
Der Weg zu einem globalen Plastik-Vertrag
Hier Mehrweg-Lösungen fordern!- Hintergrund
Eine historische Chance, für die in Nairobi bei der UN-Umweltversammlung im März 2022 die Weichen gestellt wurden: Nun sind die UN-Verhandlungen über ein verbindliches globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung gestartet.
Auch Greenpeace ist vor Ort dabei und verhandelt mit Vertreter:innen von Regierungen, internationalen Organisationen und anderen Umweltverbänden in Punta del Este, Uruguay. Das Treffen im südamerikanischen Uruguay dauert eine Woche, im kommenden Jahr folgen Verhandlungsrunden in Frankreich und Kenia, bis Ende 2024 soll die Konvention zur Eindämmung der Verschmutzung durch Einwegplastik, Geisternetze oder Mikroplastik stehen.
Dass die Vereinten Nationen der globalen Plastikflut gemeinsam ein Ende setzen wollen, ist ein gewaltiger Erfolg der globalen Umweltschutzbewegung, auch Greenpeace hat jahrelang dafür gekämpft. Die Delegierten haben mit ihrer Resolution Geschichte geschrieben, auch wenn der Weg noch weit ist. Entsteht aus der Absichtserklärung ein Vertrag, wäre dies allerdings das erste UN-Umweltabkommen seit dem Klimavertrag von Paris. Es ist auch ein Erfolg des Multilateralismus: Es gelingt noch, gemeinsam etwas zu bewegen, anstatt sich gegenseitig zu blockieren.
Was wurde in Nairobi beschlossen?
Am 2. März verkündete die Umweltversammlung der Vereinten Nationen das Mandat, dass alle beteiligten Länder Verhandlungen über ein rechtsverbindliches globales Abkommen zur Plastikvermeidung aufnehmen, und zwar eines, das den gesamten Lebenszyklus der Plastikverschmutzung abdeckt – von der Produktion bis zu Kunststoffabfällen in den Meeren. Die Verhandlungen sind nun am 28. November in Punta del Este, Uruguay, gestartet.
Ein fertiges Abkommen gibt es also nicht, entsprechend lässt sich noch keine Aussage treffen, wie gut oder umfassend es sein wird. Den Meilenstein sehen Beobachter:innen an anderer Stelle: “Das ist endlich das klare, globale Bekenntnis der Politik zu dem, was wir alle längst wissen: dass Plastik dem Menschen und dem Planeten schadet”, sagt Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft. Das wird Konsequenzen haben: “Für die großen Ölkonzerne und globale Unternehmen bedeutet das, dass man ihnen künftig genauer auf die Finger schauen wird. Sie werden per Gesetz verpflichtet, ihren Plastik-Fußabdruck zu verringern und – viel wichtiger – ihre Geschäftsmodelle umzustellen – auf Nachfüllen und Wiederverwenden, ohne weiterhin massenhaft Einwegplastik zu nutzen.” Nun ginge es um einen Systemwechsel: “Die Zeiten von ‘weiter wie bisher’ mit grünem Logo sind vorbei. Und das ist auch bitter nötig, denn Greenwashing, wie es bisher an der Tagesordnung war, ist schlimmer als gar nichts zu tun.”
Greenpeace und viele weitere Umweltschutzorganisationen haben sich in dem Bündnis Break Free From Plastic organisiert, das seit Jahren auf einen solchen Moment hinarbeitet. Vor allem diesem Druck der Zivilgesellschaft ist es geschuldet, dass das Plastikproblem nun zur internationalen Chefsache erklärt wurde.
Wie kam die Resolution zustande?
Mehrere Staaten haben bereits an ähnlichen Eingaben an die Vereinten Nationen gearbeitet: Ruanda, Japan, Peru und Indien. Die Resolution, die auf der UNEA-Konferenz verabschiedet wurde, ist ein abgestimmtes Dokument der drei erstgenannten Staaten, Indien zog seinen Entwurf zurück – auch weil es viele Überschneidungen zwischen den beiden Texten gab. Ziel war es, der Versammlung eine Vorlage zu geben, die fortschrittlich, aber auch mehrheitsfähig ist. Das ist offensichtlich geglückt.
Was sind die Stärken der Resolution?
Freiwillige Verpflichtungen der Industrie zeigen keine Wirkung – das hat die Umweltversammlung der Vereinten Nationen verstanden. Greenpeace hat dafür über Jahre Belege gefunden: Seien es illegale Müllhalden in Südostasien oder das Scheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung von Kosmetikherstellern: Noch immer findet sich gesundheits- und umweltschädliches Plastik in den Produkten.
Was die Resolution darum verlangt, sind rechtlich verbindliche Regelungen in jedem Land, die der Plastikflut effektiv Einhalt gebieten. Damit ist eine Hauptforderung von “Break Free Fom Plastic” erfüllt. In Deutschland fordert Greenpeace eine umfassende Mehrwegpflicht vom Einzelhandel über die Gastronomie bis hin zum Onlinehandel, die Sie mit Ihrer Unterschrift hier unterstützen können.

© Greenpeace
Müllsammlerin auf den Philippinen
Zum ersten Mal wird nun von einem Gremium der Vereinten Nationen das Plastikproblem von Grund auf bis zur letzten Konsequenz angegangen: Jeder Produktionsschritt kommt auf den Prüfstand, ebenso die Entsorgung. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Vermüllung der Meere und wie man sie verhindert. Mögliche Gesundheitsschäden durch Kunststoffkontamination kommen zur Sprache, denn wir nehmen mittlerweile Plastik mit der Nahrung und sogar mit der Atemluft auf. Eine echte Kreislaufwirtschaft wird in Aussicht gestellt: Produkte und Materialien sollen von vornherein so gestaltet werden, dass sie wiederverwendet, wiederaufbereitet oder recycelt werden können.
Dabei spricht die Resolution die Sprache der Umweltschutzbewegung: Schlüsselwörter wie “nachhaltige Produktion”, “Produktionsdesign” und “Entsorgungsmanagement” werden auf selbstverständliche Weise verwendet. Das erweckt den Eindruck: Die Krise wird ernstgenommen und verstanden.
Der Text klammert dabei nicht aus, dass die Vermüllung durch Plastik nicht bloß ein ökologisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem in vielen der ärmsten Länder der Erde ist. Die Rolle der “Wastepickers”, die dort anstelle eines staatlichen Recyclingsystems Plastikmüll sammeln, erfährt ebenfalls Anerkennung.
Wo liegen die Kritikpunkte?
Um eine mehrheitsfähige Beschlussvorlage zu finden, ist der Text an vielen Stellen ein Kompromiss, die Sprache könnte klarer, die Forderungen stärker sein. Viele Punkte werden angerissen, aber nicht mit Forderungen verknüpft.
Zum Beispiel: Zwar werden die Gesundheitsschäden durch Plastik zur Kenntnis genommen, aus dem Text lassen sich aber keine besonderen Schutzmaßnahmen für besonders betroffene Menschen ableiten, seien es Anwohner:innen petrochemischer Anlagen oder von Mülldeponien. Forderungen an den privaten Sektor bleiben schwach formuliert: Große Unternehmen werden ermutigt, Auswege aus der Plastikkrise zu finden; ihre Verantwortung beim Verschulden des Müllproblems und ihre Rolle bei der Lösung werden aber unterverkauft. Dabei sind sie ein kritischer Bestandteil, wenn ein künftiges Abkommen Erfolg haben soll.
Zudem ist klar: Dieser Text ist nicht das fertige Abkommen. Selbst wenn die Forderungen so umgesetzt werden, rennt uns die Zeit davon. Solange dieser Vertrag nicht ausgearbeitet und umgesetzt ist, arbeiten Menschen in giftigen Umgebungen, vermüllen die Meere und unser Klima verschlechtert sich weiter. Greenpeace und seine Verbündeten in “Break Free From Plastic” werden den Weg zu einem globalen Plastikabkommen genau beobachten und auf einen konsequenten, wirkungsvollen Vertragstext drängen. Es ist ein guter Anfang.
(Der Artikel wurde am 7. März 2022 erstveröffentlicht und am 1. Dezember 2022 aktualisiert.)