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Gülle im Aufbewahrungstank
Jonas Wresch / Greenpeace

Gülle verschmutzt zunehmend Trinkwasser und Gewässer

Einst ein wertvoller Dünger, heute eher eine Plage: Deutschlands Massentierhaltung produziert mehr Gülle, als viele Äcker vertragen.

Eigentlich verdient es mehr Respekt. Stattdessen rümpfen wir die Nase – auch das ist berechtigt, denn es stinkt. Gemeint ist das Düngen mit Mist oder – in flüssiger Form – Gülle. In den Exkrementen von Tieren steckt Stickstoff, als Nitrat oder Ammonium zusammen mit Wasser eine wertvolle Grundlage für das Wachstum von Pflanzen.

So wirkt eine höhere Nitratkonzentration im Boden ertragssteigernd. Das Ausbringen von Gülle oder Mist ist sinnvoll, damit die Bauern genügend Lebensmittel ernten und Futter fürs Vieh einfahren können. Ein fruchtbarer Kreislauf. Nur leider funktioniert er oft nicht mehr.

Es fängt schon damit an, dass in den immer größer werdenden Ställen die Tiere eher auf Spaltenböden als auf Stroh gehalten werden. Für die Bauern bedeutet es weniger Arbeit, wenn Kot und Harn über Spalten in darunterliegenden Auffangbecken landen. Für die Tiere sind eingestreute Ställe eindeutig besser – für die Umwelt auch. Denn Stallmist ist für die Böden deutlich hochwertiger als Gülle.

Was zu viel ist, ist zu viel

Seit das Prinzip der Flächenbindung aufgehoben wurde, haben sich Hotspots der industriellen Tierhaltung gebildet, auf denen massenhaft Tiere gehalten werden. Futter kommt nicht von der eigenen Fläche der Betriebe, sondern es wird Soja aus zerstörten Wald- und Savannengebieten importiert. Die Tiere produzieren viel mehr Gülle als die Fläche vertragen kann. Statt gesunder Kreisläufe mit wertvollen Nährstoffen haben wir hier ein ungelöstes Sondermüllproblem! Wohin also damit?

Bis zur ohnehin zu hoch gesteckten, erlaubten Menge kommt die Gülle auf die Felder; doch manchmal wird auch mehr ausgekippt, denn die Entsorgung der überflüssigen Gülle ist teuer. Pflanzen können jedoch nur begrenzt Stickstoff aufnehmen. Das, was sie nicht benötigen, gelangt in die Luft oder bleibt im Boden. Ein Großteil davon landet im Wasser, da Nitrat sehr gut wasserlöslich ist. So sickern die Wirkstoffe ins Grundwasser oder sie werden in Bäche, Flüsse und dann ins Meer geschwemmt – und sorgen dort für Unheil.

Gülle kann Wässerchen trüben

Urlaubern begegnet das Übel in Form stinkender Algenteppiche oder giftiger Algenblüten im Meer oder in Seen, die in der Folge gesperrt werden können. Und wenn es ganz arg kommt, schwimmen Fische mit dem Bauch oben. Wieso das so ist? Die angeschwemmten Nährstoffe regen das Wachstum von Algen und Cyanobakterien (sogenannten Blaualgen) stark an,  Abgestorbene (Blau-)Algen faulen –  ein sauerstoffzehrender Prozess, der im schlimmsten Fall zu sogenannten toten Zonen im Gewässer führt, in denen mangels Sauerstoff fast nichts überleben kann.

Es braucht manchmal einige Jahre oder sogar Jahrzehnte, bis Nitrat ins Grundwasser und schließlich auch in unser Trinkwasser gelangt. Zu hohe Konzentrationen im Trinkwasser hätten gefährliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit: Aus Nitrat gebildete Nitrosamine stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen; bei Säuglingen kann die unverhältnismäßige Aufnahme zu Sauerstoffmangel und damit zu Blausucht oder sogar zum Tod führen. Deshalb gilt für Trinkwasser ein Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. Daher wird es für die Wasserwerke in einigen Regionen immer schwerer, den Grenzwert einzuhalten: Sie müssen dafür zunehmend verschmutztes Wasser mit sauberem mischen oder aber Brunnen aus der Nutzung nehmen. Wenn das nicht mehr reicht, muss das Wasser technisch gereinigt werden. Ein extrem aufwändiges Verfahren – das laut Wasserwirtschaft zu massiven Preissteigerungen führen könnte.

Deutschland verstösst gegen EU-Recht

Ein Ärgernis für Verbraucher – zumal Deutschlands Politik das Problem hat schleifen lassen. Das deutsche Düngerecht fällt hinter den strengeren Regelungen der europäischen Nachbarn zurück. Das ist auch der EU aufgefallen: Weil Deutschland mit dem laxen Düngerecht die europäische Nitratrichtline zum Schutz des Grundwassers nicht erfüllt, verklagte die Europäische Kommission die Bundesregierung und bekam im Juni 2018 vor dem Europäischen Gerichtshof recht.  Der Bundesrepublik – und somit dem Steuerzahler – drohten Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Auch beim Ammoniak hält Deutschland die Grenzwerte nicht ein. Dieser Luftschadstoff gefährdet durch Feinstaubbildung die menschliche Gesundheit und sorgt für die Überdüngung und Versauerung von Wäldern und Gewässern. 95 Prozent des Ammoniaks stammt aus der Landwirtschaft. Verursacher sind hier Ställe mit schlechten Filteranlagen oder Güllelager, aber auch beim Ausfahren der Gülle wird Ammoniak freigesetzt. Dieser Angelegenheit kann nur teilweise mit moderner Technik wie der bodennahen Ausbringung, Filteranlagen oder Abdeckungen der Lagerstätten begegnet werden – was in Deutschland aber noch nicht ausreichend geschieht.

Weg mit dem Mist

Seit Februar 2017 gilt eine novellierte Düngeverordnung, die 2020, um Strafzahlungen zu verhindern, erneut überarbeitet wurde. An den Ursachen der Probleme wird sich nur bedingt etwas ändern: Nach wie vor fehlt eine genaue Kontrolle darüber, wie viel Gülle in der Landwirtschaft produziert wird. Maßnahmen, die zu weniger Gülle auf dem Acker führen könnten, sind nicht erkennbar. Perspektivisch kann nur eine flächengebundene Tierhaltung helfen, das heißt: Landwirtschaftliche Betriebe halten nur so viele Schweine oder Rinder, wie sie mit Futter von eigenen Flächen versorgen können - und dementsprechend den anfallenden “Wirtschaftsdünger”, also Gülle oder Mist, auch sinnvoll einsetzen können.

„Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner geht das grundlegende Problem nicht an“, sagt Dirk Zimmermann, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. „Deutschland produziert zu viel Fleisch. Solange jedes Jahr in deutschen Schlachthäusern mehr als acht Millionen Tonnen Fleisch produziert werden, werden wir ein Gülleproblem haben.“ Die Lösung ist also ganz einfach: weniger Fleisch, weniger Tiere, weniger Gülle.

Transporte, Keime und Antibiotika

Noch gilt aber: Gülle ist längst nicht mehr nur wertvoller Dünger, sondern vielfach ein im Überschuss anfallender Problemstoff. Häufig quillen die Lager über. Weil ihre Böden längst versorgt sind, wissen Landwirte nicht mehr wohin mit der Scheiße. Neben dem Ausbau der Lagerstätten wird Gülle daher an “Güllebörsen” gehandelt und überregional transportiert. Betriebe, die bereit sind, Gülle anzunehmen, bekommen dafür sogar Geld - eine kuriose Umkehr der Verhältnisse. Das Problem geht über unsinnige Transporte aber noch hinaus: Mit der Gülle reisen auch antibiotikaresistente Keime und Antibiotika durch die Republik und gelangen auf unsere Felder. Wie groß das Problem der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen über Gülle ist, wird bisher kaum untersucht. Dass es existiert, dürfte unstrittig sein: Greenpeace hat wiederholt multiresistente Keime und Rückstände von Antibiotika in Schweinegülle nachgewiesen. Die industrielle Tierhaltung in Deutschland belastet also nicht nur Wasser und Luft, sie trägt auch zum wachsenden Problem der Antibiotikaresistenzen bei Krankheitserregern bei. Das gefährdet unser aller Gesundheit - ob wir nun zum Billigfleisch greifen oder nicht. Greenpeace fordert daher eine bessere Haltung von weniger Tieren, um den Einsatz von Antibiotika auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren.

(Stand: September 2020)

 

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