
Klima und Arten brauchen ein EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz
- Ein Artikel von Antonia Weinmann
- Hintergrund
Ein starkes EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz ist dringend nötig, um gegen die Wald- und Naturzerstörung sowie die Verletzung von Menschenrechten anzukämpfen.
Für Produkte auf dem EU-Markt werden im Rekordtempo Wälder weltweit vernichtet. Das #Together4Forests Bündnis hat im Februar 2022 mit einer europaweiten Aktion darauf aufmerksam gemacht, dass alle zwei Sekunden eine Waldfläche so groß wie ein Fußballfeld verschwindet. Die Klima- und Artenkrise hat sich daher die letzten Jahre deutlich zugespitzt. Fast 90 Prozent der weltweiten Abholzung sind durch die Expansion von Rohstoffen und Produkten aus der Landwirtschaft zu verantworten. Die Produktion von Waren wie Palmöl, Kakao, Fleisch, Holz, Kautschuk oder Soja ist häufig mit der Zerstörung von Wäldern und anderen natürlichen Ökosystemen verbunden.
In der EU wiederum werden diese Produkte viel konsumiert bzw. weiterverarbeitet. Einem WWF-Report zufolge ist die EU nach China der weltweit größte Importeur von Produkten, die aus Regenwaldzerstörung stammen. 2017 war die EU für 16% der Regenwaldabholzung verantwortlich. Die Waldvernichtung nimmt nicht nur vielen Tierarten ihren Lebensraum, sondern beschleunigt auch die Klimakrise und führt zu einem starken Verlust der Artenvielfalt. Zudem ist sie oft mit Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen oder indigenen Bevölkerung verbunden. Es braucht daher verbindliche, gesetzliche Richtlinien, die sicherstellen, dass zumindest die Produkte, die auf den EU-Binnenmarkt gelangen, nicht mit Naturvernichtung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen.
Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag zum EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz im November 2021 veröffentlicht. Das EU-Parlament und Vertreter:innen der EU-Mitgliedsstaaten werden in den kommenden Monaten verhandeln und beraten, Änderungen vornehmen und über das Gesetz abstimmen.
Während die Umweltminister:innen der EU am 17. März über das Gesetz beraten, machen sie sechs Kletter:innen von Greenpeace darauf aufmerksam, dass die Uhr für die Wälder dramatisch tickt. Am EU Ratsgebäude installierten sie einen Live-Ticker der weltweiten Waldzerstörung: während des ca. anderthalbstündigen Meetings wurden etwa 1.750 Hektar Wald vernichtet - eine Fläche halb so groß wie Brüssel. Die Aktiven fordern die Umweltminister:innen auf, sich für ein starkes Gesetz ohne Schlupflöcher einzusetzen und nicht vor den Lobbyinteressen der Industrie einzuknicken. Erst kürzlich hatte Greenpeace aufgedeckt, wie große Agrarkonzerne und Sojahändler wie Cargill und Bunge das Gesetz abschwächen wollen.

© Johanna de Tessières / Greenpeace
Greenpeace-Aktivist:innen setzten sich am Hauptsitz des EU-Rates in Brüssel für mehr Waldschutz ein.
Beispiel Palmöl: das meistverwendete Pflanzenöl weltweit ist in großen Teilen für die Abholzung in Indonesien und Malaysia verantwortlich. Illegaler Anbau von Ölpalmen-Plantagen auf geschützten Waldgebieten ist die letzten Jahre mehr zur Regel als zur Ausnahme geworden. Sogar zertifiziertes Palmöl kann aus Regenwaldzerstörung stammen. Auch die Kautschuk-Industrie ist ein Antreiber für die Waldvernichtung.
Neben Palmöl und Kautschuk trägt auch der Anbau von Kakaoplantagen zur Rodung des Regenwaldes bei. Vor allem in Westafrika läuft die Waldzerstörung auf Rekordniveau – Konzerne schrecken auch hier vor illegalem Anbau in geschützten Wäldern oder Nationalparks nicht zurück.
Dass der Anbau von Soja (genutzt vor allem als Tierfutter) mit Zerstörung von Regenwäldern und anderen natürlichen Ökosystemen wie den Savannenwäldern im brasilianischen Cerrado einhergeht und somit Tieren ihren Lebensraum nimmt und die Rechte Indigener verletzt, ist gut dokumentiert. Vor allem aber befeuern die Produktion und der Konsum von Fleisch und Leder die Vernichtung der Regenwälder im Amazonasbecken. Ein Drittel der 200 Millionen Rinder in Brasilien weiden heute dort, wo früher Regenwald war.
Leider tragen EU-Bürger:innen - meist unbewusst - durch ihren Konsum zur Waldzerstörung bei. Unternehmen haben trotz gegenteiliger Versprechen bislang kaum einen wirksamen Beitrag geleistet, um die Wälder zu schützen. Nun muss die Politik dringend handeln. Damit Verbraucher:innen künftig keine Produkte mehr kaufen, die in Zusammenhang mit Waldzerstörung stehen, benötigen wir ein starkes EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz.

© Kim Gjerstad / Greenpeace
Ein junger Schimpanse im Kongo. Schimpansen sind durch die Zerstörung ihres Lebensraums vom Aussterben bedroht.
Das ist gut im EU-Waldschutzgesetz und muss bleiben
Der vorgelegte Entwurf enthält bereits positive Elemente, die auf besseren Waldschutz weltweit hoffen lassen. Gut ist, dass es einen klaren Bezug zu Waldzerstörung gibt, egal ob sie legal oder illegal erfolgt. Positiv ist darüber hinaus, dass Unternehmen ihre Lieferketten nachvollziehbar machen müssen und die Produkte bis zum Ort der Produktion - also beispielsweise einer Plantage - zurückverfolgen müssen. Gut ist auch, dass Unternehmen, die mit zertifizierten Produkten handeln, nicht von Sorgfaltspflichten ausgenommen werden. Denn Zertifizierungssysteme stellen überwiegend leider nicht sicher, dass die Produkte nicht mit Waldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen.
Das fehlt im EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz
Doch der aktuelle Entwurf des Waldschutzgesetzes weist leider Lücken auf. Im folgenden einige Beispiele:
Schutzbedürftigkeit aller natürlichen Ökosysteme ist nicht berücksichtigt
Neben Wäldern werden mit ähnlichen Motiven auch andere natürliche Ökosysteme wie zum Beispiel Feucht- und Moorgebiete, Graslandschaften oder Savannen zerstört. “Bislang sieht der Vorschlag der EU-Kommission nicht vor, diese Ökosysteme in das Gesetz mit einzubeziehen”, sagt Greenpeace Wald-Expertin Gesche Jürgens. “Dabei sind auch diese Gebiete akut vor Zerstörung bedroht und benötigen dringend Schutz.” Erst zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes will die Kommission überprüfen, ob andere Ökosysteme in das Gesetz mit aufgenommen werden sollen.
Finanzsektor bleibt außen vor
Es braucht auch klare Sorgfaltspflichten für den Finanzsektor, um zu verhindern, dass dieser weiter an der Waldzerstörung verdient und beispielsweise in Firmen investiert, die in Naturzerstörung involviert sind.
Klare internationale Menschenrechtsstandards sind nicht formuliert
Häufig werden die Rechte indigener Gemeinschaften und der lokalen Bevölkerung, deren Lebensgrundlage Wälder bilden, ebenfalls durch die Waldzerstörung verletzt. Der jetzige Gesetzentwurf verweist lediglich auf die Rechtsvorschriften im Erzeugerland. Unternehmen sind nicht verpflichtet internationale Menschenrechtsstandards einzuhalten. “Vertreibung und Landraub bei dem Anbau von Agrargütern müssen endlich ausgeschlossen werden”, sagt Gesche Jürgens.
Das muss im EU-Waldschutzgesetz verbessert werden

© Greenpeace / Rodrigo Baleia
Der Amazonas-Regenwald ist der größte Regenwald der Erde und ist mit seiner hohen Artenvielfalt besonders schützenswert.
Die Kommission legte eine Liste mit Produkten vor, auf die sich das Gesetz beziehen soll: Rindfleisch, Leder, Kakao, Kaffee, Soja, Palmöl und Holz. Obwohl bedeutende Produkte genannt werden, ist die Liste lückenhaft. Kautschuk und Mais wie auch Schweine- und Geflügelfleisch zum Beispiel fehlen. Eine Revision und gegebenenfalls Überarbeitung dieser Liste ist auch erst zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes geplant. Es bedarf zudem präziser Definitionen, denn sonst lassen sich Schlupflöcher finden. Zum Beispiel ist die Definition von “Entwaldung” nicht umfassend. Die EU-Kommission sieht lediglich “Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Nutzflächen" als Entwaldung. Es sollte jedoch jeder Verlust von Naturwald als Entwaldung bezeichnet werden (z.B. Umwandlung in eine Baumplantage). Zudem muss die Sorgfaltspflicht der Unternehmen für alle Länder gelten, unabhängig davon welche Risikobewertung ein Land hat.
Das unternimmt Greenpeace, um die Waldzerstörung weltweit zu stoppen
Greenpeace setzt sich seit Jahren für weltweiten Waldschutz ein und ist Teil der Bewegung #Together4Forests. Gemeinsam mit 160 NGOs und 1,2 Millionen Menschen fordert die Bewegung ein starkes EU-Gesetz für weltweiten Walschutz.
Unsere Community Plattform Greenwire informiert schon seit längerem in der Waldgruppe über die Entwicklung dieses EU-Gesetzes und integriert Engagierte in Form von Mitmachaktionen und Informationen darüber wie Waldzerstörung weltweit gestoppt und Artenvielfalt geschützt werden kann.
