Gekauft, getragen, vergessen: Greenpeace-Umfrage zum Kleidungskaufverhalten
- Ein Artikel von Andi Nolte
- mitwirkende Expert:innen Moritz Jäger-Roschko
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Fünf Milliarden Kleidungsstücke – doch ein Drittel bleibt ungetragen. Eine Greenpeace-Umfrage zeigt: Kleidung wird immer schneller aussortiert.
Fünf Milliarden Kleidungsstücke hängen in deutschen Schränken – und viele führen ein vergessenes Dasein. Eine aktuelle, repräsentative Online-Umfrage im Auftrag von Greenpeace zeigt: Rund zwei Milliarden Teile werden so gut wie nie getragen. Das entspricht etwa jedem dritten Kleidungsstück. Pro Kopf besitzen Menschen in Deutschland im Schnitt 90 Teile – doch etwa 36 davon kommen kaum zum Einsatz.
Einstellungen zum Kleidungskonsum - Umfrage
Anzahl Seiten: 92
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HerunterladenSeit 2015 ist dies die vierte Umfrage, die Greenpeace beim Marktforschungsinstitut nuggets in Auftrag gegeben hat. Befragt wurden 1001 Menschen in Deutschland zwischen 18 und 69 Jahren. Die Stichprobe wurde repräsentativ hinsichtlich Altersgruppen, Geschlecht und Region strukturiert. Der Vergleich zeigt: Der Trend geht zur Kurzlebigkeit – immer mehr Kleidung wird schneller aussortiert als früher. Hosen fliegen heute fast doppelt so oft wie 2015 schon nach weniger als einem Jahr raus (11 Prozent statt 6). Auch Kleider und Röcke landen doppelt so häufig im Aus (11 Prozent statt 5). Jacken und Mäntel sogar viermal so oft wie noch vor zehn Jahren (8 statt 2 Prozent). Die Zahlen zeigen: Die Modebranche produziert Kleidung in einem Tempo, das buchstäblich untragbar ist. Für Moritz Jäger-Roschko, Experte für Kreislaufwirtschaft bei Greenpeace, zeigt sich darin ein grundlegendes Problem.
"Kleider, die kaum getragen und schnell aussortiert werden, zeigen ein zentrales Problem der Modeindustrie: Zu viele Kollektionen werden zu schnell produziert, so dass ein Großteil der Kleidung ungenutzt bleibt. Jedes Jahr entstehen schätzungsweise 180 Milliarden Kleidungsstücke. Das ist mehr, als die Welt je tragen könnte."
Fast Fashion – billig gekauft, teuer bezahlt
Auswirkungen von Billigmode
Billig, immer im Trend, schnell geklickt und schnell geliefert – doch der wahre Preis von Fast Fashion ist hoch. Die globale Modeindustrie ist für bis zu acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und für mehr als 120 Millionen Tonnen Textilabfälle pro Jahr verantwortlich. Kleidermüllberge verschmutzen Landschaften und Flüsse, unsere Ozeane sind voller Mikroplastik aus Plastikklamotten und Arbeiter:innen werden ausgebeutet. Die gesundheitsschädlichen Chemikalien, die bei der Produktion teilweise eingesetzt werden, sind nicht nur für die Arbeiter:innen gefährlich, sondern auch für die Träger:innen der Kleidung. Fast Fashion Konzerne treiben das Modesystem aus Profitgier auf die Spitze und schaden dabei unserer Umwelt, Klima und Gesundheit.
Weihnachtskaufrausch – neue Outfits unterm Tannenbaum?
Besonders in der Vorweihnachtszeit zeigt sich die Dynamik der Modebranche deutlich: Viele Menschen kaufen gezielt neue Kleidung für Weihnachten, Silvester oder Firmenfeiern.
Die Umfrage liefert konkrete Zahlen:
- 43 Prozent der Befragten haben schon einmal ein Outfit speziell für diese Feiertage gekauft.
- Unter den unter 30-Jährigen ist der Trend noch stärker: Fast die Hälfte (49 Prozent) greift gezielt zu neuen Outfits.
- 2025 planen 28 Prozent, neue Kleidung für die Feiertage zu kaufen.
Diese Entwicklung verdeutlicht, wie stark saisonale Anlässe den Konsum anheizen und gleichzeitig den Kreislauf der kurzlebigen Fast-Fashion-Kleidung weiter antreiben.
© Fred Dott / Greenpeace
Die Fast Fashion Industrie heizt den Kaufrausch in der Vorweihnachtszeit besonders an.
Junge Erwachsene treiben zunehmend die Gegenbewegung in der Modebranche voran
Doch parallel entsteht eine deutliche Gegenbewegung: Immer mehr junge Erwachsene nutzen Second Hand, Tauschbörsen oder Leihmodelle, um ihren Kleiderschrank bewusst zu füllen und Ressourcen zu schonen.
- 65 Prozent der 18- bis 29-Jährigen haben bereits Second Hand gekauft – ein Plus von 20 Prozentpunkten im Vergleich zu 2015
- 26 Prozent der jungen Erwachsenen haben schon Kleidung getauscht
- 51 Prozent haben privat geliehen, 26 Prozent sogar kommerziell
Was die Zahlen über das Kaufverhalten aussagen
Zwischen übervollen Schränken und dem Weihnachtskaufrausch entsteht langsam eine neue Realität. Immer mehr junge Erwachsene greifen bewusst zu Second Hand, tauschen oder leihen Kleidung, statt sie sofort neu zu kaufen.
Das Problem liegt nicht bei den Einzelnen, sondern im System: Reparaturen sind oft teurer als Neuanschaffungen und nachhaltige Modelle werden bislang zu wenig gefördert. Der Markt für nachhaltige Geschäftsmodelle ist vorhanden, es fehlt nur noch die politische Umsetzung. Doch damit Second Hand und Tauschen selbstverständlich werden, brauchen wir auch in Deutschland ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz. Ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz umfasst eine Sonderabgabe auf Fast-Fashion-Produkte, fördert die textile Kreislaufwirtschaft und verbietet Werbung für Fast-Fashion, auch auf Social Media. Diese Maßnahmen sind dringend notwendig, um umweltschonende Geschäftsmodelle am Markt fest zu etablieren und Fast Fashion einzudämmen.
Jede genutzte Alternative – vom Kleidertausch bis zum geliehenen Outfit – zeigt, dass Mode nicht zwangsläufig kurzlebig sein muss. Second Hand, Kleidertauschbörsen, Leihservices oder Repair-Cafés geben Kleidung ein zweites Leben. Alle diese Möglichkeiten sorgen dafür, dass jedes Teil mehrfach getragen, geschätzt und geliebt wurde, statt nach wenigen Monaten ungenutzt zu bleiben. Für Konsument:innen bedeutet das mehr Freiheit, Vielfalt und kreative Möglichkeiten, stilvoll zu bleiben, ohne ständig Neues kaufen zu müssen. Gleichzeitig schont es die Umwelt: weniger Abfall, geringerer Ressourcenverbrauch und weniger CO₂. Von Slow Fashion können also nicht nur Umwelt, Klima und Menschen profitieren, sondern auch Unternehmen, die sich darauf einlassen.
Ältere Umfragen zum Umgang mit Kleidung:
Umfrage: Nachhaltigkeit ist tragbar
Anzahl Seiten: 16
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Ergebnisbericht: Umfrage zum Umgang der Deutschen mit Mode
Anzahl Seiten: 7
Dateigröße: 1.62 MB
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