Anbindehaltung: Kühe leiden für Bärenmarke-Milch
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Verdreckte Kühe – so angebunden, dass sie sich kaum bewegen können. Erneut dokumentieren Fotos tierschutzwidriger Zustände. Greenpeace hat nun Strafanzeige gegen die Bärenmarke-Molkerei gestellt. Doch auch die Politik ist gefordert: Aktivist:innen setzen sich für klare Regeln im Tierschutzgesetz ein.
Draußen vor dem Bundesrat demonstrieren Greenpeace und Vier Pfoten mit zwei Meter hohen Fotowänden für ein komplettes Verbot der tierschutzwidrigen Anbindehaltung (siehe Foto). Drinnen stimmen Politiker:innen eine Stellungnahme zur Tierschutznovelle ab. Es geht vor allem um die Frage, ab wann die ganzjährige Anbindehaltung verboten werden soll. Und wie Ausnahmen für saisonale Anbindehaltung aussehen könnten. Final entscheidet der Bundestag.
„Anbindehaltung verbieten, sofort!“, fordern die Protestierenden auf einem Banner. Die Fotos auf zwei Stellwänden zeigen den Unterschied zwischen idyllischer Werbung und der grausamen Realität in der Rinderhaltung. „Vor allem die ganzjährige Anbindehaltung ist nicht mehr tragbar, sie verstößt gegen das Tierschutzgesetz“, sagt Lasse van Aken, Greenpeace-Landwirtschaftsexperte. „In der Agrarpolitik wird gerne der politische Taschenspielertrick extrem langer Übergangsfristen angewandt. Wir fordern, die tierschutzwidrige Anbindehaltung sofort zu verbieten. Der Bundesrat sollte sich hier klar positionieren.“
Dass gesetzliche Vorgaben notwendig sind, zeigen wiederholt Fotos und Videos, die Greenpeace im April sowie Februar 2024 zugespielt wurden. Sie dokumentieren das Elend auf 23 Milchviehbetrieben, die die Bärenmarke-Molkerei Hochwald beliefern: Sie zeigen Milchkühe in der sogenannten Anbindehaltung. Bei dieser Art der Haltung werden die Kühe mit Seilen, Ketten oder anderen Vorrichtungen am Hals fixiert. Sie stehen in engen Reihen nebeneinander, teils mit den Hinterbeinen in der Kotrinne, also auf glattem Vollspaltenboden. Sie können sich gerade noch hinlegen und liegen auf der Kante zur Kotrinne, weil die Ställe zu klein gebaut worden sind. Vor ihren Köpfen sind Futtertisch und Selbsttränke. Greenpeace-Recherchen und Tracking-Daten belegen, dass die Milch dieser Höfe an die zwei Bärenmarke-Werke in Mechernich (Nordrhein-Westfalen) und Hungen (Hessen) geliefert wird.
Strafanzeige – weil Bärenmarke nicht auf Vorwürfe reagiert
Diese Zustände sind Bärenmarke seit längerem bekannt. Trotzdem reagiert Hochwald-Geschäftsführer Detlef Latka weder auf die Vorwürfe noch auf Anfragen von Verbraucher:innen und Presse. Greenpeace hat deshalb am 16.05.2023 Strafanzeige wegen Beihilfe zur Tierquälerei gegen Hochwald gestellt. “Bärenmarke versucht sich vor den dokumentierten Anschuldigungen wegzuducken und gaukelt in der Werbung weiter artgerechte Tierhaltung vor”, sagt Lasse van Aken, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. “Das wollen wir mit unserer Strafanzeige stoppen – der ersten gegen eine Molkerei in Deutschland.”
“Wer einem Tier vorsätzlich länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zufügt, macht sich der Tierquälerei strafbar”, erklärt die von Greenpeace beauftragte Rechtsanwältin Anja Popp. “Es liegt auf der Hand, dass ein Tier, das nicht in der Lage ist, seine natürlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, unter diesen Umständen leidet. Indem Bärenmarke wissentlich Milch aus Anbindehaltung einkauft, fördert das Unternehmen die Tierquälerei und trägt zur Aufrechterhaltung einer nicht mit Artikel 20a Grundgesetz vereinbaren Haltungsform bei.” Mit diesem Artikel kam 2002 der Tierschutz in das Grundgesetz und wurde in den Rang eines Staatsziels erhoben.
Auch die Tierärztin Claudia Preuß-Ueberschär stützt diese Sicht: „Wenn angeborene Verhaltensweisen anhaltend und erheblich eingeschränkt werden, wie es bei der Anbindehaltung der Fall ist, ist auch davon auszugehen, dass dies mit erheblichen und andauernden Leiden verbunden ist”, so Tierärztin Claudia Preuß-Ueberschär. „Die saisonale Anbindehaltung ändert nichts an dem Leiden der Tiere. Ein betonierter Laufhof kann die Weide nicht ersetzen.”
Bärenmarke-Milch ist fast doppelt so teuer wie solche von Discounter-Marken, obwohl letztere häufig aus der besseren Haltungsform 3 stammt. In der Haltungsform 3 dürfen die Kühe nicht angebunden werden, sondern können sich frei bewegen und haben Zugang zu frischer Luft. Dies entspricht zwar immer noch nicht der Greenpeace-Forderung nach einer Weidehaltung, schließt aber die grausamste Art der Milchviehhaltung, die Anbindehaltung, aus. Das Ziel jedoch, so van Aken, müsse generell die Weidehaltung sein: “Kühe gehören auf die Weide. Das schont auch das Klima und erhält die Artenvielfalt. Nur das kann den hohen Preis von Bärenmarke-Milch rechtfertigen.”
Alltag in Ställen, die Bärenmarke-Werke beliefern
Rechtsgutachten: Anbindehaltung verstößt gegen Tierschutzgesetz
Dass die Anbindehaltung gegen die zentrale Norm des § 2 des Tierschutzgesetzes verstößt und den Straftatbestand des § 17 TierSchG erfüllen kann, zeigt ein von Greenpeace im April 2023 veröffentlichtes Rechtsgutachten zur Haltung von Milchkühen. Darüber hinaus fehlen bislang jedoch konkrete Vorgaben, die die Haltung von Milchkühen gesetzlich regeln. Die gibt es bislang nur für Kälber, die jünger als sechs Monate alt sind. Das heißt also, dass die gängige Anbindehaltung bislang nicht gesetzlich verboten ist, aber laut Rechtsgutachten gegen den Tierschutz verstößt. Die Rechtsprechung teilt diese Auffassung weitgehend, etwa in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom Februar 2022. Diesem Widerspruch will die Bundesregierung nun zumindest in Teilen begegnen. Die Ampel-Regierung will laut Koalitionsvertrag bestehende Lücken in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung (Tier-SchNutztV) schließen und das Tierschutzgesetz (TierSchG) verbessern. Zwar soll im aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom Februar 2024 die ganzjährige Anbindehaltung verboten werden, allerdings erst nach einer zehnjährigen Übergangsfrist. Wie dringend Handlungsbedarf besteht, untermauern die Fotos, die Greenpeace im Februar und April zugespielt wurden.
Die meisten Kühe in Anbindehaltung in Deutschland sind nach Zahlen des Thünen-Instituts das ganze Jahr über angebunden. 30 Prozent der Tiere trifft es saisonal: also bis zu acht Monate durchgehend fixiert und den Rest der Zeit auf der Weide oder mit etwas Bewegungsraum im betonierten Laufhof. Auch das verstößt in der Regel gegen das Tierschutzgesetz. Im Jahr 2020 hielten mehr als ein Drittel aller knapp 50.000 Milcherzeuger:innen ihre Milchkühe in Anbindehaltung. In den vergangenen Jahren wurden zwar stetig weniger Kühe angebunden gehalten. Nichtsdestotrotz leiden weiterhin zu viele Kühe unter dieser qualvollen Art der Haltung.
Und Bärenmarke? Die Molkerei Hochwald verkauft Milch ihrer Premiummarke Bärenmarke zu einem überdurchschnittlich hohen Preis und wirbt mit “artgerechter Haltung” und angeblich besonders hoher Qualität. Hinter glanzvoller Werbung versteckt das Unternehmen jedoch, wie dreckig es den Kühen meist geht. „Das ist ein Hohn“, sagt Lasse van Aken, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. „Wir sehen hier eine katastrophale Haltung mit strafrechtlicher Relevanz. Bärenmarke täuscht Verbraucher:innen, denn es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern den Alltag in den Ställen.“
(Der Artikel wurde am 6. März 2024 erstveröffentlicht und anschließend aktualisiert.)