
Keine zweite Chance für Nord Stream 2
- mitwirkende Expert:innen Karsten Smid & Anna von Gall
- Meinung
Sie ist eine klimapolitische Sackgasse und eine Bedrohung für den Frieden: Warum die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 niemals in Betrieb gehen darf. Ein Zwischenruf von Greenpeace-Friedensexpertin Anna von Gall und Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid.
Mehrere Medien berichteten über das nun nicht mehr so geheime Treffen in Baku von hochrangigen deutschen Politiker:innen und Schlüsselvertreter:innen Russlands. Dass der Vorsitzende von Gazprom und ein enger Vertrauter Putins mit am Tisch saßen, lässt aufhorchen. Die Teilnahme von Personen mit direkten Verbindungen zur Nord-Stream-2 Pipeline vermengt wirtschaftliche Interessen im Energiesektor mit den alten Seilschaften des Petersburger Dialogs, 2001 initiiert vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

© Mariusz Czajka / Greenpeace
Greenpeace-Unterwasser-Protest an der Pipeline Nord Stream 1 im Juni 2022.
Mitten im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bergen solche Geheimtreffen geopolitischen Sprengstoff. Sie gefährden nicht nur das Vertrauen und die Solidarität innerhalb des westlichen Bündnisses, sondern spielen auch Putins Machtinteressen in die Hände. Mit der Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 würde nicht nur ein klimaschädliches Projekt wiederbelebt, die erwarteten Gas-Euros würden auch Russlands Kriegskasse füllen.
Die neue Bundesregierung hat die Verantwortung, dass diese "Schattendiplomatie", die abseits der vereinbarten außenpolitischen Isolation Russlands stattfindet, innerhalb ihrer Parteien ein Ende findet. Die EU hat sich klar und deutlich für ein Verbot russischer fossiler Energien ausgesprochen. Seit Jahren sind Sicherheits- und Außenpolitik eng mit der europäischen Energiepolitik verwoben, denn Energieabhängigkeit ist seit langem ein kritischer Hebel geopolitischer Einflussnahme und eine Bedrohung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit. Darum sollte sich auch die deutsche Bundesregierung von den fossilen Abhängigkeiten befreien und auf die “Friedensenergie” aus erneuerbaren Quellen fokussieren.
Die Forderungen einiger Investor:innen und Politiker:innen, die Pipeline zu reaktivieren, um wieder billiges russisches Gas nach Deutschland zu pumpen, sind brandgefährlich. Die EU darf sich nicht länger zum Spielball zwischen einem skrupellosen Autokraten und profitorientierten US-Investor:innen machen lassen. Die Bundesregierung kann ein klares Zeichen setzen: Kein einziger Kubikmeter Gas fließt mehr durch Putins Pipeline!
Was gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 spricht
- Sie spaltet und schwächt Europa
Nord Stream 2 würde die Energieabhängigkeit von autoritären Regimen verstärken und Europa spalten. Während osteuropäische Staaten weiter unter der Bedrohung russischer Aggression leiden, würde Deutschland sich erneut zum Komplizen eines Regimes machen, das Krieg als Mittel der Politik einsetzt. Statt europäische Solidarität und transatlantische Zusammenarbeit zu stärken, würde die Pipeline unsere Partner destabilisieren und Europas Sicherheit untergraben.
- Sie dient als Druckmittel und finanziert den Krieg in der Ukraine
Jeder Euro, der durch russisches Gas in Putins Kassen fließt, finanziert Raketen, die auf ukrainische Städte niedergehen. Eine aktive Nord-Stream-2-Pipeline zöge militärische Aufrüstung und politische Erpressung nach sich. Europa darf sich nicht erpressbar machen und Kriege und Konflikte schüren – weder durch einen brutalen Autokraten noch durch die Profitinteressen fossiler Konzerne. Weitere Gasgeschäfte werden keinen dauerhaften Frieden bringen. Öl und Gas sind Teil des Problems und nicht der Lösung.
- Sie ist eine klimapolitische Sackgasse
Nord Stream 2 wäre ein klimapolitischer Rückschlag. Statt in erneuerbare Energien und Unabhängigkeit zu investieren, würde die Pipeline Europa in einer veralteten fossilen Ära gefangen halten. Investitionen in russische Gasimporte und den Ausbau der nationalen Gasinfrastruktur, wie von Ministerin Reiche angekündigt, entpuppen sich als fossiler Lock-In – eine teure und gefährliche Ablenkung vom notwendigen Umbau unseres Energiesystems.
Empörung in Ukraine und Polen
Marine Abramian, Energie-Expertin im ukrainischen Greenpeace-Büro, hält die Diskussion um die Inbetriebnahme der Pipeline für extrem gefährlich: “Für diejenigen von uns, die nun schon im vierten Jahr in Folge unter ständigen Raketenangriffen leben, ist die natürliche Reaktion auf diese Entwicklung Empörung. Die Angriffe werden zu einem großen Teil durch Russlands enorme Einnahmen aus fossilen Brennstoffen ermöglicht – Geld, das Putins Kriegsmaschinerie am Leben erhält.” Zur Rolle der USA in den Gesprächen, fügt sie hinzu: “Jede Vereinbarung zum - teilweisen oder vollständigen - Kauf der Nord-Stream-2-Infrastruktur, um Gasflüsse zwischen Russland und Europa zu vermitteln, würde direkt Russlands Kriegshaushalt finanzieren und den russischen Präsidenten auf der internationalen Bühne legitimieren. Russisches Gas tötet.”
Ihre Kollegin Anna Meres, Klima-Kampaignerin im polnischen Büro, fügt hinzu: „Greenpeace Polen hat sich seit Jahren klar und ausdrücklich gegen Nord Stream und Nord Stream 2 ausgesprochen und die Risiken russischer fossiler Brennstoffe offengelegt. Derzeit könnten diese Pipelines erneut zu einer Waffe des internationalen Gaskartells werden, das versucht, Europa abhängig von fossilem Gas zu halten. Diese Gasfalle ist verheerend für unsere Wirtschaft, Umwelt und Sicherheit. Diese Option darf es nicht geben! Es ist Zeit, sich der Komplizenschaft zwischen Milliardären und autoritären Regimen zu widersetzen und Maßnahmen zu ergreifen, die den Ausbau erneuerbarer Energien ermöglichen.“
Hinter Nord Stream 2 stehen dieselben deutsch-russischen Netzwerke, die seit Jahren Profite über Frieden und Nachhaltigkeit stellen. Doch die Zeiten, in denen Energielieferungen als politisches Druckmittel missbraucht werden, müssen endgültig vorbei sein.
Die Antwort kann nur lauten: Nord Stream 2 bleibt dicht – für immer! Europa muss sich endgültig von Putins Gas verabschieden und konsequent auf saubere, unabhängige Energie setzen. Nur so sichern wir unsere Freiheit, stärken den Frieden und schützen das Klima.
