Skip to main content
Jetzt spenden
Kein zu Hause, keine Farm: so erging es vielen Bewohnern aus der Region, Oktober 2013
Noriko Hayashi/ Greenpeace

Leben mit der Angst

Hoffnungslosigkeit, Wut auf die Regierung und Angst um die Gesundheit prägen das Leben vieler Menschen in Fukushima. Drei Jahre nach dem verheerenden Atomunfall haben die Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern zugenommen.

Einiges spricht dafür, dass die erhöhte Zahl der Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen auf den Super-GAU zurückzuführen ist. Es gibt offizielle Gruppen, die diesen Zusammenhang nicht erkennen wollen, doch das ist bei näherer Betrachtung in Frage zu stellen. Da Strahlung oft erst viel später zu Gesundheitsschäden wie Krebs oder Leukämie führt, sind auch in Zukunft zusätzliche strahlenbedingte Erkrankungen zu erwarten. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) geht in ihrem Handbuch davon aus, dass bei einem Unfall der Stärke 7 auf der INES-Skala mit Gesundheitsfolgen in weiten Gebieten zu rechnen ist. In Fukushima war die Freisetzung von radioaktiven Stoffen so gewaltig, dass dieses Kriterium um mehr als das 10-Fache übertroffen wurde.

Schlechtes Krisenmanagement

Darüber hinaus funktionierten notwendige Maßnahmen nicht, die die Strahlenbelastung zumindest hätten reduzieren können. Japan hat ein Rechenprogramm, dass die zu erwartende Dosis auf Grundlage von Freisetzung und Wetterbedingungen vorausberechnet: SPEEDI (System for Prediction on Environmental Emergency Dose Information). Es zeigt, dass hohe zu erwartende Organdosen für die Schilddrüse von über 500 Millisievert für Regionen zu erwarten waren, die zunächst nicht evakuiert wurden.

Die Einnahme von Jod-Tabletten (nicht-radioaktivem Jod) war geplant, scheiterte aber, weil gesendete Faxe mit der Anordnung im Katastrophen-Chaos übersehen wurden. Herr Kenichi Hasegawa, ein Milchbauer aus Iitate, berichtet, dass sie ca. 10 Tage lang Wasser mit radioaktivem Jod getrunken hätten. Wie ihm erging es vielen Menschen in der Region. Dabei ist in solchen Fällen wichtig, dass das stabile Jod eingenommen wird, bevor die radioaktive Wolke (mit radioaktivem Jod J-131, J-132, J-133) die Bevölkerung belastet.

Erschwerend kommt hinzu, dass Krankenhäuser der Region mit spezieller Strahlenschutzkompetenz verlassen werden mussten, weil sie innerhalb der 10-km-Evakuierungszone lagen. Die Atomindustrie hatte nicht mit derart großen Freisetzungen gerechnet.

Bis knapp vor der Evakuierung im April erzählten Strahlenfachleute wie Prof. Yamashita von der Nagasaki Universität Unwahrheiten und spielten die Strahlenbelastung herunter: Kinder könnten in Iitate ruhig draußen spielen, man solle aber lächeln, das verhindere Strahlenschäden.

"In den ersten Tagen nach der Katastrophe wurden die Strahlungsdaten einfach versteckt. Es gab keine Aufforderung, Jodtabletten zu nehmen, um die Gesundheitsrisiken zu reduzieren“, erzählt  Katsutaka Idogawa, der ehemalige Bürgermeister von Fukushima.“ An der medizinischen Universität gab es nur heimlichtuerische Gespräche, aber keine Strahlungskontrollen. Kinder hätten sofort evakuiert werden müssen. Es ist ein Verbrechen.“

Leugnen hilft nur der Atomindustrie

Alles spricht also dafür, dass die Atomkatastrophe in Fukushima mehr gesundheitliche Schäden verursacht hat und noch verursachen wird, als offizielle Stellen zugeben wollen: die enormen Mengen an freigesetzter Radioaktivität, die gescheiterten Gegenmaßnahmen, um Gesundheitsfolgen zu reduzieren, der politische Wille, die Katastrophe klein zu reden. Insgesamt kann man von einer systematischen Verharmlosung der Folgen sprechen.

Es wird nicht möglich sein, in jedem einzelnen Fall nachzuweisen, dass die gesundheitlichen Schäden auf eine Strahlenexposition zurückzuführen sind. Deswegen kann aber die Existenz von Strahlenschäden nicht insgesamt bestritten werden. Diese Folgen zu leugnen hilft der Bevölkerung nicht, sondern schont nur die Atomindustrie vor den für sie unangenehmen Konsequenzen.

"Wir fühlen uns wie Flüchtlinge im eigenen Land. Wir sind wie vergessene Menschen“, sagt Katsutaka Idogawa. „Es darf nicht sein, dass wir nicht gesehen werden. Wir erzählen von dem, was uns verloren gegangen ist. Aber wie geht man damit um? Wo können wir hingehen? Wir brauchen Häuser und Arbeit. Aber es passiert nichts.“ Und ihre Gesundheit kann niemand ihnen zurückgeben.

  • Ein Kindergarten in Fukushima, im Hof misst ein Greenpeace Mitarbeiter die Strahlenbelastung, Mai 2011

    Draußen spielen verboten

    Überspringe die Bildergalerie
  • Junges Mädchen im Heim zusammen mit 504 weiteren Flüchtlingen nach der Atomkatastrophe von Fukushima, März 2011

    Über Nacht entwurzelt

    Überspringe die Bildergalerie
  • Ausbreitung der Radioaktivität in Fukushima

    Radioaktive Wolke

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Jetzt mitmachen

Du willst Teil der Energiewende sein?

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Dann besuche in unserer Mitmach-Community Greenwire die Energiewende-Themengruppe und tausche dich mit Anderen aus, finde weitere Mitmachangebote und erfahre mehr über unsere Kampagnen.

Hier lang zur Themengruppe-Energiewende

Themengruppe auf

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Mehr zum Thema

Balloons on the 'Plein' at The Hague

Scheinlösung Kernfusion

  • 01.12.2023

Ein technologischer Meilenstein, aber kein Modell für die Zukunft: Warum der gelungene Versuch der Kernfusion nicht die Probleme der Gegenwart löst.

mehr erfahren
Dunkle Wolken über Fukushima

Kontaminiertes Wasser bedroht Umwelt in Fukushima

  • 24.08.2023

Mit bewussten Fehleinschätzungen wird der Plan gerechtfertigt, mehr als eine Million Tonnen radioaktives Wasser aus Fukushima ins Meer abzulassen. Greenpeace entkräftet diese Halbwahrheiten.

mehr erfahren
The Nuclear Crisis at the Fukushima Daiichi Nuclear Plant Continues

Fukushima - alle Publikationen im Überblick

  • 14.06.2023

Seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 hat Greenpeace zahlreiche Studien durchgeführt. Alle Publikationen sind hier aufgelistet.

mehr erfahren
Tschornobyl Tour zum 30. Jahrestag

Der Sarkophag in Tschernobyl

  • 08.06.2023

Nach dem Super-GAU in Tschornobyl am 26. April 1986 begann der Bau einer Schutzhülle zur Eindämmung der Strahlung. Doch das Provisorium war bald einsturzgefährdet, ein zweiter Sarkophag wurde gebaut.

mehr erfahren
In einem Kindergarten liegen die Spielsachen so, wie sie nach der Katastrophe zurückgelassen wurden. Die Gasmaske eines Kindes neben einer Puppe ist nur ein weiteres grausames Paradoxon: Eine Woche vor dem Atomunfall wurden die Kinder darin geschult, die Sicherheitsausrüstung gegen die atomare Gefahr zu benutzen. Doch am Tag des Unfalls wurde auf Anweisung der Parteiführung keine einzige Gasmaske benutzt.

Tschornobyl

  • 26.04.2023

Am 26. April 1986 erschüttert eine Explosion das Atomkraftwerk Tschornobyl. Eine radioaktive Wolke verseucht die Region und zieht über Europa. Ursache sind menschliches Versagen und technische Mängel.

mehr erfahren
Projektion zum Atomausstieg am AKW Isar 2

Atomkraftwerke abschalten

  • 18.04.2023

Atomkraft ist nicht nur riskant, sondern auch keine Lösung für die Energiekrise. Am 15. April 2023 wurden die deutschen Atomkraftwerke darum abgeschaltet, endgültig.

mehr erfahren