Korallen – Ein tropisches Farbenparadies stirbt
- Ein Artikel von Andi Nolte & Dr. Eva Boller
- mitwirkende Expert:innen Franziska Saalmann
- Hintergrund
Die prächtige Welt der Korallenriffe ist bedroht: Durch die Erderhitzung kollabieren die empfindlichen Riffe. Mit ihnen verschwindet ein unverzichtbares Ökosystem.
Die Sonne brennt auf das glitzernde Wasser der Ostküste Australiens, doch unter der Oberfläche droht eine Katastrophe: Das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, verliert immer mehr seiner farbenprächtigen Korallen. Im vergangenen Jahr fiel der Verlust so hoch aus wie nie seit Beginn der Messungen vor fast 40 Jahren – zumindest in zwei der drei untersuchten Regionen, wo die Korallenbedeckung dramatisch sank. Die Hauptursache ist eine durch die Klimakrise ausgelöste Massen-Korallenbleiche im vergangenen Jahr. Dies berichtet das Australian Institute of Marine Science (AIMS) in seinem aktuellen Jahresbericht.
Erster Kipppunkt des Erdsystems erreicht
Laut dem neuen Global Tipping Points Report 2025 ist die Lage noch alarmierender als bisher befürchtet. Über 160 internationale Forschende warnen, dass die Warmwasser-Korallenriffe ihren thermischen Schwellenwert bei rund 1,2 Grad Erderwärmung über dem vorindustriellen Niveau bereits überschritten haben. Die aktuelle globale Durchschnittstemperatur liegt bei 1,3 bis 1,4 Grad – das bedeutet: Das Kippen dieses Ökosystems ist mit mehr als 99 Prozent Wahrscheinlichkeit unumkehrbar, selbst wenn die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzt werden könnte.
Korallenriffe – bunte Unterwasserstädte der Meere
© Sumaryanto Bronto / Greenpeace
Das Great Barrier Reef dient als Lebensraum für eine Vielzahl an Lebewesen.
Korallenriffe sind die Lebensadern unserer Ozeane: Obwohl sie weniger als 1 Prozent des Meeresbodens bedecken, beherbergen sie rund 25 Prozent aller Meereslebewesen und dienen über einer Million Arten als Lebensgrundlage. Sie sind Kinderstuben für Fische, schützen Küsten vor Stürmen und Erosion und sichern das Einkommen lokaler Gemeinschaften. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen weltweit sind auf Korallenriffe angewiesen – für Nahrung, Einkommen und Schutz.
Diese biologischen Hotspots schützen Küsten vor Erosion, sind bedeutend für reichhaltige Entwicklung und Erholung der Fischpopulationen und bieten uns die Möglichkeit, die Wunder der Natur hautnah zu erleben. Doch leider stehen sie vor ernsthaften Bedrohungen durch Klimakrise und Umweltverschmutzung, die das fragile Gleichgewicht dieser einzigartigen Ökosysteme massiv gefährden. Steigende Wassertemperaturen lassen Korallen bleichen und sterben, während Plastikmüll und Schadstoffe ihre Lebensräume vergiften.
Warum Greenpeace konkrete Maßnahmen für den Meeresschutz fordert
Die Korallenriffe als die Lebensader der Ozeane
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Riffe: Machen weniger als 1 Prozent des Meerbodens aus, aber beherbergen 25 Prozent aller Artenvielfalt in den Meeren
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schützen Küsten vor Stürmen & Erosion
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liefern Einkommen für lokale Gemeinschaften
-> über eine halbe Milliarde Menschen sind von Riffen für Ernährung, Einkommen und Schutz abhängig
Das Korallensterben in Zahlen
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Im März 2024 wurde die vierte globale Massenbleiche festgestellt, im Great Barrier Reef 2025 sogar die sechste Massenbleiche
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Laut Wissenschaftler:innen gehen wahrscheinlich 70-90 Prozent aller Korallen weltweit verloren (selbst bei einer Erderwärmung unter 1,5 Grad)
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Mehr als die Hälfte des Korallenbestandes gilt als gefährdet
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Ohne Schutzmaßnahmen sind bis zum Ende des Jahrhunderts möglicherweise 99 Prozent der Korallen ausgestorben
Warum sind Korallenriffe auch für Menschen wichtig?
Korallenriffe sind weit mehr als nur atemberaubende Unterwasserwelten – sie sind von unschätzbarem Wert für Millionen von Menschen, deren Leben und Existenz direkt von diesen zerbrechlichen Ökosystemen abhängt. In vielen tropischen Regionen dienen Korallenriffe mit ihren Bewohnern als wichtige Nahrungsquelle und sichern den Lebensunterhalt von Fischereigemeinden. Der Verlust dieser Riffe bedeutet den Verlust einer Lebensgrundlage für diese Menschen, die keine Alternative haben.
Doch damit immer noch nicht genug: Korallen schützen Küstengemeinden vor den zerstörerischen Kräften von Stürmen und Erosion und bieten einen natürlichen Schutzschild, der Häuser, Felder und ganze Dörfer vor den Folgen des Klimakrise bewahren kann. Ihre Zerstörung ist also eine existentielle Bedrohung für die Menschen, die an diesen Küsten leben.
Das hat besonders der Tsunami 2004 gezeigt. Mit einer gewaltigen Wucht traf die Riesenwelle mehrere Länder im Indischen Ozean. Sie gilt als eine der größten Naturkatastrophen des 21. Jahrhunderts. Etwa 230.000 Menschen starben durch das Seebeben, etwa 2 Millionen verloren ihr Zuhause.
Untersuchungen zeigen, dass Küstengebiete mit vorgelagerten Korallenriffen und intakten Mangrovenwäldern dem Tsunami besser standgehalten hatten als vorgeschädigte Regionen. Ohne Korallenriffe verlieren diese Gemeinden ihren Schutz – und die Klimakrise wird ihre ohnehin schon verwundbare Situation weiter verschärfen. Sie zu bewahren, ist daher neben Umweltschutz, eine Frage der Gerechtigkeit und Solidarität mit den Menschen, die am meisten zu verlieren haben.
“Unsere Meere haben Fieber, und das Sterben der Korallen ist die tragische Folge dieser Krise. Weltweit geht die Wunderwelt der Korallen massenweise zugrunde, das muss wachrütteln. Wir brauchen jetzt schnelle, globale Maßnahmen gegen die Klimakrise. Denn Klimaschutz ist Meeresschutz.”
Was ist eine Korallenbleiche?
Wenn die Meere sich erwärmen, geraten die Korallen in große Schwierigkeiten – eine Art „Schockreaktion“ dieser zarten Unterwasserlebewesen. Bei steigenden Wassertemperaturen verlieren Korallen ihre leuchtenden Farben; und die Mikroalgen, die in Symbiose mit ihnen existieren, werden abgestoßen. Dieser Prozess, bekannt als Korallenbleiche, verwandelt die bunten Riffe in geisterhafte, weiße Strukturen, die zwar noch stehen, aber verwundet sind. Ohne die Mikroalgen, die den Korallen neben der Farbe insbesondere Nährstoffe liefern, sind sie anfällig für Krankheiten und das Überleben wird zur Herausforderung. Wenn die Erwärmung anhält, können ganze Riffe kollabieren. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit – die Schönheit und die Lebensvielfalt der Ozeane stehen auf dem Spiel.
Schon ein geringer Anstieg der Wassertemperatur im Sommer kann das empfindliche Gleichgewicht zwischen Koralle und ihrer symbiotischen Mikroalge massiv stören. Überschreitet die Wassertemperatur jedoch über längere Zeit einen kritischen Schwellenwert, droht eine unumkehrbare Korallenbleiche. Riffbildende Korallengedeihen optimal zwischen 23 °C und 29 °C. Durch die Meereserhitzung wird dieser Bereich aber immer öfter und länger überschritten. Eine Zeit lang können sie die Abwesenheit der Mikroalgen verkraften, aber wenn der Stressfaktor nicht nachlässt, stirbt das Tier ab.
Der Global Tipping Points Report macht klar: Entschlossenes Handeln gegen die Klimakrise und für den Schutz des Planeten ist wichtiger denn je, um das Kippen weiterer Systeme zu verhindern - vom Amazonas-Regenwald bis zu den Eisschilden der Pole.
Die Korallenriffe sind das erste Opfer einer sich überhitzenden Erde - und ein schrilles Alarmsignal. Doch wir können abwehren, dass der nächste Kipppunkt folgt. Jeder Bruchteil eines Grades zählt.