Die Biosprit-Lüge
Fossile Energien sind endlich, nachwachsende Energien nicht. Doch es gibt ein gewaltiges Platzproblem: Der zunehmende Anbau von Agrospritpflanzen benötigt viel Platz. Je mehr Agrar- und Urwaldflächen dem boomenden Geschäft mit Soja, Ölpalmen und Raps geopfert werden, desto mehr muss der Anbau von Nahrungspflanzen auf andere Gebiete ausweichen.
Das geht häufig zu Lasten von Wäldern, Grün- und Torfland, Feuchtgebieten sowie anderen empfindlichen Ökosystemen. Diese Vernichtung von Vegetation sowie die Trockenlegung von Böden hat fatale Folgen: Die klimaschädigenden Treibhausgas-Emissionen nehmen zu, Nahrungssicherheit und Biodiversität sinken, und darüber hinaus kann es zu unlösbaren Landnutzungskonflikten zum Nachteil der Menschen kommen, die von der traditionellen Landwirtschaft abhängig sind.
Biosprit ist nicht bio
"Biosprit" hört sich gut an: Es suggeriert umweltbewusstes Autofahren und klimaschonenden Treibstoff aus nachwachsenden Pflanzen. Doch die Vorstellung vom klimaneutralen Biosprit basiert auf einer Milchmädchenrechnung. Richtig ist, dass bei der Verbrennung im Auto nicht mehr Kohlendioxid frei wird, als die Pflanze vorher gespeichert hatte. Allerdings entscheidet die gesamte Produktionskette vom Anbau bis zur Zapfsäule - vom Düngemittel bis zur Weiterverarbeitung - über die Klimabilanz. Wichtig dabei: Was wuchs auf dem Land, auf dem nun Raps, Soja oder Zuckerrohr sprießen?
Wissenschaftler berechneten im Magazin "Science", dass durch die Umwandlung von Wäldern, Savannen und Mooren in Acker und Plantagen Kohlendioxidemissionen entstehen, die erst in einigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten wieder ausgeglichen sind: Im Falle der indonesischen Torfwälder müssten wir 420 Jahre mit Agrosprit fahren, bevor wir auch nur ein Gramm CO2 eingespart hätten.
Nach Aussagen der Biodieselhersteller wurden 2010 etwa 50 Prozent der Rohstoffe für die Agrosprit-Produktion importiert. Auch Greenpeace-Proben an deutschen Tankstellen zeigten, dass Biodiesel schon heute zu mindestens 20 Prozent aus Soja besteht. Eine Probe enthielt gar 75 Prozent Soja und 25 Prozent Palmöl und gar keinen Raps mehr.
Indonesien, Malaysien, Brasilien, Argentinien bauen diese Rohstoffe an. Die Auswirkungen sind bereits deutlich sichtbar: Weil der illegale Holzhandel außerdem schnellen Profit verspricht, werden neue Plantagen bevorzugt in Urwaldgebieten angelegt. Der Agrosprit-Boom verschärft soziale Probleme. Durch den Einsatz essbarer Rohstoffe für die Kraftstoffgewinnung sind Lebensmittel- und Energiepreise inzwischen miteinander verwoben. Wenn große Teile landwirtschaftlicher Flächen für Energiepflanzen genutzt werden, besteht Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln.
An diesen Problemen kann auch die Zertifizierung von Agrokraftstoffen nichts ändern. Zum einen werden noch Jahre ins Land ziehen, bis ein Zertifizierungssystem steht, das strengen ökologischen und sozialen Anforderungen gerecht wird. Außerdem müssten bei der Zertifizierung Nahrungs- und Futtermittel mit erfasst werden, damit sich das Problem nicht einfach verschiebt. Wie gut die Zertifizierung greift, hängt schließlich auch von Kontrollen ab.
(Stand 2014)