Klimapolitischer Ausblick
- Ein Artikel von Gregor Kessler
- mitwirkende Expert:innen Sophia van Vügt & Sarah Zitterbarth
- Im Gespräch
Im Weißen Haus zieht ein Fan der Fossilen ein, in Deutschland wird Kritik an Klima- und Naturschutz zum Wahlkampfschlager. Wohin steuert der Umweltschutz? Fragen wir zwei kundige Greenpeace-Expertinnen.
Greenpeace: Sophia, du arbeitest in Berlin für Greenpeace zu Klima- und Energiepolitik. Die Ampel ist Geschichte. Dennoch einmal zurückgeschaut: Was ist in den vergangenen drei Jahren in Deutschland erreicht worden für Natur und Klima? Was wurde versäumt?
Sophia van Vügt: Es war nicht alles Sonnenschein, aber drei wichtige Fortschritte seien erwähnt: Die teuerste und gefährlichste Energiegewinnung ist in Deutschland Geschichte. Die letzten drei Atommeiler sind abgeschaltet, der Rückbau hat begonnen. Beim Ausbau von Sonnen- und Windenergie geht es nach 16 Jahren CDU-verwalteten Stillstands endlich wieder voran. Und auch das komplexe Thema der Wärmeversorgung hat die Ampel angepackt.
Aber es gab auch reichlich Schatten: Das entkernte Klimaschutzgesetz war ein herber Rückschlag für den Klimaschutz. Die Ampel hat das Verkehrs- und das Bauministerium damit aus der Verantwortung entlassen, obwohl sie ihre Klimaziele wiederholt verpasst haben. Zwar wurden mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf EU-Ebene und dem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz zwei fortschrittliche Projekte beschlossen. Aber sie werden der Bedeutung unserer Umwelt für unser aller Leben längst nicht gerecht. Ihr Versprechen, klimaschädliche Subventionen abzubauen, hat die Ampel nicht eingelöst und das ebenfalls angekündigte sozial-ökologische Klimageld hat der Finanzminister verschleppt.
Die Ampel ist auch an wirtschaftspolitischen Differenzen zerbrochen: Grüne und SPD sehen in der ökologischen Transformation einen potenziellen Job- und Wirtschaftsmotor, die FDP etwas wirtschaftsfeindliches. Lassen sich diese Positionen zusammenbringen?
Sophia van Vügt: Das Ampel-Aus am Tag nach der Trump-Wahl zeigte: Zwischen Scholz, Habeck und Lindner war das nicht mehr möglich. Dabei gab es in den vergangenen Jahren aussichtsreiche Projekte der Industrietransformation, etwa in der grünen Stahlproduktion. Damit diese Produkte in der Einführungsphase Abnehmer finden, braucht es die Unterstützung der Regierung. Teile der Politik aber zeigen lieber auf die Probleme der deutschen Automobilwirtschaft, als wären die der Beleg dafür, dass Klimaschutz und Wirtschaft sich ausschließen. Dabei kränkeln die Hersteller, weil sie die Elektrifizierung verschlafen haben.
Mir bereitet das Sorgen. Denn es ist vielfach belegt, dass die Größenordnungen der durch die Klimakrise zu erwartenden Schäden selbst für starke Volkswirtschaften wie die Deutsche kaum zu stemmen sind. Ganz zu schweigen von ärmeren Teilen der Welt, die noch stärker getroffen werden. Wer es jetzt wichtiger findet, die Schuldenbremse einzuhalten, als die Energiewende, den Naturschutz und den Aufbau einer klimaschonenden Infrastruktur voranzubringen, handelt kurzsichtig.
Klimaschutz muss auch nach der Wahl ein wichtiger Faktor in der Wirtschaftspolitik bleiben. Das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Der steigende CO2-Preis, den auch die Union als zentrales Instrument sieht, wird den Betrieb von Verbrenner-Pkw oder Gas-Heizungen bald spürbar teurer machen. Mit diesen absehbaren Folgen darf man gerade Menschen mit niedrigeren Einkommen nicht allein lassen. Daher fordern wir weiterhin die Einführung des sozial gerechten Klimageldes.
Die CDU/CSU stellt die Energiewendepläne der jetzigen Bundesregierung in Frage. Kann ein Industrieland wie Deutschland auch ohne Kohle, Öl und Gas genug Strom produzieren?
Sophia van Vügt: Die Zukunft ist erneuerbar. Bei der Stromversorgung hat die Ampel einiges erreicht. Es liegen gute Pläne vor, wie die Transformation gelingen kann. Neben dem massiven Ausbau von Windkraft an Land und auf See hängt dies von der Photovoltaik und von Speichersystemen ab.
Hier können die laufenden Veränderungen im Verkehr Hand in Hand mit einer sicheren und sauberen Stromversorgung gehen: Denn jedes Elektroauto ist gleichzeitig ein kleiner Stromspeicher. Er kann erneuerbaren Strom laden, wenn es viel davon gibt und wieder abgeben, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne nicht scheint. Solche so genannten Dunkelflauten werden künftig auch die zahlreichen geplanten Großspeicher zu überbrücken helfen.
Insgesamt werden Energiesysteme der Zukunft dezentraler und flexibler. Die Produktion von Sonnen- und Windenergie ist schon jetzt unschlagbar günstig. Was im Moment die Kosten treibt, sind nötige Investitionen, etwa in das nationale und europäische Stromnetz. Mittelfristig zahlt sich dies aber vielfach aus durch Energieunabhängigkeit, niedrige Kosten und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
In Deutschland fordern Parteien wie die FDP und Teile der Union inzwischen, das deutsche Ziel der Klimaneutralität von 2045 auf 2050 nach hinten zu schieben. Es sei ungerecht, wenn Deutschland fünf Jahre früher am Ziel sein müsse als der Rest Europas. Klingt plausibel, oder?
Sophia van Vügt: Deutschland hat über Jahrzehnte hinweg übermäßig viel CO2 ausgestoßen. Global betrachtet gehören wir zu den Ländern mit den höchsten pro-Kopf-Emissionen und historisch gesehen liegen wir auf Platz sechs der weltweit klimaschädlichsten Länder. CO2 zu emittieren wird mit dem europäischen Zertifikatehandel teuer werden, klimaschädliche Wirtschaftsmodelle daher zunehmend unrentabel. Die Klimakosten werden also endlich ein Stück weit an die Verursacher:innen zurückgegeben. Da ergibt es doch viel mehr Sinn, jetzt die Transformation voranzutreiben, statt auf fossile Geschäftsmodelle von gestern zu setzen. Auch in Deutschland haben wir mit dem Klimaschutzgesetz die Verpflichtung, nicht weiter auf Kosten künftiger Generationen zu wirtschaften.
Sarah, du begleitest für Greenpeace die europäische und internationale Klimapolitik. Die neue EU-Kommission nimmt gerade ihre Arbeit auf. Wie wichtig sind Entscheidungen in Brüssel inzwischen für den Klima- und Umweltschutz der Mitgliedsstaaten?
Sarah Zitterbarth: Die Europäische Union spielt mittlerweile eine zentrale Rolle für die Umwelt- und Klimapolitik der Mitgliedsstaaten. Die EU setzt einen verbindlichen Rahmen für nationale Maßnahmen. Besonders wichtig sind beispielsweise Rechtsvorschriften wie das Europäische Klimagesetz und Initiativen wie der Green Deal.
Dieser auch von der Klimabewegung vorangetriebene Beschluss ist ein Beitrag der EU zum Pariser Klimaschutzabkommen und hat zum Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Gleichzeitig wurden mit dem Green Deal wichtige Maßnahmen für den Naturschutz, die Kreislaufwirtschaft, eine nachhaltige Landwirtschaft und eine saubere und bezahlbare Energieversorgung beschlossen. Viele Regelungen in diesen Bereichen werden in das deutsche Klimaschutz-, Energie- und Umweltrecht umgesetzt.
Und was sind die wichtigsten anstehenden Klima- und Umweltprojekte der neuen Kommission?
Sarah Zitterbarth: Die neue Kommission muss die EU auf Kurs in Richtung 1,5-Grad-Limit halten. Gleichzeitig muss sie wirtschaftliche und geopolitische Herausforderungen bewältigen. Der Rechtsruck im Europäischen Parlament und der neue Fokus der Kommission auf einem Clean Industrial Deal drohen die Klima- und Umweltschutzziele zu verwässern. Doch Rückschritte beim Green Deal wären fatal. Lässt der Ehrgeiz bei der Modernisierung Europas nach, gefährdet das die Lebensqualität und Sicherheit der Menschen sowie die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die Kommission muss nun die nächsten Schritte im Umwelt- und Klimaschutz gehen: Sie muss ehrgeizige neue Klimaziele für die Jahre 2035 und 2040 festlegen und das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur umsetzen, es ist ein zentraler Bestandteil der Biodiversitätsstrategie.
Nun zieht am 20. Januar auch noch der Klimaleugner Donald Trump ins Weiße Haus. Was wird der Amtsantritt von Trump für den Klimaschutz weltweit und die Klimadiplomatie bedeuten?
Sarah Zitterbarth: Trump wird die USA, den weltweit zweitgrößten CO2-Emittenten, voraussichtlich erneut aus dem Pariser Klimaabkommen führen. Er wird mehr Öl und Gas ausbeuten lassen, obwohl diese Form der Energiegewinnung unseren Planeten zerstört. Beides wird den weltweiten Klimaschutz erschweren und könnte an andere Länder das fatale Signal senden, auch sie könnten sich aus der Verantwortung stehlen.
Es besteht die Hoffnung, dass China die entstehende Lücke im Multilateralismus und beim Senken der Emissionen zumindest ansatzweise schließen kann. Dafür müsste China eine größere Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik einnehmen und weiter ambitioniert den Weg Richtung Erneuerbare, grüne Technologien und Klimafinanzierung gehen. Erste positive Signale dazu gab es auf der Klimakonferenz in Baku.
Du warst selbst in Baku bei der jüngsten UN-Klimakonferenz. Das Ergebnis war enttäuschend. Viele zivilgesellschaftliche Stimmen gaben sich mit Blick auf den kommenden Gastgeber Brasilien dennoch hoffnungsvoll. Ist das gerechtfertigt?
Sarah Zitterbarth: Das Gastgeberland Aserbaidschan hatte keine klimadiplomatische Erfahrung und keine Ambition, um diese Konferenz zu einem Erfolg zu machen. Das Land ist in hohem Maße abhängig von Öl und Gas, es schränkt die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft massiv ein. All das waren extrem schlechte Bedingungen für einen guten Ausgang der Konferenz.
Mit Brasilien wird 2025 nach drei Jahren endlich wieder ein demokratisch geführtes Land Gastgeber der Klimakonferenz. Präsident Lula hat sich im Rahmen der G20 und der COP29 für ambitionierten Klima- und Biodiversitätsschutz ausgesprochen und für eine entsprechende Signalwirkung den Amazonas Regenwald als Austragungsort der nächsten Klimakonferenz ausgewählt. So wird auch die wichtige Rolle von Wäldern für die Stabilität des Klimas sowie die Bedeutung von Synergien zwischen Klima- und Naturschutz betont, die auf der COP30 eine wichtige Rolle spielen werden. Insgesamt ist die Hoffnung für eine fortschrittlichere Dynamik bei der nächsten Klimakonferenz durchaus gerechtfertigt.
Brasilien wird im Jahr 2025 außerdem den Vorsitz der BRICS-Staaten übernehmen und hat bereits deutlich gemacht, dass die Bewältigung der Klimakrise sowie engere Partnerschaften mit verletzlichen Ländern eine wichtige Aufgabe für die Gruppe der Schwellenländer ist. Der kommende Gastgeber der Klimakonferenz wird also auch eine wichtige Rolle als Brückenbauer in der Klimadiplomatie haben, um progressive Allianzen zwischen Industrie- und Schwellenländern und ärmeren vulnerablen Ländern für mehr Klimaschutz und die Abkehr von fossilen Energien zu bilden.