Das UN-Hochseeschutzabkommen – eine Chance für die Meere
- Ein Artikel von Dr. Eva Boller
- mitwirkende Expert:innen Franziska Saalmann
- Hintergrund
Historischer Moment: Das UN-Hochseeschutzabkommen tritt am 17. Januar 2026 in Kraft.
© Greenpeace
"Protect the Oceans"-Projektion auf das UN-Hauptgebäude in New York im März 2023
Nach fast 20 Jahren zäher Verhandlungen hat das UN-Hochseeschutzabkommen (auch „Global Ocean Treaty“ oder BBNJ (Biodiversity Beyond National Jurisdiction)-Abkommen genannt) nun die entscheidende Schwelle von 60 teilnehmenden Ländern erreicht. Damit wird der Vertrag am 17. Januar 2026 offiziell in Kraft treten – ein historischer Moment für den Schutz unserer Ozeane.
Das Abkommen schafft erstmals einen rechtsverbindlichen Rahmen, um die internationalen Gewässer – die zwei Drittel der Weltmeere ausmachen – effektiv zu schützen und zu managen. Bislang sind lediglich 0,9 % der Hohen See wirkliche Schutzgebiete. Um das international vereinbarte Ziel von 30 % Meeresschutz bis 2030 (#30x30) zu erreichen, müssen Regierungen in den kommenden fünf Jahren jedes Jahr über 12 Millionen km² neue Schutzgebiete ausweisen – jedes Jahr eine Fläche größer als Kanada.
Warum das Abkommen so wichtig ist
- Die Hohe See ist Lebensraum für unzählige Arten und spielt eine zentrale Rolle im Klimasystem. Die Meere stabilisieren das Klima: Ozeane absorbieren rund 30 % der menschlichen CO₂-Emissionen und über 90 % der menschengemachten Wärme aus der Atmosphäre.
- Die Meeresökosysteme brauchen wirksamen Schutz vor Gefährdungen wie Überfischung und Verschmutzungen, die den Ozeanen bereits enorm zusetzen. Intakte Ökosysteme geben auch eine höhere Widerstandsfähigkeit vor den Auswirkungen der Klimakrise.
- Staaten werden durch das Abkommen Aktivitäten mit potenziell schädlichen Auswirkungen künftig auf ihre Umweltverträglichkeit prüfen müssen.
- Das Abkommen eröffnet die Möglichkeit, Schutzgebiete auf wissenschaftlicher Grundlage auszuweisen.
Die nächsten Schritte
- In 120 Tagen nach der 60. Ratifizierung tritt das Abkommen in Kraft: am 17. Januar 2026.
- 2026 wird voraussichtlich die erste “Ocean COP” - stattfinden – die erste Vertragsstaatenkonferenz, auf der konkrete Schutzgebietsvorschläge vorgelegt und später auch beschlossen werden können.
- Staaten, die bis zur 1. COP (1. Vertragsstaatenkonferenz) nicht ratifiziert haben, werden keinen Platz am Verhandlungstisch haben und dort nicht mitentscheiden können. Deutschland gehört bislang leider noch zu den Nachzüglern – das muss sich dringend ändern!
Greenpeace fordert:
- Schnelle Ratifizierung durch Deutschland, um bei der ersten Ocean COP mitentscheiden zu können und das Abkommen mit Leben zu füllen.
- Echte Schutzgebiete statt Papiertigern: Nur vollständig oder streng geschützte Gebiete können Artenvielfalt und Klima wirksam sichern.
- Globale Gerechtigkeit: Unterstützung für Länder des Globalen Südens durch Finanzierung, Technologietransfer und Kapazitätsaufbau, z. B. für Aufbau und Management von Schutzgebieten, Forschung und Monitoring.
- Mehr Länder, die sich neben dem Hochseeschutzabkommen auch für ein Moratorium für Tiefseebergbau stark machen, um neue Zerstörung der Ozeane zu verhindern.
“Das Inkrafttreten des Hochseeschutzabkommens ist ein Meilenstein in der Geschichte des Meeresschutzes. Jetzt beginnt die entscheidende Phase: vom Papier aufs Meer – hin zu echten, wirksamen Schutzgebieten, die Artenvielfalt bewahren, das Klima stabilisieren und die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen sichern.”
Wie ist das Abkommen zu bewerten?
- Ein Erfolg: Es liefert endlich den gesetzlichen Rahmen für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in internationalen Gewässern. Das ist die Grundlage, auf der die UN nun ein globales Netzwerk aus Schutzgebieten errichten kann, so wie es das 30x30 Ziel vorsieht. In diesen Schutzgebieten sollen menschliche Eingriffe wie Fischerei und andere industrielle Nutzung verboten sein. Ziel ist es, dass diese Gebiete bis 2030 mindestens 30 Prozent der Weltmeere abdecken. Es ist vor allem für die Regionen wichtig, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen. Denn: Rechtlich gesehen hat niemand einen Anspruch auf den großen Teil der Weltmeere. Nur im küstennahen Teil des Meeres, also bis zu 200 Seemeilen vom Land entfernt, hat der angrenzende Staat gewisse Hoheitsrechte. Hinter dieser „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ beginnt die Hohe See. Sie umfasst zwei Drittel der gesamten Ozeane und gehört niemandem – und damit letztlich allen.
- Die Krux: Das Abkommen macht solche Schutzgebiete zwar grundsätzlich möglich, die beteiligten Staaten müssen sich allerdings darauf einigen, wo und unter welchen Umständen sie errichtet werden sollen.
- Ein entscheidendes Detail: Das Abkommen legt eine Mehrheitsregelung fest. Somit können Gegenstimmen mögliche Schutzgebiete nicht schon mit einer Gegenstimme blockieren. Staaten, die in der Vergangenheit eine Blockadehaltung zeigten, können durch ein einzelnes Veto nun nicht mehr Mehrheitsbeschlüsse aufhalten. Ein Schlupfloch im Vertragstext erlaubt es den Staaten, unter bestimmten Umständen aus Meeresschutzgebietsverpflichtungen auszusteigen. Dann sind sie jedoch dazu verpflichtet, alternative Maßnahmen mit gleicher Wirkung zu ergreifen. Außerdem dürfen sie keine Schritte oder Handlungen vornehmen, die die Wirksamkeit des Schutzgebiets untergraben würden. Dabei besteht allerdings das Risiko von "Scheinschutzgebieten" Schutzgebiete, die nur auf dem Papier existieren, im Gelände aber nicht wirksam geschützt werden.
Chronologie des UN-Hochseeschutzabkommens
- 2005: Greenpeace legt erstmals einen Vorschlag für ein Hochseeschutzabkommen vor.
- 4. März 2023: Nach fast 20 Jahren Verhandlungen einigen sich die UN-Mitgliedsstaaten auf das Abkommen – ein historischer Durchbruch für den Meeresschutz.
- September 2023: Deutschland unterzeichnet das Abkommen durch die damalige Außenministerin Annalena Baerbock und die damalige Umweltministerin Steffi Lemke.
- Juni 2025, Nizza: Auf der dritten UN-Ozeankonferenz (UNOC) bleibt die politische Erklärung enttäuschend schwach. Fortschritte: Mehr Staaten wenden sich gegen Tiefseebergbau. Die Zielmarke von 60 Ratifizierungen wird jedoch verfehlt.
- 20. September 2025: Die entscheidende Schwelle ist erreicht: Mit den Ratifizierungen von Sierra Leone, St. Vincent und den Grenadinen sowie Marokko sind nun 60 Staaten an Bord. Das Abkommen tritt am 17. Januar 2026 in Kraft.
30x30 From Global Ocean Treaty to Protection at Sea
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30x30 Ozeanvertrag-Schutz auf See – Deutsche Zusammenfassung
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© Greenpeace
Karte der vorgeschlagenen Meeresschutzgebiete