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Installation eines abgestürzten Pkw, der einen EU-Flaggenmast beschädigt vor dem Brandenburger Tor
© Britta Radike / Greenpeace

Warum E-Fuels die Klimaprobleme des Verkehrs nicht lösen

Im Herbst 2022 verkündete die EU einen klimapolitischen und wirtschaftlichen Wendepunkt: Neuzulassungen von klimaschädlichen Verbrennern soll es ab dem Jahr 2035 in Europa nicht mehr geben. Nur die deutsche FDP stellte sich quer und verlangte, dass der Einsatz von sogenannten E-Fuels für Verbrenner überprüft werden sollte. Dabei sind synthetische Kraftstoffe in ausreichenden und bezahlbaren Mengen für den Autoverkehr reines Wunschdenken. 

Vor der Europawahl im Juni 2024 nahm die Debatte um den Ausstieg aus klimaschädlichen Diesel und Benzinern wieder Fahrt auf. Manche nutzen gesellschaftliche Stimmungen, um wie Markus Söder (CSU) das beschlossene Verbrenner-Aus grundsätzlich in Frage zu stellen. Die FDP beharrt darauf, dass neue Verbrenner auch nach 2035 zugelassen werden dürfen, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden. In einem vom FDP-geführten Finanzministerium Anfang Oktober 2024 veröffentlichen Referentenentwurf heißt es sogar, dass die Kfz-Steuer für Autos, die nur mit E-Fuels betrieben werden, ab 2031 wegfallen soll. Der Gesetzentwurf muss nun innerhalb der Ampel-Regierung abgestimmt werden.

Parlamentarisch beschlossen hat die EU, dass ab dem Jahr 2035 Zulassungen fabrikneuer Pkw mit klimaschädlichen Diesel- oder Ottomotoren nicht mehr erlaubt sind, Gebrauchtwagen sind davon nicht betroffen. Im Koalitionsvertrag hatte die FDP mit Verkehrsminister Volker Wissing noch zugestimmt, dass bis Ende des Jahrzehnts 15 Millionen E-Autos allein in Deutschland unterwegs sein sollen. Inzwischen steuert die FDP um und verlangt längere Laufzeiten für Verbrenner, die theoretisch mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden könnten.
Doch das Festhalten an Autos mit Verbrennungsmotor sorgt für Ungewissheiten in der Autobranche und bei den Zulieferern und stößt in der Wirtschaft auf Kritik: „Die Unternehmen in der EU brauchen Klarheit und ehrgeizige Rechtsvorschriften“, heißt es in einem Brief Dutzender Unternehmen wie Ford, Volvo und Vattenfall an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

Was sind E-Fuels?

Kurz und knapp

Text

Sie heißen Synfuels, strombasierte elektrische Kraftstoffe, synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels und bezeichnen alle das gleiche: Kraftstoffe, die mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Sie können als E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin wie anderer normaler Kraftstoff verwendet werden. E-Fuels lassen sich klimaneutral rechnen, wenn der Strom, der für die Herstellung nötig wird, ausschließlich aus erneuerbaren Quellen stammt – in der Regel sind das Wind oder Sonne. Schadstoffarm sind sie deswegen noch lange nicht, durch ihre Verbrennung im Motor entstehen gesundheitsschädliche Abgase.

Die Herstellung von E-Fuels ist extrem energieaufwendig. Besonders viel Energie ist nötig, um per Elektrolyse aus Wasser zunächst Wasserstoff herzustellen. Diesem Wasserstoff wird dann CO2 zugeführt, um künstliche E-Fuels zu erzeugen.

Klimaziel: Straßenverkehr in Deutschland soll 2045 klimaneutral sein

Mit dem Verbrenner-Aus verabschiedete die EU den ersten Teil ihres Klimaschutz-Programms “Fit for 55”. Ziel ist es, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent zu verringern. Die Klimaschutzbeschlüsse basieren auf dem Pariser Klimaabkommen von 2015 – fossile, klimaschädliche Energie soll durch erneuerbare Energie ersetzt werden. Das bedeutet perspektivisch: Schiffe dürfen nicht mehr mit Schweröl fahren, Flugzeuge nicht mehr mit Kerosin fliegen und Fahrzeuge nicht mehr mit fossilen Kraftstoffen wie Benzin oder Diesel betrieben werden. Zielpunkt für die Klimaneutralität ist das Jahr 2050. Der Straßenverkehr in Deutschland soll schon 2045 so weit sein.

Der Verkehrssektor ist bisher für etwa ein Viertel der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich, allein die Hälfte davon entfällt auf Autos. Trotz effizienterer Motoren habe sich gezeigt, «dass die meisten herkömmlichen Autos trotz ehrgeiziger Ziele und strenger Anforderungen immer noch so viel CO2 ausstoßen wie vor zwölf Jahren», sagte Nikolaos Milionis vom Europäischen Rechnungshof. Das würde vor allem daran liegen, dass die Autos schwerer und die Motoren leistungsstärker wurden.

E-Fuels-Autos verbrauchen mindestens fünfmal so viel Energie wie E-Autos

Mit dem Verweis auf E-Fuels will die FDP den Verbrenner in Europa am Leben halten. Wirtschaftlich ist das umstritten, da Elektromobilität auf dem größten globalen Automarkt, China, boomt - mehr als die Hälfte aller Autos mit Elektroantrieb weltweit fahren auf chinesischen Straßen. Wissing füttert den alten Mythos, dass die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellten Treibstoffe theoretisch klimaneutral sein könnten. Kann der alte Verbrenner-Motor also mit sauberen Treibstoffen weiterbetrieben werden? Beim Auto wird das nicht funktionieren, denn E-Fuels verbrauchen mindestens fünfmal so viel Energie wie heute verfügbare E-Autos. Umweltschützende kritisieren, dass wir uns eine solche Verschwendung sauberer Energie nicht leisten können. 

6 Gründe, warum E-Fuels umstritten sind

1. Der schlechte Wirkungsgrad strombasierter Kraftstoffe

Wegen ihrer aufwendigen Produktion haben E-Fuels lediglich einen Wirkungsgrad von 13 Prozent. Das heißt, dass nur 13 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie das Fahrzeug bewegen. Der entscheidende Nachteil von strombasierten Kraftstoffen sei also ihr niedriger Wirkungsgrad, sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte von Greenpeace: “Das liegt auch an dem ohnehin unglaublich schlechten Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren. Etwa zwei Drittel der eingesetzten Energie verpufft als Wärme, während ein Elektromotor über 90 Prozent der Energie in Bewegung umwandelt.” Die Produktion von E-Fuels ist zudem extrem stromintensiv. Soll der synthetische Kraftstoff wirklich klimaneutral sein, dann muss dieser Strom aus erneuerbaren Energien kommen – Strom, der auch direkt in ein Elektroauto fließen könnte. “Mit der gleichen Menge Strom kann ein Elektroauto etwa viermal weiter fahren als ein Verbrenner, der E-Fuels nutzt”, sagt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM).

Im Labor liegt der Preis für E-Fuels aktuell bei vier bis fünf Euro für einen Liter. Zwar gibt es die Hoffnung, die Kosten durch industrielle Produktion deutlich zu senken, aber fest steht laut Bratzel: „E-Fuels werden immer deutlich teurer sein, als ein Fahrzeug mit normalem Strom zu betanken.“ E-Fuels sind im Straßenverkehr daher ökonomisch nicht sinnvoll. Sie könnten aber im Flugverkehr und in der Schifffahrt Bedeutung bekommen, denn hier sind elektrische Antriebe nicht gut einsetzbar.

2. Die verfügbare Menge von E-Fuels

Den gigantischen Energiebedarf für einen breiten Einsatz von E-Fuels im Autoverkehr macht eine aktuelle Greenpeace-Kalkulation deutlich: Um alle heute in der EU angemeldeten Pkw und Lkw mit E-Fuels zu betreiben, wäre mehr als das Doppelte des 2021 weltweit aus Wind und Sonne erzeugten Stroms nötig. “E-Fuels in Autos zu tanken, ist rücksichtslose Verschwendung erneuerbarer Energien”, sagt Benjamin Stephan. “Kaum jemand wird sich diesen teuren Sprit künftig leisten können. Indem die FDP so tut, als könnten große Teile der Pkw-Flotte künftig E-Fuels tanken, bremst sie den Umstieg auf viel effizientere und günstigere E-Autos und verhindert dringend nötige Klimafortschritte im Verkehr in ganz Europa.”

Eine vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung veröffentlichte Analyse vom März 2023 zeigt, dass synthetische Kraftstoffe noch lange knapp sein werden:  “E-Fuels sind heute noch nicht kommerziell verfügbar. Bisher gibt es weltweit nur sehr wenige Demonstrationsanlagen. Bis 2035 sind derzeit etwa 60 neue E-Fuels-Projekte angekündigt, von denen nur etwa 1 Prozent mit einer finalen Investitionsentscheidung gesichert sind. Alle diese weltweiten Projekte entsprächen zusammen nur etwa 10 Prozent der unverzichtbaren E-Fuels-Bedarfe Deutschlands (vor allem für andere Verkehrsträger, wie Schiffe und Flugzeuge).” 

3. E-Fuels sind teuer

Die hohen Herstellungskosten von E-Fuels könnten dazu führen, dass sich nur Wohlhabende den synthetischen Kraftstoff leisten könnten. Die europäische Umwelt-NGO Transport & Environment (T&E), prognostiziert aktuell einen E-Fuels-Preis von 2,80 Euro pro Liter im Jahr 2030.
Bisher gibt es nur Pilotanlagen für die Herstellung von E-Fuels. Das wirkt sich auf den Preis aus. Sollte es in Zukunft größere Produktionskapazitäten geben, würde der Preis sinken. Allerdings müssten E-Fuels erst noch über weite Strecken nach Europa gebracht werden. Zu vertretbaren Kosten können sie nur in Gegenden mit sehr viel Wind und Sonne produziert werden. Weil in der südchilenischen Wüste etwa dreimal so viel Wind weht wie an der Nordsee, hat der Autobauer Porsche dort eine Pilotanlage errichtet  die erste Großanlage weltweit. 

4. E-Fuels stoßen schädliche Abgase aus

E-Fuels erzeugen umwelt- und gesundheitsschädliche Abgase - ähnlich wie herkömmliche Kraftstoffe. Die Ausnahme für E-Fuels beim europäischen Verbrennerverbot hätte laut der europäischen Umwelt-NGO Transport & Environment zur Folge, dass Europäer:innen auch in den kommenden Jahrzehnten giftige Luft atmen müssen. Synthetische Kraftstoffe können zwar kohlenstoffneutral sein, stoßen aber bei der Verbrennung in Verbrennungsmotoren immer noch Luftschadstoffe aus – vor allem giftiges NO2 und krebserregende Partikel. Neuen Abgastests zufolge stoßen mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Pkw genau so viele giftige Stickoxide (NOx) aus wie fossile Verbrenner. Einer T&E-Analyse zufolge könnten bis 2050 mit E-Fuels betriebene Autos in der EU bis zu 160.000 Tonnen zusätzlicher NOx-Emissionen ausstoßen. Das sind mehr giftige Emissionen als die gesamte italienische Autoflotte in einem Jahr ausstößt. Die Feinstaub-Emissionen sind nur ein kleines bisschen geringer und mit denen normaler Kraftstoffe vergleichbar. E-Fuels können die Schadstoffemissionen also nur geringfügig reduzieren.

5. E-Fuels sind keine Lösung für die sozial- und klimafreundliche Verkehrswende

Autohersteller, ihre Zulieferfirmen und E-Fuel-Hersteller wollen E-Fuels auch für Autos durchsetzen. Denn selbst mit einem Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 wird es immer noch jahrelang mehr als 30 Millionen gebrauchte Diesel- und Benzinfahrzeuge auf deutschen Straßen geben. Trotzdem werden E-Fuels im Autoverkehr ein Nischenprodukt für Luxusautos bleiben. Menschen mit niedrigem Einkommen werden sich den Umstieg nicht leisten können, müssen aber den Ausbau von Infrastruktur mit Steuermitteln unterstützen. Für eine sozial- und klimafreundliche Verkehrswende müssen mehr kleine, mietbare Elektroautos auf den Markt kommen, die Ladeinfrastruktur muss flächendeckend massiv ausgebaut werden. Sozial gerecht ist zudem der Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu bezahlbaren Tarifen. 

6. E-Fuels-Fahrzeuge - Bürokratiemonster mit hohem Betrugsrisiko

Mit der Schaffung von E-Fuels-only Fahrzeugen als neue Fahrzeugkategorie mit steuerlichen Privilegien würden EU-Kommission und Bundesregierung ein Bürokratiemonster mit hohem Betrugspotential erschaffen. Autofahrer:innen mit für E-Fuels zertifizierten Verbrennungsmotoren könnten die Vorschriften umgehen und stattdessen fossiles Benzin tanken: Ein Fahrzeug mit Otto- oder Dieselmotor kann grundsätzlich jeden Otto- oder Dieselkraftstoff verbrennen - ob er fossilen, biogenen oder synthethischen Urspungs ist. Um ein Fahrzeug zu einem E-Fuels-only Fahrzeug zu machen, müsste aufwendige Überwachungstechnik eingebaut werden, die verhindert, dass ein solches Fahrzeug startet, wenn es nicht mit E-Fuels betankt wurde. Solche Überwachungstechnik ließe sich leicht manipulieren, insbesondere da davon auszugehen ist, dass Varianten dieser E-Fuels-only Automodelle auch noch als konventionelle Verbrenner in anderen Weltmärkten verkauft werden. Um dies einzudämmen, würde es flächendeckender Kontrollen bedürfen, für die beim Zoll entsprechende Technik und Personalressourcen geschaffen werden müssten.

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