Meeresschutz ist Gerechtigkeit
- Ein Artikel von Andi Nolte
- Hintergrund
Meeresschutz bewahrt Artenvielfalt – doch nicht nur das.
Der Schutz der Ozeane ist Teil einer gerechten Welt. Warum? Viele Küstengemeinden sind von industrieller Fischerei und Rohstoffausbeutung bedroht. Meeresschutz beinhaltet nicht nur den Naturschutz an sich. Es geht um mehr. Es geht um globale Gerechtigkeit, um Machtverhältnisse, um die Frage, wie wir wirtschaften – und wie nicht.
Tiefseebergbau: Koloniale Muster unter Wasser?
Eine neue Industrie kann alte Ungerechtigkeiten zurückbringen: Der geplante Tiefseebergbau könnte koloniale Ausbeutungsmuster im 21. Jahrhundert fortschreiben. Die meisten Unternehmen, die mit Tiefseebergbau beginnen wollen, stammen aus reichen Industrienationen. Viele rohstoffreiche Länder des Globalen Südens verfügen weder über die Technologie noch über die Mittel, um selbst in das Geschäft einzusteigen. Stattdessen suchen sie sich ausländische Firmen als Unterstützung – oft zu Bedingungen, von denen vor allem Konzerne profitieren.
Ein mahnendes Beispiel: Das geplante Tiefseebergbauprojekt „Solwara I“ des kanadischen Unternehmens Nautilus Minerals in den Gewässern Papua-Neuguineas. Es versprach wirtschaftlichen Aufschwung. Stattdessen ging das Unternehmen pleite und hinterließ einen Schuldenberg von 120 Millionen US-Dollar für die Regierung. Weitere Inselstaaten wie Palau, Fidschi und Samoa fordern deshalb ein Moratorium für Tiefseebergbau. Statt Meeresböden auszubeuten, braucht es eine gerechte Rohstoffwende: effiziente Kreislaufprozesse, weniger Konsum und Müll sowie klare und starke Menschenrechte.
Eine gerechte Zukunft für Alle
Sozial und ökologisch
Wir setzen uns für eine Welt ein, in der alle Menschen gleiche Chancen erhalten. Macht, Besitz und Wohlstand müssen weltweit und generationenübergreifend gerechter verteilt sein. So sorgen wir dafür, dass die einen nicht unter dem Lebensstil der anderen leiden müssen. Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit sind eng miteinander verbunden – beide zu beenden ist Klimagerechtigkeit.
Für einen Systemwandel
Unsere Wirtschafts- und Lebensweisen stehen an einem Wendepunkt. Wir haben die Wahl, ob er durch Krisen erzwungen wird oder ob wir ihn bewusst und verantwortungsvoll gestalten. Jetzt ist der Moment, aktiv einzuschreiten und die Grundlagen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu legen. Wir bezeichnen diesen Prozess als „sozial-ökologische Transformation“. Mehr dazu hier.
Fischerei: Ungleichgewichte im System
Über ein Drittel der kommerziell genutzten Fischbestände weltweit gilt als überfischt. Große Teile der Fangmengen landen dabei gar nicht direkt auf unseren Tellern, sondern werden zu Fischmehl und -öl verarbeitet: als Futter für die Tierhaltung, für Heimtiere – oder für Fische in Aquakultur. Hinzu kommt der Beifang, der jährlich bis zu 40 Millionen Tonnen ausmacht – ein gigantisches Verbrechen an der Meeresumwelt.
Dafür ist insbesondere der globale Norden verantwortlich: Beispielsweise sind knapp 80 Prozent der Fischprodukte, die in Deutschland konsumiert werden, importiert. Häufig aus Regionen, in denen Menschen auf Fisch als Nahrungsquelle angewiesen sind: Die Ernährungssicherheit im Globalen Süden wird geopfert für den Wohlstand des Nordens.
Eine sozialökologische Transformation der Fischerei heißt deshalb: weg vom Prinzip „immer mehr“, hin zu gerechten und ökologisch tragfähigen Nutzungsmodellen. Dazu gehört, dass wir wegkommen vom zerstörerischen industriellen Fischfang und stattdessen kleinbäuerliche und handwerkliche Fischerei im Globalen Süden stärken sowie Alternativen zum Fischkonsum fördern. Es geht nicht um individuelle Schuld, sondern um ein System, das Ressourcen ungerecht verteilt – und das wir verändern können. Gerechtigkeit beginnt auch auf See.
Korallensterben: Ozeane am Limit
Die Klimakrise ist ungerecht: Die Länder, die am wenigsten dazu beigetragen haben, leiden am meisten unter den Folgen. Ein Beispiel ist, dass durch die Versauerung der Meere die Korallenriffe sterben. Dabei sind sie weitaus mehr als atemberaubende Unterwasserwelten – sie sind Lebensgrundlage für Millionen von Menschen. In vielen tropischen Regionen dienen die in ihnen vorkommenden Fischbestände als wichtigste Nahrungsquelle und sichern das Einkommen ganzer Küstengemeinden.
Doch Riffe schützen nicht nur den Lebensunterhalt, sondern auch das Leben selbst: Als natürliche Barrieren mildern sie die zerstörerische Kraft von Stürmen und schützen Küsten vor Erosion. Besonders deutlich wurde das bei dem Tsunami im Indischen Ozean 2004. Studien zeigen: Küsten, die noch über intakte Korallenriffe und Mangrovenwälder verfügten, waren besser geschützt als andere. Korallenriffe zu erhalten ist also nicht nur wichtig für den Schutz unserer Biodiversität – es ist ein Akt globaler Gerechtigkeit.