Endlich da! Ein EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz
- Ein Artikel von Torben Dreyer
- Hintergrund
Gesetz verzögert sich
Update: Ein Jahr später als geplant
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, will die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) erst ein Jahr später als ursprünglich geplant umsetzen. Das Gesetz soll nun ab dem 30. Dezember 2025 für große Unternehmen und ab dem 30. Juni 2026 für Kleinst- und Kleinunternehmen gelten. Von der Leyen hat mit ihrer Ankündigung offiziell dem Druck von Unternehmen und Regierungen nachgegeben, die dem Gesetz ablehnend gegenüberstehen.
„Ursula von der Leyen hätte genauso gut selbst zur Kettensäge greifen können. Die Menschen in Europa wollen keine Produkte aus Waldzerstörung in ihren Supermarktregalen, aber genau das wird ihnen diese Verzögerung für weitere zwölf Monate bescheren”, sagt Greenpeace-Waldexpertin Dorothea Epperlein. “Erst kürzlich hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) herausgefunden, dass jährlich eine Waldfläche in etwa so groß wie Portugal – 10 Millionen Hektar – abgeholzt wird. Die Wälder der Welt brauchen dringend den Schutz, den dieses Gesetz bietet – und zwar jetzt und nicht erst in einem Jahr.”
Ursprünglicher Artikel vom 12.12.2022: Ein Gesetz soll zukünftig verhindern, dass Produkte aus Waldzerstörung in der EU auf den Markt gelangen.
Es waren lange und zähe Verhandlungen, am Ende aber steht ein Gesetz für mehr Waldschutz im internationalen Handel.
Nach jahrelangem Ringen haben sich EU-Parlament, Kommission und Rat auf eine EU-Verordnung über waldzerstörungsfreie Produkte und Lieferketten geeinigt.
“Wir sind grundsätzlich recht zufrieden mit dem neuen Gesetz. Produkte, die mit der Zerstörung von Wäldern in Zusammenhang stehen, werden nicht mehr auf dem EU-Markt zugelassen, aber es gibt trotzdem noch Verbesserungsbedarf”, erklärt Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens die Ergebnisse des Verhandlungsmarathons.
EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz: Das bewertet Greenpeace positiv
Das EU-Waldschutzgesetz gilt für Soja, Palmöl, Rindfleisch, wichtige Holz- und Papierprodukte sowie Kaffee, Kakao und Kautschuk. Um Korruption und Intransparenz in den Lieferketten entgegenzuwirken, müssen die Produkte bis zum Ort der Herstellung zurückverfolgbar sein.
Außerdem reicht es für die Produkte nun auch nicht mehr aus, dass sie bestimmte Standards des Herstellungslandes erfüllen, um auf den EU-Markt zu kommen. Sie müssen nachweislich “entwaldungsfrei” sein, dürfen also nicht in Zusammenhang mit Entwaldung und Waldschädigung stehen.
Die Verordnung ist die erste weltweit, die gegen globale Entwaldung vorgeht. Sie soll so den ökologischen Fußabdruck der EU verkleinern und andere Länder animieren, ebenfalls ihre Gesetze nachzujustieren.
EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz: Das kritisiert Greenpeace
Bis zum Schluss wurde darüber gestritten, welche Ökosysteme das Gesetz genau umfasst. Umweltschützer:innen hatten sich dafür eingesetzt, das Gesetz nicht auf Wälder zu beschränken, sondern beispielsweise auch waldähnliche Flächen mit aufzunehmen. Denn ein großer Teil der Naturzerstörung passiert in Ökosystemen wie dem brasilianischen Cerrado, der weltweit artenreichsten Savanne.
Dies scheinen Rat, Kommission und Mitgliedstaaten jedoch anders zu sehen und haben Verhandlungen dazu in die Zukunft verschoben. “Hier besteht jedoch Dringlichkeit”, so Jürgens. “Werden andere Ökosysteme wie Savannen und Feuchtgebiete nicht möglichst bald in der Verordnung berücksichtigt werden, droht ihre Zerstörung umso schneller voranzuschreiten.” Auch diese Ökosysteme sind wichtige Lebensräume und spielen eine entscheidende Rolle beim Klima- und Artenschutz.
EU verantwortlich für Waldzerstörung weltweit
Trotz einiger Mängel ist das Ergebnis des Trilogs unterm Strich ein Erfolg des globalen #Together4Forests Bündnis.
Als Teil dieses Bündnisses hat Greenpeace im Februar 2022 mit einer europaweiten Aktion darauf aufmerksam gemacht, dass alle zwei Sekunden eine Waldfläche so groß wie ein Fußballfeld verschwindet. Die Klima- und Artenkrise hat sich auch dadurch in den vergangenen Jahren deutlich zugespitzt. Fast 90 Prozent der abgeholzten Flächen werden anschließend für die Landwirtschaft oder die Gewinnung von Bodenschätzen genutzt. Die Produktion von Palmöl, Kakao, Fleisch, Holz, Kautschuk oder Soja ist häufig mit der Zerstörung von Wäldern und anderen natürlichen Ökosystemen verbunden.
EU-Bürger:innen wiederum konsumieren Produkte mit diesen Inhaltsstoffen und Firmen innerhalb der EU verarbeiten sie weiter. Einem WWF-Report zufolge ist die EU nach China der weltweit größte Importeur von Produkten, die mit Regenwaldzerstörung in Verbindung stehen. 2017 war die EU so für 16% der Regenwaldabholzung verantwortlich.
Die Waldvernichtung beschleunigt nicht nur die Klimakrise, sondern nimmt auch vielen Tierarten ihren Lebensraum und führt zu einem starken Verlust der Artenvielfalt. Zudem ist sie oft mit Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen oder indigenen Bevölkerung verbunden. Es braucht daher verbindliche, gesetzliche Richtlinien, die sicherstellen, dass zumindest die Produkte, die auf den EU-Binnenmarkt gelangen, nicht mit Naturvernichtung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen.
Welche Produkte stammen häufig aus Waldzerstörung?
Palmöl
Palmöl ist das meistverwendete Pflanzenöl weltweit. Sein Anbau ist in großen Teilen für die Abholzung in Indonesien, Malaysia und zunehmend weiteren tropischen Regionen verantwortlich. Selbst in geschützten Waldgebieten kommt es zu illegalem Anbau von Ölpalmen-Plantagen. Sogar zertifiziertes Palmöl kann aus Regenwaldzerstörung stammen
Kautschuk
Auch die Kautschuk-Industrie ist ein Antreiber für die Waldvernichtung. In Europa wird der größte Teil für die Reifenherstellung verwendet, daher dürfte besonders die Autoindustrie daran interessiert sein, Kautschuk aus dem Gesetz auszuschließen.
Kakao
Neben Palmöl und Kautschuk trägt auch der Anbau von Kakao zur Rodung des Regenwaldes bei. Vor allem in Westafrika läuft die Waldzerstörung auf Rekordniveau – Konzerne schrecken auch hier vor illegalem Anbau in geschützten Wäldern oder Nationalparks nicht zurück. Bei Kakao ist zusätzlich die Verletzung von Menschenrechten und Kinderarbeit häufig ein großes Problem.
Soja und Rinder
Es ist gut dokumentiert, dass der Sojaanbau (genutzt vor allem als Tierfutter) mit Zerstörung von Regenwäldern einhergeht und somit Tieren ihren Lebensraum nimmt und die Rechte Indigener verletzt. Dies betrifft auch andere natürlichen Ökosystemen wie den Savannenwäldern im brasilianischen Cerrado. Vor allem Fleisch- und Lederkonsum befeuert die Vernichtung der Regenwälder im Amazonasbecken.
Rückblick auf die Entstehung des EU-Waldschutzgesetzes
Wie steinig der Weg zum Waldschutzgesetz war, verdeutlicht dieser kurze Rückblick:
November 2021
Die EU-Kommission veröffentlicht ihren Vorschlag zum EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz im November 2021. Dieser Entwurf enthält gravierende Lücken: Zwar werden Rindfleisch, Leder, Kakao, Kaffee, Soja, Palmöl und Holz berücksichtigt, andere Produkte wie Kautschuk, Schweine- und Hühnerfleisch sowie Mais bleiben aber außen vor. Zudem findet der Schutz anderer natürlicher Ökosysteme wie Savannen und Feuchtgebiete keine Beachtung. Der Finanzsektor bleibt ebenfalls unberücksichtigt, obwohl Banken hohe Summen in Firmen investieren, die von Naturzerstörung profitieren bzw. diese vorantreiben.
Zudem bedarf es einer präzisen Definitionen von “Entwaldung”. Die EU-Kommission definiert dies lediglich als “Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Nutzflächen". Es sollte jedoch jeder Verlust von Naturwald als Entwaldung bezeichnet werden (z.B. Umwandlung in eine Baumplantage durch die Forstwirtschaft).
Nach dem Aufschlag der EU-Kommission beraten in den folgenden Monaten nun das EU-Parlament und Vertreter:innen der EU-Mitgliedsstaaten über den Text des Gesetzesentwurfs.
März 2022
Während die Umweltminister:innen der EU am 17. März über das Gesetz beraten, machen sechs Kletter:innen von Greenpeace sie darauf aufmerksam, dass die Uhr für die Wälder dramatisch tickt. Am EU-Ratsgebäude installieren sie einen Live-Ticker der weltweiten Waldzerstörung: Während des dreistündigen Meetings wurden etwa 3.300 Hektar Wald vernichtet – eine Fläche so groß wie Brüssel. Die Aktiven fordern die Umweltminister:innen auf, sich für ein starkes Gesetz ohne Schlupflöcher einzusetzen und nicht vor den Lobbyinteressen der Industrie einzuknicken. Erst kurz zuvor hatte Greenpeace Großbritannien aufgedeckt, wie große Agrarkonzerne und Sojahändler:innen wie Cargill und Bunge das Gesetz abschwächen wollen.
April 2022
Im April blockieren Greenpeace-Aktivist:innen aus ganz Europa einen riesigen Soja-Frachter im Hafen von Amsterdam. Gemeinsam mit Indigenen aus Brasilien fordern sie ein starkes EU-Gesetz ohne Schlupflöcher, das Produkte aus Naturzerstörung auf dem EU-Markt verbietet.
Juni 2022
Die EU-Umweltminister:innen schwächen den Text des Gesetzentwurfs dramatisch, unter anderem die Definitionen für Abholzung und Waldschädigung. Dies würde bedeuten, dass weiterhin viele Produkte auf den EU-Markt kommen könnten, die mit Waldzerstörung in Verbindung stehen. Auch Wälder innerhalb der EU blieben nach dem Vorschlag der Umweltminister:innen fast komplett unberücksichtigt.
Juli 2022
Die unermüdlichen Appelle an die Politik tragen nun doch Früchte: Der Umweltausschuss des EU-Parlaments nimmt im Juli Änderungsanträge an und fügt die Produkte Kautschuk, Mais, Hühner- und Schweinefleisch zum Gesetz hinzu. Diese hatten bisher im Entwurf gefehlt. Auch gibt es Verbesserungen hinsichtlich der Definitionen für Abholzung und Waldschädigung. Leider gibt es trotzdem weiterhin Lücken, beispielsweise bei den vom Gesetz erfassten Ökosystemen: Die artenreiche Cerrado-Savanne oder das Pantanal-Feuchtgebiet in Brasilien würden nach dem Entwurfstext immer noch nicht vollständig geschützt.
“Jetzt gilt es, bis zur Abstimmung durch das Plenum des EU-Parlaments im September mit unseren Forderungen noch lauter zu werden, um diese Lücken zu schließen und der Zerstörung ein Ende zu setzen!” so Gesche Jürgens, Waldkampaignerin bei Greenpeace.
September 2022
Große Freude und Erleichterung: Das EU-Parlament stimmt in seiner Plenarsitzung am 13.9. für einen sehr guten Gesetzestext, der viele bestehende Lücken schließt.
Das unternimmt Greenpeace, um die Waldzerstörung weltweit zu stoppen
Greenpeace setzt sich seit Jahren für weltweiten Waldschutz ein und ist Teil der Bewegung #Together4Forests. Gemeinsam mit 160 NGOs und 1,2 Millionen Menschen fordert die Bewegung ein starkes EU-Gesetz für weltweiten Walschutz.
Unsere Community Plattform Greenwire informiert schon seit längerem in der Waldgruppe über die Entwicklung dieses EU-Gesetzes und integriert Engagierte in Form von Mitmachaktionen und Informationen darüber wie Waldzerstörung weltweit gestoppt und Artenvielfalt geschützt werden kann.
greenpeace-briefing-eu-commission-deforestation-law
Anzahl Seiten: 19
Dateigröße: 1.81 MB
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