
Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung
- Ein Artikel von Anja Franzenburg & Nina Klöckner
- mitwirkende Expert:innen Lasse van Aken & Stephanie Töwe
- Hintergrund
Die Schweinehaltung ist alles andere als rosig. Sie verstößt oft gegen den Tierschutz. Dabei ließe sich die Tierhaltung ändern – durch politische Maßnahmen und unseren Konsum.
Schweine sind nachweislich intelligent. Sie sind sauber und sozial – sofern sie artgerecht gehalten werden. Ein Großteil der Schweine leidet jedoch in engen, dreckigen Ställen mit Vollspaltenböden. Stroh zum Wühlen, getrennte Bereiche zum Fressen, Liegen und Koten, Platz zum Bewegen? Fehlanzeige.
Denn die Schweinehaltung ist auf die massenhafte Produktion von billigem Fleisch ausgerichtet. Was der Handel den Landwirt:innen zahlt, reicht nicht, um die Tiere besser zu halten. Zwar haben Supermärkte eine freiwillige fünfstufige Haltungskennzeichnung für Schweine-Frischfleisch eingeführt. Verbraucher:innen können also entscheiden, Fleisch zu kaufen, das etwas teurer ist, aber dafür aus besserer Haltung stammt. Die staatliche Kennzeichnung wurde dagegen von der neuen Regierung erst einmal auf März 2026 verschoben. "Damit Verbraucherinnen und Verbraucher gut informierte Kaufentscheidungen treffen können, müsste sich der neue Bundesernährungsminister mit Nachdruck dafür einsetzen, endlich die Haltungsbedingungen durch Kennzeichnung bei allen Fleisch- und Milchprodukten im Handel und in der Gastronomie transparent zu machen", sagt Greenpeace-Landwirtschafts-Experte Matthias Lambrecht. "Stattdessen führt Alois Rainer mit dem Beschluss, die staatlichen Kennzeichnung erneut aufzuschieben, die verfehlte Politik seiner Amtsvorgängerinnen und -vorgänger aus der Union fort, die eine verpflichtendes Tierhaltungs-Label seit 2009 immer nur angekündigt und nie geliefert haben." Die Folgen zeigen regelmäßige Greenpeace-Abfragen und Recherchen: Der Handel bezieht immer noch den allergrößten Teil seines Angebots aus den schlechtesten Haltungsstufen 1 und 2.
Massenhafte Produktion von Billigfleisch
Kein anderes europäisches Land produziert so viel Schweinefleisch wie Deutschland. Die Konsumgewohnheiten der Bevölkerung verändern sich zwar: Sie isst weniger Fleisch und greift häufiger zu pflanzlichen Alternativen. Seit 2016 ging der Konsum jedes Jahr zurück, nur 2024 ist er leicht angestiegen. Dennoch werden immer noch unvorstellbar viele Schweine in Deutschland gehalten und geschlachtet: 44,6 Millionen waren es 2024 – allein 20 Prozent gehen in den Export. Etliche Tiere überleben die Mast erst gar nicht: Sie liegen entweder tot im Stall oder müssen notgetötet werden, weil ihr Zustand zu schlecht ist. Nicht nur die Bedingungen im Stall sind dafür ursächlich, sondern auch die hochgezüchteten Schweinerassen.
Robuste Schweinerassen wie das Mangalitza-Wollschwein oder das Angler Sattelschwein, die bei Wind und Wetter draußen im Boden nach Wurzeln, Kastanien oder Würmern wühlen, sind durch empfindliche, auf Fleischmenge gezüchtete Tiere ausgetauscht. Die Tiere sind anfälliger für Krankheiten; die Enge in den Ställen fördert zudem die Ansteckung. Das überleben viele Schweine nicht, trotz der weit verbreiteten Gabe von Antibiotika. Was wiederum zu weiteren Problemen führt: Greenpeace hat über viele Jahre immer wieder antibiotikaresistente Keime in der Gülle oder auf Fleisch nachgewiesen – ein riskantes Spiel mit unserer Gesundheit. Doch zurück zum Leid der Schweine.
Missstände in der Schweinehaltung
In den vergangenen Jahrzehnten dominierten in der Schweinehaltung drei besonders massive Missstände: Kupieren, Kastration und Kastenstand. Inzwischen gibt es einige Verbesserungen. So ist die betäubungslose Kastration seit 2021 verboten. Es bleibt aber immer noch viel zu tun:
Kupieren des Ringelschwanzes: Immer noch wird vielen Ferkeln kurz nach der Geburt der Ringelschwanz abgeschnitten. Eine Maßnahme, die im direkten Zusammenhang mit der Haltung steht: zu viele Tiere auf zu engem Raum – ohne Auslauf und Beschäftigung. Denn durch die Enge entwickeln die Tiere Verhaltensstörungen und beißen sich unter anderem die Ringelschwänze blutig. Statt jedoch die Haltung der sensiblen Tiere zu verändern, werden die Schweine an das grausame System angepasst: Die Ringelschwänze werden gekürzt, damit Artgenoss:innen nicht mehr hineinbeißen können. Das Verstümmeln durch Kupieren ist in der EU schon seit 1994 untersagt. Deshalb hat die EU-Kommission 26 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, aufgefordert, einen Aktionsplan mit verbindlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechtsvorgaben vorzulegen. Seit 2018 ist der Aktionsplan in Kraft. Allerdings müssen Landwirt:innen lediglich nachweisen, dass eine Haltung ohne kupierte Ringelschwänze für sie oder ihren Ferkelerzeuger nicht machbar ist und dürfen somit auch weiterhin kupierte Schweine halten. Die Ausnahme bleibt nach wie vor die Regel.
Kastenstand oder “Schweine in Käfighaltung”: Der Kastenstand ist ein enger Metallkäfig, der trächtige oder säugende Sauen über Wochen fixiert. Wollen die Sauen sich hinlegen, gelingt das nur, indem sie ihre Beine in den benachbarten Käfig strecken – in dem wiederum das nächste Muttertier untergebracht ist. Die Tiere geraten – eingezwängt und in direktem Kontakt mit der Sau im Nachbarkäfig – in massiven Stress. Fleischwunden, Schaum vor dem Maul und unruhiges Kauen (Leerkauen genannt) sind häufige Folgen. Einige Betriebe hatte Greenpeace in den Jahren 2017 und 2018 angezeigt, weil sie sogar die in der Nutztierhaltungsverordnung angegebene Mindestbreite der Boxen unterlaufen hatten. Fotos, die Greenpeace zugespielt wurden, dokumentieren das Leid der Sauen.

© Greenpeace
Sauen in einem Massentierhaltungsbetrieb in Thüringen. Die Fotos sind Greenpeace 2018 zugespielt worden.
Im Jahr 2021 hat der Gesetzgeber die Nutztierhaltungsverordnung überarbeitet und damit neue Regeln für die Haltung von Sauen auf den Weg gebracht. Diese betreffen vor allem die stark umstrittene Haltung der Sauen in Kastenständen. Sie wird künftig nur noch stark eingeschränkt zulässig sein. Für Betriebe, die neu- oder umbauen, greifen die Kastenstandsregeln sofort, alle anderen haben eine mehrjährige Übergangszeit bis 2029. Im Abferkelstall müssen die Kastenstände laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht ganz abgeschafft werden. Die Sauen dürfen dort in Zukunft fünf statt 35 Tage fixiert werden. Hier haben die Betriebe sogar bis Anfang 2036 Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen einzustellen.
Greenpeace-Gutachten belegt Verstoß gegen den Tierschutz
Wie Schweine in Deutschland gehalten werden dürfen, ist in der Nutztierhaltungsverordnung geregelt: Einem 110-Kilo-Mastschwein stehen laut Verordnung lediglich 0,75 Quadratmeter Platz im Stall zu. Dass diese zwar erlaubte Art der Schweinehaltung gegen den Tierschutz und somit gegen die Verfassung verstößt, hat Greenpeace mit einem Rechtsgutachten zur konventionellen Schweinemast im Jahr 2017 gezeigt.
So erfüllt die Nutztierhaltungsverordnung nicht die im Tierschutzgesetz verankerte Pflicht, Tiere angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen. Nicht nur die Enge, auch die unnatürliche Leibesfülle verhindert, dass sich die Tiere ausreichend bewegen können. Tägliche Gewichtszunahmen bis zu einem Kilogramm führen bei den Tieren zur Überlastung von Bewegungsapparat und Herz-Kreislauf-System. Schmerzen und Krankheiten sind die Folgen.
Dürften Schweine ihre Bedürfnisse ausleben, würden sie ihren Rüssel für die Suche nach Leckereien in die Erde stecken. Oder sich im Schlamm suhlen, um sich abzukühlen, denn Schweine schwitzen nicht. Und wenn sie sich hinlegen, dann ganz sicher nicht in den eigenen Kot, wie es in den Ställen oft der Fall ist – Schweine trennen Kot-, Fress- und Liegeflächen.

© Greenpeace
Viele der Masttiere zeigen Verhaltensstörungen: Sie kauen an den Käfigstangen, hocken apathisch im Hundesitz oder neigen aus lauter Aggression dazu, sich gegenseitig anzufressen.
Da der Tierschutz in der Verfassung verankert ist, ist ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz auch gleichzeitig einer gegen die Verfassung. Auf Grundlage des Greenpeace-Rechtsgutachtens zur verfassungswidrigen Haltung von Schweinen hat der Berliner Senat eine Normenkontrollklage eingereicht. Dies ist Organisationen wie Greenpeace oder Einzelpersonen nicht möglich – Bundesländern aber schon. Seit dem Jahr 2019 liegt der Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht und wartet auf eine Entscheidung.

„Ein fortschrittliches Urteil würde die Schweinemast deutlich verändern. Das hätte auch Auswirkungen auf die Tierzahlen, es müssten weniger Tiere gehalten werden, um den angemessenen Tierschutz umsetzen zu können. Landwirt:innen müssten bei der Umstellung und dem Abbau der Tierzahlen aber unterstützt werden. In Supermärkten könnte eine umfassende Kennzeichnung von tierischen Produkten helfen sowie faire Preise für Erzeuger:innen.”
Für mehr Tierwohl: weniger Schweine, mehr Transparenz für Verbraucher:innen
Den Tierbestand zu reduzieren, um für mehr Tierwohl in den Ställen zu sorgen, war auch eine zentrale Forderung der sogenannten Borchert-Kommission. Das Expert:innen-Gremium wurde nach seinem Vorsitzenden, dem Bundeslandwirtschaftsminister a. D. Jochen Borchert benannt und war im Jahr 2019 von der damaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ins Leben gerufen worden, um die Bundesregierung beim Umbau der Tierhaltung zu beraten. Weniger Tiere, eine Tierwohlprämie sowie eine Kennzeichnung von tierischen Produkten waren zentrale Empfehlungen. Damit die Landwirt:innen nicht auf den Kosten sitzenbleiben, schlugen die Mitglieder vor, den Um- und Neubau von Ställen zu fördern – was drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten würde. Passiert ist jedoch kaum etwas. Ernüchtert löste sich die Borchert-Kommission nach etwa vier Jahren selbst auf. Auch der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enttäuscht und geht drängende Herausforderungen nicht an.

© Paul Lovis Wagner / Greenpeace
Mit einem drei Meter hohen aufblasbaren Schwein in einem Kastenstand fordern Greenpeace-Aktive zu Beginn der Sonder-Agrarministerkonferenz am 5. Mai 2023 ambitioniertere Veränderungen in der Tierhaltung und Haltungskennzeichnung.
Welchem Schweinefleisch-Siegel kann ich vertrauen?
Die staatliche Kennzeichnung für Schweinefleisch ist auf März 2026 verschoben. Es gibt also immer noch kein einheitliches staatliches Siegel. Dafür aber jede Menge Qualitätssiegel von der Wirtschaft. Selbst wenn auf dem Fleisch im Kühlregal Label wie „DLG-Gold“, „QS – Ihr Prüfsystem für Lebensmittel“ oder „Tierwohl“ kleben, ging es dem Schlachttier vorher nicht unbedingt gut. Der Siegel-Check von Greenpeace zeigt: Nur wenige Gütesiegel auf Fleisch geben wirklich Auskunft darüber, wie die Tiere gehalten, ob Gen-Futter und Antibiotika eingesetzt wurden. Irreführend ist besonders die Initiative „Tierwohl“ des deutschen Einzelhandels. Die so gekennzeichneten Produkte stammen nur zu einem kleinen Teil aus Ställen der Initiative selbst. Zudem liegen die Ansprüche nur geringfügig oberhalb der gesetzlichen Mindeststandards. Ringelschwänze dürfen kupiert werden, Auslauf ist kein Muss und Gen-Futter ist erlaubt.

„Greenpeace setzt sich für eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung ein. Nur so können Verbraucher:innen den Unterschied erkennen und entscheiden, welche tierischen Produkte sie essen wollen.“
Generell wäre es besser, tierische Produkte wie Fleisch, Milch oder Eier nur selten und aus guter Haltung zu beziehen. Zertifizierungen und Gütesiegel wie Demeter, Bioland, Naturland oder Neuland stehen für eine bessere Tierhaltung.
Regenwald im Futtertrog
Zusätzlich zu diesen direkten Problemen mit der Schweinehaltung ist auch der Futtermittelanbau problematisch. Denn für die Millionen Schweine in der Landwirtschaft hierzulande stehen nicht genügend Flächen für den Anbau eiweißreicher Futtermittel wie Soja zur Verfügung. Doch die Importe aus Übersee haben Folgen für Wald, Klima und Gesundheit. In südamerikanischen Ländern wie Brasilien werden für den Anbau von Soja großflächig Wälder, darunter auch Regenwald, und ökologisch wertvolle Flächen zerstört. Zudem kommt es auf den Soja-Plantagen zu einem massiven Einsatz gefährlicher Ackergifte wie Glyphosat.
Greenpeace fordert:
- Eine Verschärfung der gesetzlichen Haltungsbedingungen für Mastschweine und Sauenhaltung
- Eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte im Handel und in der Gastronomie
- Die Sauen- und Ferkelhaltung muss in die Haltungskennzeichnung mit aufgenommen werden
- Der Lebensmitteleinzelhandel muss konsequent tierschutzwidrige Produkte auslisten, also die Haltungsstufen 1 und 2 sowie ungekennzeichnete Ware
