist – und setzen dabei die Treibhausgase wieder frei. Anders als bei den Mooren lässt sich dieser Prozess nicht so einfach stoppen. Man kann schließlich nicht die Böden einfrieren. Hier hilft nur konsequenter Klimaschutz, um die eigentlich naturgegebene Tiefkühlung aufrecht zu erhalten.

Meere: sauer und endlich 

Und die Meere? Ihre Speicherfähigkeit ist beachtlich: Ozeane entziehen der Atmosphäre etwa ein Viertel der menschengemachten und natürlichen Kohlendioxid-Emissionen. In ihren Tiefen ist 20mal mehr CO2 gebunden als an Land. Dahinter stecken komplexe ineinandergreifende Mechanismen. Zunächst einmal entzieht das Oberflächenwasser der Atmosphäre Kohlenstoff. Meeresströmungen und Mischungsprozesse leiten den Kohlenstoff in die Tiefen der Ozeane. Zusätzlich wandeln Pflanzen wie Seegräser, Plankton oder Algen über Photosynthese wie Gewächse an Land Kohlenstoff in Sauerstoff um. Und das in einem nicht unerheblichen Maße. Nicht umsonst heißt es, dass wir jeden zweiten Atemzug den Meeren verdanken.

Obwohl die CO2-Emissionen verursacht durch den Menschen in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen sind, nehmen die Meere bislang nahezu unverändert Kohlenstoff auf. Dadurch steigt die CO2-Konzentration in den Ozeanen. Neben der Frage, ob die Ozeane irgendwann gesättigt sind, leiden die Meere unter dieser Verschmutzung: Kohlenstoff bildet in Verbindung mit Wasser Kohlensäure. Die Meere versauern, dadurch werden Kalkschichten etwa von Muscheln oder Korallen angegriffen, was wiederum Auswirkungen auf die Artenvielfalt, auf das gesamte Ökosystem hat.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass die Speicherfähigkeit der Meere abnehmen wird. Zum einen durch den mittlerweile hohen CO2-Gehalt in den Meeren, zum anderen durch den Klimawandel selbst  – durch den sich die Meere erwärmen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf unser Wetter und den Meeresspiegel, sondern auch auf die Speicherkapazität. Warmes Wasser kann weniger CO2 aufnehmen. Denn der Kohlenstoff im Wasser wird über das kalte, salzhaltigere und somit – vereinfacht ausgedrückt – schwerere Wasser in den Polarregionen nach unten gezogen. Die warmen Tropengewässer hingegen verdunsten Wasser und emittieren daher eher CO2. Erwärmt sich nun global das Oberflächenwasser schwächelt dieser Mechanismus.

Wie das Land mit seiner fantastischen Vegetation so auch die Meere: Sie stellen uns kostenlos wertvolle Dienstleistungen zur Verfügung. Doch wir Menschen zerstören systematisch das, was uns hier auf der Erde ein recht angenehmes Leben beschert. Es lohnt sich, diese wertvollen Ressourcen zu schützen.

Petition

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