Golfstrom kurz vor dem Kippen?
- Ein Artikel von Michael Weiland & Ortrun Sadik
- mitwirkende Expert:innen Karsten Smid & Marina Falke
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Das Risiko eines Zusammenbruches des Golfstroms, genauer gesagt der Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC), könnte viel höher sein als bis jetzt angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie mit Beteiligung vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Ein Zusammenbruch dieser globalen Meeresströmung hätte weltweit drastische Folgen. Vor allem in Europa würde sich das Klima deutlich verändern.
Die Atlantische Meridionale Meeresströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC), das “Förderband” der Meere, läuft eigentlich wie ein Uhrwerk. Die Meeresströmung - Teile davon bekannt als “der Golfstrom” - versorgt Europa mit Wärme von der Südhalbkugel, kühlt sich vor Grönland ab, fließt zurück und beginnt die Runde erneut.
Dabei wird die AMOC vor allem durch Dichteunterschiede angetrieben. Kaltes, salziges Wasser ist schwerer als warmes und sinkt in tiefere Schichten, warmes, weniger salziges Wasser strömt nach – das ergibt die Fließbewegung, den Motor der AMOC. So fördert die AMOC warmes Oberflächenwasser aus dem Golf von Mexiko in Richtung Europa bis in den Nordatlantik. Auf dem Weg Richtung Norden kühlt das Wasser ab und zusätzlich steigt der Salzgehalt durch Verdunstung. Das kalte, salzige Wasser sinkt vor Grönland in die Tiefe und fließt als Tiefenwasser zurück Richtung Äquator. Warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko fließt nach und transportiert Energie in Form von Wärme Richtung Norden.
Dieser Teil des AMOC ist uns als Golfstrom bekannt. Gäbe es ihn nicht, wäre das Klima in Europa ein ganz anderes. Ein Kollaps der AMOC hätte gravierende Folgen weltweit. Aber Europa würde es besonders treffen: weniger milde Winter, heftige Temperaturschwankungen, mehr und stärkere Stürme und weniger Regen im Sommer mit einer Zunahme von Dürre und Trockenheiten wären wahrscheinlich die Folgen.
Umwälzpumpe aus dem Tritt
Durch den Klimawandel geschieht genau das: Über dem Nordatlantik und den benachbarten Landmassen regnet es stärker, dadurch fließt mehr Süßwasser ins Meer. Zudem schmilzt das Eis der Arktis zusehends – ebenfalls Süßwasser. Das Salzwasser des Nordatlantiks wird dadurch buchstäblich verdünnt. Weniger salzhaltiges Wasser ist aber auch weniger dicht und damit leichter. Es sinkt nicht mehr so schnell von der Oberfläche in die Tiefe: Die gigantische Umwälzpumpe im Atlantik kommt aus dem Rhythmus.
Die Befürchtung, der Golfstrom könnte sich verlangsamen oder sogar ganz stoppen, hegen Wissenschaftler schon lange. Schon 2018 können sie belegen, dass sich der AMOC bereits um 15 Prozent verlangsamt hat. 2025 nun berechnen Forscher, wie die Entwicklung der AMOC über das Jahr 2100 hinaus aussehen könnte und ihre Ergebnisse sind erschreckend:
Demnach würde sich die Umwälzzirkulation bis 2100 stark verlangsamen und droht mit hoher Wahrscheinlichkeit, ganz zusammenzubrechen. In einer Sammlung renommierter Klimamodelle schauten sich die Forschende verschiedene Emissionsszenarien und das Verhalten der AMOC im Vergleich an. In 70 Prozent der Szenarien mit hoher Emission bricht die Strömung zusammen. Aber auch bei 37 Prozent der mittleren Emissioneszenarien und sogar in 25 Prozent der niedrigen Emssions-Szenarien kollabiert die AMOC. Das Risiko eines Kollaps ist damit viel höher als bisher angenommen.
Ein solcher Kollaps würde trockene Sommer und extrem kalte Winter in Nordwesteuropa zur Folge haben. Außerdem würden sich die tropischen Regenzonen verschieben, was gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft weltweit hätte, erklären die Studienautoren.
“Die Fortschritte der Energiewende werden von der schwarz-roten Koalition ausgebremst. Statt Deutschland eine unabhängige und saubere Energieversorgung zu ermöglichen, sollen Gaskraftwerke uns an neue fossile Abhängigkeiten ketten. So fällt die Bundesregierung als Fürsprecherin ehrgeiziger europäischer Klimaziele auf der Klimakonferenz in Belém aus.”
Folgen für das Klima
Bereits heute hat das Weltklima mit den Folgen der Erderhitzung zu kämpfen: Tropische Stürme, Flutwellen und Dürren plagen oft die ärmsten Länder der Welt – Gemeinschaften mit den geringsten finanziellen Mitteln, um sich gegen die oft brutalen Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Doch die nun belegten Veränderungen im Golfstrom geben auch Europa Grund zu Besorgnis. Die Meeresströmung fungiert als „Klimaanlage“ des Kontinents, ihretwegen ist unser Klima moderat: Sie mildert Temperaturspitzen, die ansonsten auftreten würden, nach unten wie nach oben ab.
Zusätzlich verschlimmert die Abschwächung der AMOC auch den Klimawandel selbst. Denn das Meer ist der größte CO2-Speicher der Erde. Insbesondere das kalte Wasser im Nordatlantik nimmt viel CO2 auf, welches dann durch die Umwälzbewegung in die Tiefsee gelangt und sich zum Teil auf dem Meeresboden ablagert. Bricht nun der Fluss der AMOC ab, sinkt auch weniger CO2 aus der Atmosphäre ins Meer. Laut einer Studie von Forschenden des Max-Plank-Instituts würde das den Klimawandel drastisch beschleunigen, zu häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen weltweit führen und Folgekosten in Billionenhöhe verursachen.
Klimaschutz hängt Klimawandel hinterher
Die messbare Abschwächung der AMOC ist nur ein Vorbote der gravierenden Auswirkungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Erneut zeigt sich, der Klimawandel verläuft weitaus schneller als erwartet. Um einen Kollaps der AMOC zu verhindern, ist es unbedingt notwendig, so schnell wie möglich sämtliche Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und aus fossilen Energieträgern auszusteigen. Leider aber gibt es einen eklatanten Widerspruch zwischen der Schnelligkeit, in der der Klimawandel voranschreitet, und der Langsamkeit, mit der die Politik darauf reagiert