Die Ausbreitung der Wüsten
- Ein Artikel von Michael Weiland
- Hintergrund
In Europa leiden immer mehr Böden und Gewässer an Trockenheit. Heiße Sommer erhöhen die Waldbrandgefahr, während in der Landwirtschaft Missernten drohen.
Weltweit nehmen Dürreperioden zu. Das Amazonas-Gebiet, eines der wasserreichsten unserer Erde, litt in den vergangenen Jahren immer wieder unter sogenannten Jahrhundertdürren. Das einstige Ausnahmeereignis ist damit keine Ausnahme mehr: Seitenarme des gewaltigen Flusses trocknen zu Rinnsalen aus, Fische verenden, Brände breiten sich aus.
Ein Phänomen, das weltweit zu beobachten ist: Der Dürresommer 2018 ist wohl vielen noch in Erinnerung. In Deutschland gab es Noternten und Waldbrände. Insbesondere Sachsen-Anhalt sowie Teile von Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Thüringen litten unter der Dürre. Eine gefühlte Ewigkeit lang regnete es nicht. In anderen Ländern wie Griechenland, Portugal oder auch Schweden war die Situation noch drastischer, zu den Folgen gehörten große Brände.
Von Trockenheit zu Dürre
Doch ein Jahr der Trockenheit ist an sich handhabbar. Wirklich problematisch wird es, wenn mehrere trockene Jahre aufeinander folgen. Und 2019 war erneut ein Jahr mit deutlich zu wenig Niederschlag. Der Frühling 2020 war ebenfalls sowohl hierzulande als auch andernorts sehr trocken: Während es in Deutschland im Mai laut Deutschem Wetterdienst 44 Prozent weniger Regen gab, waren es im April sogar 70 Prozent weniger Niederschläge als im langjährigen Mittel. Die Dürre im Boden bis 1,80 Meter Tiefe nahm in Teilen Deutschlands, z.B. im Westen, laut Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) weiter zu.
Es bedarf daher zweier Richtungen, was die Maßnahmen angeht: Zum einen muss deutlich entschlossener Klimaschutz betriebene werden, als das bisher der Fall ist, um die Folgen für Landwirtschaft und Wälder zu begrenzen. Zum anderen müssen die Akteurinnen und Akteure Maßnahmen ergreifen, um das Land widerstandsfähiger gegen die Klimakrise zu machen - denn selbst wenn die Weltgemeinschaft es schafft, den Klimavertrag von Paris einzuhalten, wird die Erwärmung von 1,5 Grad bereits deutliche Folgen haben, wie man schon jetzt sieht. Städte, Agrarflächen und Wälder brauchen Schutzmaßnahmen. Eine ökologische Entwicklung in allen Bereichen begrenzt nicht nur den Temperaturanstieg, sondern auch die Folgen. Naturnahe und naturbelassene Laubmischwälder können beispielsweise mehr Wasser speichern und sind robuster gegenüber Dürren als hochindustrialisierte Baumplantagen. Die Grünen haben daher einen Antrag zum Thema “Dürre bekämpfen, Land und Städte widerstandsfähig aufstellen, in Klimaschutz investieren” in den Bundestag eingebracht.
Der Wald trocknet aus
Die Dürreprobleme betreffen mittlerweile alle Arten von Wäldern. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schreibt in seiner Waldzustandserhebung 2019, dass der fehlende Regen in den Vegetationszeiten 2018 und 2019 bereits zu einem sehr schlechten Zustand der Bäume geführt hat. Ein vorzeitiges Abfallen der Blätter und 2019 auch ein verstärktes Baumsterben setzten ein. “Im Durchschnitt aller Baumarten war der Kronenzustand noch nie so schlecht wie 2019”, steht in dem Bericht. Je länger die Periode mit zu wenig Niederschlag andauert, desto kritischer für Wälder. Baumwurzeln reichen je nach Sorte tief in die Erde, so dass kurze Trockenheitsphasen noch kein Problem darstellen. Doch nach und nach trocknen auch tiefe Bodenschichten aus, die essentiell für die Wasserversorgung der Baumwurzeln sind.
Laut BMEL waren im Juli 2019 bereits 110.000 Hektar Waldfläche geschädigt. Laut Prognose wird sich die Zahl bis Ende diesen Jahres auf 245.000 Hektar mehr als verdoppeln. Auch wenn mittlerweile selbst naturnah bewirtschaftete und naturbelassene Laub-Mischwälder unter der Trockenheit leiden: Betroffen von den Waldschäden seit Anfang 2018 sind zu über 90 Prozent Nadelbäume. Diese wurden überwiegend eigens in Holzplantagen für die Produktion gepflanzt und haben mit natürlichem Wald nicht mehr viel zu tun. Insbesondere Fichtenmonokulturen leiden außerdem stark an der Massenvermehrung von Borkenkäfern, aber auch Buchdruckern und Kupferstechern. In einem natürlichen Wald sind Borkenkäfer eigentlich dienlich, denn sie helfen, den Wald zu verjüngen, indem sie kränkliche Bäume befallen. Doch in einer Monokultur kann dieser Mechanismus bei warmer Witterung außer Kontrolle geraten und es droht ein massives Baumsterben.
Die Lösung: Mehr Natur zulassen
Die Politik hat dieses Problem zwar erkannt und will den Waldbesitzerinnen und -besitzern sowie Forstbetrieben finanziell unter die Arme greifen. Sie sollen Unterstützung in Höhe von 480 Millionen Euro an zusätzlichen Bundesmitteln bekommen, mit Kofinanzierung der Länder knapp 800 Millionen Euro. Doch das Geld fließt häufig in die Räumung und Wiederaufforstung geschädigter Flächen statt in die notwendige Entwicklung vielfältiger Wirtschaftswälder, die sich ohne Aufforstung selbst verjüngen. Zusätzlich zu solchen naturnahen Wäldern braucht es mehr komplett naturbelassene Gebiete, die komplett aus der Nutzung genommen werden: Nationalparks, in denen sich die Natur erholen kann. Wirtschafts- und Schutzwälder, in denen sich widerstandsfähige heimische Baumarten von selbst durchsetzen, sind robuster gegen die Folgen der Klimakrise – und können wiederum umgekehrt helfen, die Erwärmung zu verlangsamen. Wie das im Detail funktionieren kann, beschreiben unsere Waldvision und die Publikation Wege aus der Waldkrise.
Die Landwirtschaft – Opfer und gleichzeitig Mitverursacher der Klimakrise
Ausgetrocknete Böden, kümmerliche Ernten, zunehmender Schädlingsbefall: Landwirtschaftliche Betriebe bekommen die Folgen der Klimakrise in Deutschland seit drei Jahren immer stärker zu spüren. Zwar lebt die Landwirtschaft seit Jahrhunderten mit unterschiedlichen Witterungsbedingungen und daraus folgenden schwankenden Ernteerträgen. Doch die Häufigkeit und Intensität längerer Trockenperioden während der Vegetationszeit im Frühjahr und Sommer nimmt seit Jahren zu. Einigen Betrieben mit Rinderhaltung geht inzwischen das Futter aus, weil Reserven aus den Vorjahren fehlen und in der Region nichts mehr zugekauft werden kann. Sie müssen ihre Tierbestände reduzieren.
Besonders schwierig ist die Lage für Betriebe auf Standorten, an denen die Böden schlecht Wasser halten können und geringe Niederschläge schon bisher die Regel waren. Insbesondere hitzeempfindliche Gemüsekulturen, aber auch Ackerfrüchte wie Zuckerrüben und Kartoffeln leiden unter der Trockenheit. Bäuerinnen und Bauern, die auf eine vielfältige Fruchtpalette gesetzt oder Beregnungsanlagen installiert haben, sind etwas besser gewappnet. Doch es gibt kein einfaches, generelles Rezept, um alle landwirtschaftlichen Betriebe kurzfristig widerstandsfähiger gegenüber der Klimakrise zu aufzustellen. Und die intensive Beregnung von Kulturen ist nicht nur teuer, sondern aus ökologischen Gründen auch nur begrenzt möglich.
Langfristige Veränderungen sind nötig. Die Bodenfruchtbarkeit muss erhöht, Humus aufgebaut und durch Landmaschinen verdichtete Böden aufgelockert werden, um Wasser besser zu speichern. Voraussichtlich benötigen wir in Zukunft auch ganz neue, resilientere Bewirtschaftssysteme.
Konsequenter Klimaschutz hilft Landwirtschaft langfristig
Dürren sind in erster Linie eine Folge der Klimakrise – und zu der trägt neben Verkehr und Industrie auch die Landwirtschaft bei. Rund ein Drittel der Emissionen weltweit gehen auf das Konto der weltweiten Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Immerhin noch rund elf Prozent sind es in Deutschland, ohne dass die hiesige Landwirtschaft ihren Klimagasausstoß in den vergangenen fünfzehn Jahren senken konnte. Nun rächt sich, dass die konservativ geführte Agrarpolitik der vergangenen Jahre den Zusammenhang von Klimaschutz und Landwirtschaft unterschätzt hat. Über 50 Milliarden Euro Agrarfördergelder flossen in den vergangenen zehn Jahren nach Deutschland. Maßnahmen zur Klimaanpassung und zur Reduktion von Klimagasen wurden damit kaum gefördert.
Genug Geld ist da, um den Sektor grundlegend und zukunftsfähig neu zu strukturieren, hin zu einer klima- tier- und artenschonenden Landwirtschaft. Greenpeace fordert, jährlich mindestens eine Milliarde Euro der Agrarsubventionen für Klimaschutz in der Landwirtschaft verwenden. Jeder Euro für den Klimaschutz ist eine Hilfe für die Landwirtschaft und letztlich sinnvoller als kurzfristige Dürrehilfen der Bundesregierung.