
Das UN-Hochseeschutzabkommen – eine Chance für die Meere
- Ein Artikel von Andi Nolte
- mitwirkende Expert:innen Franziska Saalmann
- Hintergrund

© Greenpeace
"Protect the Oceans"-Projektion auf das UN-Hauptgebäude in New York
Nach fast 20 Jahren Einsatz für den Meeresschutz haben sich die UN 2023 auf ein internationales Hochseeschutzabkommen geeinigt. Nun läuft die Ratifizierung.
Der 4. März 2023 geht im Einsatz für den Meeresschutz in die Geschichte ein:Die UN einigten sich auf ein globales Hochseeschutzabkommen. Im September 2023 haben die ehemaligen Ministerinnen Annalena Baerbock und Steffi Lemke (beide Grüne) im Auftrag der deutschen Bundesregierung das UN-Hochseeschutzabkommen unterzeichnet, das der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt wurde. Doch die entscheidende Ratifizierung steht noch immer aus. Derzeit stehen lediglich 2,7 % der weltweiten Meere vollständig oder weitgehend unter Schutz vor menschlichen Eingriffen – in den internationalen Gewässern jenseits nationaler Hoheitsgebiete sind es sogar nur 0,9 %. Nach Berechnungen von Greenpeace würde das 30-by-30-Ziel beim derzeitigen Tempo, in dem neue Schutzgebiete ausgewiesen werden, erst im Jahr 2107 erreicht werden.
Die Weltozeankonferenz in Nizza 2025
Das ist wichtig bei der UNOC 2025:
Am 9. Juni 2025 begann die dritte UN-Ozeankonferenz (UNOC) im französischen Nizza. Über 60 Staats- und Regierungschefs sind anwesend – und damit gibt es die Chance auf einen historischen Schritt zum Schutz unserer Meere. Doch die aktuell vorliegende Entwurfsfassung der politischen Erklärung bleibt dramatisch hinter den Erwartungen zurück. Der vorliegende Entwurf der politischen Erklärung ist aus Sicht von Greenpeace inhaltlich schwach, enthält keine konkreten Zusagen und stellt im Vergleich zu früheren Fassungen sogar einen Rückschritt dar.
Zentrale Kritikpunkte am aktuellen Entwurf:
- Tiefseebergbau: Kein Wort zu einem Moratorium, keine Erwähnung des Vorsorgeprinzips.
- UN-Hochseeschutzabkommen: Keine klare Aufforderung an die Staaten, das Abkommen zügig zu ratifizieren – obwohl das Ziel von 60 Ratifizierungen bis zur Konferenz voraussichtlich verfehlt wird.
- Derzeit stehen lediglich 2,7 % der weltweiten Meere vollständig oder weitgehend unter Schutz vor menschlichen Eingriffen – in den internationalen Gewässern jenseits nationaler Hoheitsgebiete sind es sogar nur 0,9 %. Nach Berechnungen von Greenpeace würde das 30-by-30-Ziel beim derzeitigen Tempo erst im Jahr 2107 erreicht.
- Die Europäische Kommission und sechs EU-Mitgliedstaaten haben am Mittwoch, den 28. Mai, im Rahmen einer gemeinsamen Zeremonie ihre Ratifikationsurkunden zum UN-Hochseeschutzabkommen bei den Vereinten Nationen in New York hinterlegt (Zypern, Finnland, Ungarn, Lettland, Slowenien und Portugal). Damit reihen sich diese EU-Staaten ein in eine weltweite Allianz von 28 Vorreiterländern.
- 30x30-Ziel: Kein Bezug zur Umsetzung des international vereinbarten Ziels, bis 2030 30 % der Meere unter Schutz zu stellen – obwohl das Hochseeschutzabkommen das entscheidende Werkzeug dafür ist.
- Plastikverschmutzung: Keine Aussage zur dringend nötigen Reduktion der Plastikproduktion.
- Menschenrechte und Arbeitsbedingungen in der Fischerei: Kein Hinweis auf Missstände bei Hochsee-Fischereiflotten oder auf Schutz besonders sensibler mariner Lebensräume.
- Finanzierung: Keine neuen konkreten Zusagen für Meeres- oder Küstenschutz.

Die UN-Ozeankonferenz hätte der Moment sein sollen, in dem Regierungen Fahrt aufnehmen, Verantwortung zeigen und handeln. Stattdessen ist die politische Erklärung ein Dokument der vertanen Chancen geworden – ohne klare Ziele und Verbindlichkeit. Wenn sich an diesem Kurs nichts mehr ändert, dann wird diese Konferenz nur ein weiteres internationales Treffen mit Buffet.
Das UN-Hochseeschutzabkommen – ein großer Erfolg und trotzdem erst der Anfang

© Andrew McConnell / Greenpeace
Greenpeace-Aktivisten schleppen einen Fender mit der Aufschrift "Ocean Destroyer". In einem friedlichen Protest versuchten die Aktivisten, den Fender an das Fischerei-Kühlschiff Taganrogskiy Zaliv zu übergeben.
Bereits 2005 hatte Greenpeace einen ersten Vorschlag vorgelegt und sich seitdem gemeinsam mit Verbündeten für die Umsetzung eingesetzt. Der Beschluss war ein Meilenstein auf dem Weg, das große Ziel zu erreichen: 30 Prozent der Weltmeere bis 2030 zu schützen. Im nächsten Schritt prüfen einzelne Staaten den beschlossenen Vertragstext juristisch und ratifizieren ihn. Ob China und Russland das Abkommen ratifizieren werden, ist offen. Das UN-Hochsee Schutzabkommen tritt offiziell in Kraft, wenn mindestens 60 Regierungen zugestimmt haben. Wie viele es bisher sind, zeigt unsere Karte (s.u.).
Wie ist das Abkommen zu bewerten?
- Ein Erfolg: Es liefert endlich den gesetzlichen Rahmen für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in internationalen Gewässern. Das ist die Grundlage, auf der die UN nun ein globales Netzwerk aus Schutzgebieten errichten kann, so wie es das 30x30 Ziel vorsieht. In diesen Schutzgebieten sollen menschliche Eingriffe wie Fischerei und andere industrielle Nutzung verboten sein. Ziel ist es, dass diese Gebiete bis 2030 mindestens 30% der Weltmeere abdecken. Es ist vor allem für die Regionen wichtig, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen. Denn: Rechtlich gesehen, hat niemand einen Anspruch auf den großen Teil der Weltmeere. Nur im küstennahen Teil des Meeres, also bis zu 200 Seemeilen vom Land entfernt, hat der angrenzende Staat gewisse Hoheitsrechte. Hinter dieser „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ beginnt die Hohe See. Sie umfasst zwei Drittel der gesamten Ozeane und gehört niemandem – und damit letztlich allen.
- Die Krux: Das Abkommen macht solche Schutzgebiete zwar grundsätzlich möglich, die beteiligten Staaten müssen sich allerdings darauf einigen, wo und unter welchen Umständen sie errichtet werden sollen.
- Ein entscheidendes Detail: Das Abkommen legt eine Mehrheitsregelung fest. Somit können Gegenstimmen mögliche Schutzgebiete nicht schon mit einer Gegenstimme blockieren. Staaten, die in der Vergangenheit eine Blockadehaltung zeigten, können durch ein einzelnes Veto nun nicht mehr Mehrheitsbeschlüsse aufhalten. Ein Schlupfloch im Vertragstext erlaubt es den Staaten, unter bestimmten Umständen aus Meeresschutzgebietsverpflichtungen auszusteigen. Dann sind sie jedoch dazu verpflichtet, alternative Maßnahmen mit gleicher Wirkung zu ergreifen. Außerdem dürfen sie keine Schritte oder Handlungen vornehmen, die die Wirksamkeit des Schutzgebiets untergraben würden. Dabei besteht allerdings das Risiko von „Paper Parks“: Das sind Schutzgebiete, die nur auf dem Papier existieren, im Gelände aber nicht wirksam geschützt werden.

30x30 From Global Ocean Treaty to Protection at Sea
Dateigröße: 9.29 MB
HerunterladenFazit: Das UN-Hochseeschutzabkommen ist ein Meilenstein für den Schutz der Meere. Es bietet die Grundlage zur Einrichtung vollständig und hochgradig geschützter Meeresschutzgebiete in internationalen Gewässern. Aber: Menschliche Eingriffe wie Fischerei oder der Tiefseebergbau werden weiterhin durch die bestehenden Institutionen, wie die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) oder die regionale Fischerei Management Organisationen (RFMOs) geregelt. Diese versagen jedoch beim nachhaltigen Management. Stattdessen stehen oft wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Das Abkommen soll zwar die Zusammenarbeit und Koordination zwischen diesen Gremien verbessern, bindet sie aber nicht an einen regulativen Rahmen.
Greenpeace appelliert an die Internationale Meeresbodenbehörde, an die regionale Fischerei Management Organisation, ihre Sache ernst zu nehmen.

30x30 Ozeanvertrag-Schutz auf See – Deutsche Zusammenfassung
Dateigröße: 6.59 MB
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© Greenpeace
Karte der vorgeschlagenen Meeresschutzgebiete