Unfairer Preiskampf: Zug und Flug im Vergleich
- Ein Artikel von Gregor Kessler & Simone Miller
- mitwirkende Expert:innen Lena Donat
- Nachricht
Viele Menschen wollen klimaschonend reisen. Doch Subventionen machen den Flug auf vielen Strecken billiger als den Zug – gerade ins europäische Ausland. Das zeigt eine Greenpeace-Recherche.
Urlaubsreisen, Familienbesuche oder Geschäftsreisen: Ob dabei der Zug oder das Flugzeug genutzt wird, darüber entscheiden oft Preis und Bequemlichkeit. Eine neue europaweite Greenpeace-Studie zeigt, dass klimaschädliches Fliegen auf ungefähr der Hälfte der Strecken noch immer günstiger ist als Bahnfahren. Einen solchen Preisvergleich hatte Greenpeace bereits 2023 angestellt. Zwar holten Zugverbindungen preislich auf, schlagen aber immer noch lediglich auf 46 Prozent der untersuchten Routen in Europa das Flugticket.
Höher, schneller, teurer: Ticketpreise für europäische Zug- und Flugrouten im Vergleich
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HerunterladenDen höchsten Preisunterschied entdeckte Greenpeace auf der Strecke Barcelona-London. Bei mittelfristiger Buchung zahlen klimabewusst Reisende hier 26-mal so viel: Ein Flugticket gibt es für 15 Euro, während der Zug auf der gleichen Strecke 389 Euro kostet. Allerdings ignoriert diese Preispolitik die Umweltkosten: Ein Flug ist etwa zehnmal klimaschädlicher als eine vergleichbare Zugfahrt. Zurück bleiben Menschen mit Gewissenskonflikten, doch oft erlaubt das Budget nicht die umweltfreundlichere Wahl.
“Es ist absurd, dass Reisende in Europa mit üppigen Subventionen und Steuerausnahmen ins klimaschädliche Flugzeug gedrängt werden, während die klimaschonende Bahn mit zig Abgaben belastet wird. Viele Menschen würden lieber mit dem Zug in den Urlaub fahren, scheitern aber an fehlenden Anbindungen, komplexen Buchungen und überhöhten Preisen. Wer klimafreundlich mit der Bahn reist, sollte dafür immer und überall weniger zahlen als fürs Fliegen.”
Steuerbegünstigte Flüge schaden europäischem Schienenverkehr und Klima
“Es ist höchste Zeit, dass Zugfahren innerhalb Europas billiger wird, als das Flugzeug zu nehmen. Fliegen ist die klimaschädlichste und ungerechteste Art zu reisen”, sagt Donat. So verursacht ein Prozent der Weltbevölkerung mit Vielfliegen die Hälfte der weltweiten Flugemissionen, während 80 Prozent der Menschen noch nie geflogen sind. Von den Folgen der Klimakrise mit Dürren, Stürmen oder Überflutungen sind ausgerechnet jene Regionen am schlechtesten geschützt, die am wenigsten zu den Flugemissionen beitragen. Dennoch werden klimaschädliche Flugreisen auch in Deutschland und Europa durch Steuerbefreiungen und andere Ausnahmen bevorteilt.
Direktzug tut gut
Doch nicht nur der Preis entscheidet bei der Wahl der Verkehrsmittels. Deshalb hatte sich Greenpeace im Jahr 2024 angeschaut, ob das Reisen mit der Bahn einfach und bequem ist. Ist es häufig nicht, so das Ergebnis. Dabei zeigt ein Report aus dem Jahr 2024, dass sich das leicht ändern ließe.
So müssen etwa Reisende, die London umweltfreundlich mit dem Zug erreichen wollen, gleich zweimal umsteigen. Schon die reine Fahrzeit addiert sich so auf 9:46 Stunden. Mit einem ungewissen Anschluss in Köln und der guten Stunde, die man in Brüssel zum Einchecken in den Eurostar einplanen muss, kann man nicht ganz sicher sein, es an einem Tag zu schaffen. Zu mühsam finden viele: Fast eineinhalb Millionen Menschen stiegen 2023 allein in Berlin in den Flieger nach London.
Dabei könnte ein Direktzug auf dem bestehenden Gleisnetz in 8:10 Stunden von Berlin in London sein, zeigt die Greenpeace-Analyse von 2024. Und wäre damit eine echte Alternative zum klimaschädlicheren Flug.
Auf bestehenden Gleisen könnten dreimal so viele Direktzüge fahren
Für die Analyse “Verbindung Fehlgeschlagen” hat sich Greenpeace knapp 1000 Verbindungen zwischen 45 europäischen Großstädten angeschaut.
Greenpeace fordert, Bahnfahren durch niedrigere Steuern und eine gesenkte Schienenmaut permanent günstiger zu machen. Um die tatsächlichen Umweltkosten Klimaschädlicher Flüge abzubilden, sollten sie künftig fair besteuert werden, angefangen mit einer Ticketsteuer für Business und First Class.
Zug und Flug im Preisvergleich
Für den Preisvergleich recherchierte Greenpeace die niedrigsten Flug- und Bahnpreise für die einfache Fahrt auf 142 Routen in 31 Ländern zu verschiedenen Buchungszeiten.
Auf den analysierten Strecken innerhalb, von und nach Deutschland ist der Zug auf knapp der Hälfte (15 von 31) günstiger als eine Flugreise. Städte in Polen, Tschechien, Österreich und Belgien sind aus Deutschland fast immer günstiger mit der Bahn zu erreichen. Bahntickets nach Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien kosten hingegen oft deutlich mehr als Flugtickets.
Bereits 2023 untersuchte Greenpeace 111 der jetzt 142 analysierten Verbindungen. In den zwei Jahren holte die Bahn etwas auf: War sie 2023 nur auf 27 Prozent der 111 Routen günstiger, ist sie das 2025 immerhin auf 41 Prozent. Dies ist auf bessere Bahnverbindungen und weniger Billig-Flug-Verbindungen über Drehkreuze wie London oder Dublin zurückzuführen. Dennoch bleiben bei grenzüberschreitenden Routen die Unterschiede deutlich: Während der Zug auf 70 Prozent der 33 betrachteten Inlandsverbindungen günstiger war, traf dies nur auf 39 Prozent der 109 untersuchten grenzüberschreitenden Routen zu. In Frankreich, Spanien und Großbritannien waren Züge sogar auf bis zu 95 Prozent der grenzüberschreitenden Strecken teurer als Flüge. Alle analysierten Routen sind kürzer als 1500 Kilometer und verbinden Städte mit einem internationalen Flughafen und Bahnhof. Indem neun verschiedene Buchungs- und Reisezeiten betrachtet werden, gleichen sich einzelne Preisspitzen aus, etwa bei kurzfristigen Buchungen oder an beliebten Reisetagen.
Greenpeace-Report: Verbindung fehlgeschlagen
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HerunterladenZiel war herauszufinden: Wie viele Direktzüge fahren von jeder dieser Städte zu ihren Nachbarn – und wie viele könnten mit dem bestehenden Netz in vertretbarer Zeit fahren. Das Ergebnis ist gleichermaßen enttäuschend und ermutigend: Selbst die am besten per Direktzug angebundenen deutschen Städte, München und Berlin, nutzen gerade mal die Hälfte ihres Direktzug-Potenzials. Die meisten Städte nutzen weit weniger.
Das Ergebnis lässt sich aber auch positiv lesen: Ohne auch nur einen einzigen Kilometer Gleise neu zu bauen, könnte sich die Zahl der Direktzüge zwischen Europas Großstädten verdreifachen! Angesichts von klammen Kassen und langen Bauzeiten eine gute Nachricht. Zumindest wenn sie politisch Gehör findet.
“Viele Menschen wollen heute klimaschonend mit der Bahn reisen, aber viel zu oft fehlen die attraktiven Angebote”, so Lena Donat. “Bahngesellschaften und Regierungen können das schnell ändern, ohne auch nur einen Kilometer neuer Gleise zu bauen. Das bestehende Netz muss dringend kundenfreundlicher genutzt werden.“
In einer interaktiven Karte zeigt Greenpeace, welche Direktzug-Verbindungen die 45 Städte heute anbieten und welche Strecken mit maximal 12 Stunden (Tagzüge) oder maximal 18 Stunden (Nachtzüge) Fahrdauer zusätzlich angeboten werden könnten.
Fast dreimal so viele Direktflüge auf möglichen Direktzug-Routen
Die Analyse zeigt zudem: Nur auf 114 der 419 Routen, die sich in weniger als 18 Stunden mit dem Zug zurücklegen ließen, fährt tatsächlich ein Direktzug. Hingegen sind 335 dieser Verbindungen per Direktflug verbunden. Es werden also fast dreimal so viele Routen mit Direktflügen wie mit Direktzügen bedient.
“Wenn verlässliche und bequeme Direktzüge fehlen, darf sich niemand wundern, dass Menschen auch auf kurzen Strecken in den Flieger steigen. Zugfahren in Europa muss einfacher werden, mit besseren Verbindungen und einem einheitlichen Buchungssystem. Dann sinken auch die Emissionen.”