Schäm dich, Shein: gefährliche Chemikalien weiterhin in Kleidung
- Ein Artikel von Andi Nolte
- mitwirkende Expert:innen Moritz Jäger-Roschko
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Schnell, billig, rücksichtslos – das ist das Geschäftsmodell des Fast Fashion-Konzerns Shein. Greenpeace hat nach drei Jahren erneut Produkte ins Labor geschickt – mit beunruhigenden Ergebnissen.
Shein verkörpert die Eskalation von Fast Fashion: Das Unternehmen überwacht Trends in Echtzeit, kopiert Designs per KI und lässt sie in einem dichten Netz von Zulieferfabriken unter extremem Produktionsdruck fertigen. Täglich veröffentlicht Shein Tausende neue Designs – an Spitzentagen über 10.000, die oft nur wenige Wochen verfügbar sind. Mit 363 Millionen Besuchen pro Monat ist Shein.com die meistbesuchte Mode-Website der Welt – mehr als die Drei nächst größeren Händler, Nike, Myntra und H&M, zusammen. Auf der Plattform finden sich über eine halbe Million Modelle gleichzeitig – zwanzigmal so viele wie bei H&M.
Mit aggressivem Marketing, manipulativen App-Mechanismen wie zeitlich begrenzten Angeboten, die im Countdown ablaufen, und massiver Präsenz auf TikTok und Instagram treibt Shein vor allem junge Konsument:innen in den Kaufrausch. Die Preise sind niedrig, bezahlt wird mit Umweltzerstörung und Ausbeutung. 82 Prozent der Fasern bestehen aus Polyester, also Erdöl, und die Emissionen haben sich binnen drei Jahren vervierfacht. Shein umgeht Zollvorschriften und verstößt gegen Verbraucherschutz- und Umweltregeln – trotz mehrfacher Millionenstrafen.
Gefährliche Chemikalien weiterhin in Shein-Kleidung: Greenpeace-Recherche 2025
Bereits 2022 hatte Greenpeace in 7 von 47 getesteten Shein-Produkten gefährliche Chemikalien oberhalb der gesetzlich erlaubten EU-Grenzwerte (REACH) nachgewiesen. In der Zwischenzeit hat Shein das Problem mit gefährlichen Chemikalien in seinen Produkten erkannt und angekündigt, sein Chemikalienmanagement deutlich verbessern zu wollen. Greenpeace prüfte erneut: 2025 wurden 56 Kleidungsstücke aus acht Ländern gekauft und in einem unabhängigen Labor analysiert. Das Ergebnis ist alarmierend:
- 18 Produkte (32%) überschreiten die gesetzlichen Grenzwerte, darunter auch Kinderkleidung.
- 7 Jacken enthalten PFAS-Werte bis zu 3.300-fach über dem erlaubten Grenzwert.
- 14 Produkte überschreiten die Phthalat-Grenzwerte, sechs davon um das Hundertfache oder mehr.
Schon ein einzelnes Kleidungsstück kann das Expositionsrisiko durch gefährliche Chemikalien deutlich erhöhen: Chemikalien reichern sich in Umwelt und Körper an und gefährden Seen und Meere. Besonders problematisch sind langlebige, hormonell wirksame Stoffe wie PFAS und Phthalate.
Schäm dich, Shein
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“Shein steht für ein krankes System aus Überangebot, Profitgier und der Vermüllung der Welt. Der Fast-Fashion-Gigant überschwemmt die Welt mit minderwertiger Kleidung, die trotz gegenteiliger Versprechen von Shein oft mit Chemikalien belastet ist. Die anstehende Black Week treibt diesen Fast-Fashion-Wahnsinn wieder einmal auf die Spitze.”
Die Rechnung zahlen andere:
- Arbeiter:innen in Produktionsländern sind den Chemikalien oft schutzlos ausgesetzt.
- Beim Waschen und Entsorgen gelangen die Stoffe in Flüsse, Meere, Böden und in die Nahrungskette.
- Verbraucher:innen kommen über Hautkontakt, Schwitzen oder eingeatmete Fasern mit den Stoffen in Berührung – besonders Babys und Kleinkinder beim Saugen an der Kleidung.
Die nachgewiesenen Stoffe im Detail:
- Phthalate (14 Produkte): beeinträchtigen Wachstum, Fruchtbarkeit und gesunde Entwicklung von Kindern
- PFAS (7 Produkte): extrem langlebig, krebserregend, schwächen Immunsystem, Leber und Nieren
- Schwermetalle (Blei & Cadmium, 2 Produkte): schädigen Gehirnentwicklung, Nervensystem, Organe und Fortpflanzung
- Alkylphenolethoxylate (APEO, 1 Produkt): giftig, stören Hormonsystem von Wasserorganismen
- Formaldehyd (1 Produkt): DNA-schädigend, kann Krebs und Erbkrankheiten auslösen
Greenwashing: Sheins vollmundige Versprechen gehen ins Leere
Anfang 2025 betonte Shein, das Chemikalienmanagement deutlich verbessert zu haben – inklusive MRSL (Material Restricted Substance List), erweiterten Tests und Ausschluss nicht-konformer Zulieferer. Für Greenpeace-Experte Jäger-Roschko ist jedoch klar: Diese Maßnahmen wirken nicht. Für Greenpeace sind diese Versprechen nichts anderes als Greenwashing für gefährliche Chemikalien. “Shein scheint die Kontrolle über Chemikalien in seiner extrem großen Produktvielfalt zu verlieren”, moniert Jäger-Roschko. ”Shein nutzt eine Regelungslücke der EU-Chemikalienverordnung REACH: Shops, die direkt an Konsument:innen in der EU liefern, unterliegen nur eingeschränkt den Vorschriften. So kann die Plattform REACH umgehen und Profite über die Sicherheit von Menschen und Umwelt stellen.”
Bianca Heinicke und Greenpeace gemeinsam gegen Fast Fashion
Bianca Heinicke zeigt, dass Veränderung möglich ist – besonders, wenn man die Branche von innen kennt. Ihre eigene Erfahrung mit Shein hat ihr einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht, den nur wenige haben. Jetzt nutzt sie ihre Reichweite, um über die Folgen von Fast Fashion zu sprechen und Alternativen sichtbar zu machen.
Kaufrausch stoppen, Umwelt schützen: Fast Fashion braucht Gesetze
Fast Fashion ist ein strukturelles Problem: Die Fast Fashion-Industrie überschwemmt die Märkte mit Mengen, die den Bedarf der Weltbevölkerung um ein Vielfaches übersteigen. Social Media, Influencer:innen und aggressive Werbung treiben Konsument:innen in den Kaufrausch. Die Folge: Billig erstandene Shirts, Pullis, Hosen werden oft gar nicht oder nur kurz getragen und dann entsorgt. Um den Fast-Fashion-Wahnsinn zu beenden, fordert Greenpeace ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz nach französischem Vorbild.
Konkret heißt das:
- eine Sonderabgabe für Fast-Fashion-Produkte (Wegwerfmode)
- die Förderung alternativer Geschäftsmodelle wie Second Hand und Tauschbörsen
- ein Fast-Fashion-Werbeverbot, auch auf Social Media
Diese Kombination könnte Fast Fashion wirksam eindämmen und wäre ein entscheidender Schritt in Richtung echter textiler Kreislaufwirtschaft: weniger Müll, langlebigere und hochwertige Kleidung – statt weiter im Hamsterrad aus Billigproduktion und Wegwerfmode. Frankreich hat mit seinem Gesetz gegen Fast Fashion einen wichtigen Schritt gemacht – Deutschland muss nachziehen, für eine echte textile Kreislaufwirtschaft, weniger Müll, langlebige Kleidung und mehr Reparaturmöglichkeiten.
Greenpeace und die Modeindustrie
Im Jahr 2011 forderte Greenpeace mit der „Detox My Fashion“-Kampagne die Modebranche auf, ihre Produktion zu entgiften. Mit Erfolg. Die damals adressierten Marken, darunter die Fast-Fashion Brands Zara und H&M, haben über Jahre darauf hingearbeitet, ihre Lieferketten zu entgiften und transparenter zu gestalten.
Dennoch lösten genau diese großen Konzerne vor vielen Jahren den Fast-Fashion-Trend aus und öffneten damit die Büchse der Pandora. SHEIN schlug neue Kapitel auf – nicht nur durch den Einsatz giftiger Chemikalien, sondern auch durch die schiere Masse an Hosen, Shirts, Schuhen, Jacken, Kleidern hoben sie die Umwelt- und Klimaschäden durch Massenproduktion in eine ganz neue Dimension.
Über die vergangenen Jahre ist die Wegwerfkleidung von Ultra-Fast-Fashion-Marken zudem zunehmend Teil des stetig wachsenden Müllbergs geworden. Altkleider werden häufig in Länder wie Ghana, Kenia und Tansania exportiert, landen dort teils auf Deponien oder werden unter freiem Himmel verbrannt. Da die Textilien hauptsächlich aus synthetischen Fasergemischen bestehen, verschmutzen sie als Plastikmüll die Umwelt, wie Greenpeace gezeigt hat.