9 Fragen zur Klimakonferenz
Good COP, bad COP?
Das Tempo von Klimakrise und Klimadiplomatie klafft schmerzhaft auseinander. Warum die UN-Klimakonferenz COP29 dennoch wichtig ist, worum es diesmal geht und weshalb Greenpeace hinfährt. (Foto: COP28)
- Kurz und Knapp
Die diesjährige Klimakonferenz COP29 ist in Baku gestartet. Die Vorzeichen sind problematisch, wie Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, in einer Stellungnahme darlegt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum findet die Klimakonferenz zum dritten Mal in Folge in einem Ölstaat statt?
Worum geht es bei dieser Konferenz?
Sollte es bei einer Klimakonferenz nicht darum gehen, wie die Emissionen sinken?
Was bedeutet der Wahlsieg von Donald Trump für den Klimaschutz?
Welche Rolle kann Deutschland nach dem Bruch der Ampel in Aserbaidschan spielen?
Hat die COP28 in Dubai denn etwas gebracht?
Warum findet die Klimakonferenz zum dritten Mal in Folge in einem Ölstaat statt?
Die Gastgeberländer der Weltklimakonferenz rotieren zwischen fünf Weltregionen. In diesem Jahr ist Osteuropa dran. Russland lehnt Bulgarien als Gastgeber ab, weil das osteuropäische Land Teil der EU ist. So wurde als Kompromiss die frühere Sowjetrepublik Aserbaidschan gewählt. Im Vorjahr richteten die Vereinigten Arabischen Emirate für Asien aus, im Jahr 2022 war Ägypten für Afrika dran. Im kommenden Jahr wird Brasilien für Lateinamerika die Rolle des Gastgebers übernehmen. Die Wahl Aserbaidschans traf auf breite Kritik, da das Land autoritär geführt wird, wirtschaftlich stark von der Öl- und Gasausbeutung abhängig ist und über wenig diplomatische Erfahrung verfügt, die nötig ist, um eine UN-Konferenz erfolgreich zu machen.
Worum geht es bei dieser Konferenz?
Es geht im Kern um Geld. Darum, ärmere Länder im Kampf gegen die Klimakrise angemessen finanziell zu unterstützen. Gesucht wird ein neues gemeinsames Finanzierungsziel. Im Verhandlungs-Sprech heißt das „New Collective Quantified Goal on Finance“ oder kurz NCQG.
Bislang gilt das 2009 beschlossene Ziel, wonach die Industrieländer ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Mitteln mobilisieren sollen. Dieses Ziel wurde erst mit zweijähriger Verspätung 2022 erreicht und es läuft 2025 aus. Das neue Gesamtziel soll die Bedürfnisse und Prioritäten der ärmeren Länder berücksichtigen. Angesichts der absehbaren Investitionen für Anpassungen an die Klimakrise und den Umbau Richtung Klimaneutralität ist klar, dass es nicht mehr um Milliarden, sondern um Billionen gehen wird. Und nach den jüngsten Extremwetterkatastrophen in aller Welt ist klar: Ohne diese Investitionen wird es noch viel teurer.
Sollte es bei einer Klimakonferenz nicht darum gehen, wie die Emissionen sinken?
Absolut. Und das wird es auch. In Baku werden die ersten Staaten ihre neuen nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) vorlegen. Das sind Pläne, mit denen sich jedes Land eigene Fünfjahresziele setzt, wie es seine Emissionen weiter senken will. Zusammen sollen sie dazu führen, dass die Welt spätestens 2050 klimaneutral ist. Bis spätestens Anfang 2025 müssen die neuen, dann bis 2035 geltenden Pläne vorgelegt werden, und die ersten werden vermutlich während der COP vorgestellt. Diese ersten NDCs sind wichtig, um zu sehen, dass Staaten weiter an das 1,5-Grad-Ziel glauben und die Weichen danach stellen.
Was bedeutet der Wahlsieg von Donald Trump für den Klimaschutz?
Nichts Gutes - aber auch keine Katastrophe. Natürlich ist es fatal, dass der weltweit zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen künftig von einem Mann gelenkt wird, der die Ausbeutung fossiler Energien mit dem Schlachtruf “Drill, Baby, Drill” beschleunigen will. Auch ist anzunehmen, dass Trump das Land erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen lassen wird.
Doch die internationale Klimadiplomatie hat all dies nach Trumps erster Wahl 2016 schon einmal erleben müssen. Obwohl der Republikaner die USA damals aus dem Abkommen führte und zahlreiche Umweltregulierungen außer Kraft setze, setzten diese Schritte keine Kettenreaktion in Gang. Das Pariser Abkommen hielt auch ohne die USA. Im Land setzte sich der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Rückgang der Kohleverstromung und der Umstieg auf Elektroautos sogar beschleunigt fort.
Heute wissen viele US-Bundesstaaten, dass Energie aus Wind und Sonnen nicht nur günstiger als fossiler Strom ist und diese Branchen Hunderttausende zukunftssichere Jobs schaffen. Greenpeace erwartet, dass die EU - allen voran Deutschland - starke Allianzen schmiedet, um gemeinsam die Klima- und Naturkrise zu stabilisieren. Das ist der einzige Weg zu langfristiger Sicherheit. Trumps fossile Agenda darf keine Ausrede für Länder werden, die sich mit dem Pariser Abkommen verpflichtet haben, die Klimakrise zu bekämpfen.
Die Klimakrise eskaliert, die Klimadiplomatie aber kommt kaum vom Fleck. Warum fährt Greenpeace überhaupt zu einer solchen Konferenz?
Tatsächlich lässt sich schwer ertragen, wie langsam es bei der Menschheitsaufgabe Klimaschutz voran geht. Dabei sind die Folgen der Klimakrise doch inzwischen auf jedem Erdteil zu spüren. Greenpeace hält es dennoch für wichtig, dass die Zivilgesellschaft diese Verhandlungen begleitet. Schon allein, um der fossilen Lobby nicht das Feld zu überlassen. Bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr in Dubai stellten Lobbyist:innen der Öl- und Gas-Industrie laut einer Untersuchung mit 2456 die drittgrößte Delegation. Es steht zu befürchten, dass sie auch im Erdöl- und Gasland Aserbaidschan zahlreich vertreten sein wird.
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Verlauf der Verhandlungen unabhängig zu kommentieren und dabei auf Entwicklungen aufmerksam zu machen, die dem Ziel schaden, die katastrophalsten Folgen der Erderhitzung zu verhindern und so unser aller Lebensgrundlagen zu schützen.
Diese Aufgabe kann nur länderübergreifend gelingen, und UN-Klimakonferenzen sind der Moment, an dem die Staaten der Welt zusammenkommen, um einen gemeinsame Antwort zu finden. Wir kommen dabei bislang nicht schnell genug voran, aber ohne solche Konferenzen würde kleinere, vulnerable Staaten dabei gar nicht mitreden können und es würde weltweit gesehen noch weniger Fortschritt geben.
Welche Rolle kann Deutschland nach dem Bruch der Ampel in Aserbaidschan spielen?
Durch den Ampelbruch kurz vor Start der Klimakonferenz fährt Deutschland ohne funktionierende Regierung nach Baku. Inzwischen hat Olaf Scholz sogar seine geplante Reise zum Auftakt der Konferenz abgesagt. Dabei hatte die Position Deutschlands innerhalb der Klimadiplomatie schon zuvor gelitten. Es fehlt in mehreren Bereichen an Glaubwürdigkeit. Zum einen beim eigentlichen Klimaschutz, also dem Senken der Emissionen („mitigation“). Deutschland ist laut dem offiziellen Beratergremium der Regierung, dem Expertenrat für Klimafragen nicht auf Kurs, um ihre eigenen Klimaziele für 2030 zu erreichen. Und während die letztjährige Klimakonferenz COP28 den Ausstieg aus fossilen Energien eingeleitet hat, investiert Deutschland weiter in eine Infrastruktur für Flüssiggas, die selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie „überdimensioniert“ und „nicht erforderlich“ nennt. Vor Borkum und in Bayern sollen Erdgasfelder ausgebeutet werden dürfen.
Auch beim Thema der Finanzierung reist die deutsche Delegation ohne klare Zusagen nach Baku. Die Zusage, bis 2025 ein jährliches Niveau von 6 Milliarden Euro bei der Klimafinanzierung zu erreichen, war mit dem bisherigen Haushaltsentwurf nicht klar gedeckt. Es wäre wichtig gewesen, dass sich die Bundesregierung unmissverständlich hinter ihr 6-Milliarden-Versprechen für die internationale Klimafinanzierung gestellt hätte. Das wird nach dem Ampel-Ende nicht mehr passieren. Nun wackelt neben der 6 Milliarden Zusage auch die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands in dieser Frage.
Deutschland als klimadiplomatisch erfahrenes Land und Brückenbauer sollte in Baku politische Unterstützung für neue Quellen einer internationalen Klimafinanzierung mobilisieren. Allen voran die Öl- und Gasindustrie, die in den vergangenen Jahren Milliarden an Übergewinnen eingestrichen hat, sollte hierzu herangezogen werden. Ein neues Finanzierungsziel auf der COP29 festzulegen reicht nicht aus - es muss auch mit konkreten Finanzierungsmechanismen nach dem Verursacherprinzip unterfüttert werden. Hier kann Deutschland helfen, die COP29 zu einem Erfolg zu machen.
Hat die COP28 in Dubai denn etwas gebracht?
Von der COP28 in einem Ölstaat hatten sich Beobachter:innen kaum etwas erwartet. Tatsächlich jedoch wurde in Dubai einiges erreicht. Die Konferenz hat das in Paris beschlossene 1,5-Grad-Ziel bestätigt und sich dazu auf einen rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien geeinigt. Bis zum Jahr 2030 soll die Kapazitäten der Erneuerbaren verdreifacht und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Auch deshalb ist die nächste Runde an NDCs so wichtig: Hier müssen die globalen Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren mit nationalen Maßnahmen unterlegt werden.
Das überraschendste Ergebnis der Konferenz war, dass sie den längst überfälligen Ausstieg aus fossilen Energien eingeleitet hat. Das Abschlussdokument spricht von einem „transitioning away from fossil fuels“, eine Formulierung die weltweit als der Beginn des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen verstanden wird. Und schließlich wurde auf der COP28 ein Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage) durch die Klimakrise arbeitsfähig gemacht. Er soll Entwicklungsländer im Schadensfall finanziell unterstützen, etwa bei großen Dürren oder Überflutungen.
Wie wird auf der Konferenz entschieden?
Wie bei den meisten UN-Verhandlungen, müssen Entscheidungen auch bei Klimakonferenzen einstimmig fallen. Dabei hat jeder teilnehmenden Vertragsstaat eine Stimme. Das ist einer der Gründe, weshalb die Verhandlungen zäh verlaufen und Fortschritten oft das nötige Tempo fehlt. Jedes Land kann die Verhandlungen mit einem Veto blockieren.
Warum heißt die Klimakonferenz eigentlich COP?
COP steht für „Conference of the Parties“, was sich übersetzen lässt mit Konferenz der Staaten, die die Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben. Diese Konvention ist ein völkerrechtlich bindendes UN-Abkommen, das von 197 Staaten und der EU unterzeichnet wurde. Die jährlich stattfindenden Klimakonferenzen starteten 1995 in Berlin mit der ersten COP. Inzwischen sind wir bei Nummer 29 angelangt.