Jetzt spenden
Projektion an Kohlekraftwerk: RWE lügt
Bernd Lauter / Greenpeace

Rechtsgutachten: RWE-Rodungspläne im Hambacher Forst nicht zulässig

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Moralisch hat RWE im Hambacher Wald schon verloren, aber hat der Konzern tatsächlich juristische Rückendeckung? Zwei neue Papiere nähren massive Zweifel.

der Fall klar: Was vom Hambacher Wald noch übrig ist, wird für Braunkohle gerodet; Proteste hin oder her – das Recht sei da auf Seite des Konzerns. So bescheinigt es dem Energiekonzern jedenfalls der Zulassungsbescheid aus dem März dieses Jahres. Doch ganz so eindeutig ist die rechtliche Situation nicht, befindet ein Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace. Denn die Erlaubnis zu roden, ist an bestimmte Auflagen geknüpft – und die sind nicht erfüllt, sagt Anwältin Cornelia Ziehm.

In ebenjenem Zulassungsbescheid findet sich nämlich unter der Ziffer 23 folgender Passus: „Die Inanspruchnahme des Abbauvorfeldes* ist auf das betrieblich erforderliche Maß zu beschränken. Die ökologischen Funktionen sind möglichst lange zu erhalten.“ Schon deswegen ist der beabsichtigte Rodungsbeginn ab Oktober nicht rechtens.

Eigentor für RWE

Kurioserweise erschließt sich das aus einer Aussage, die von RWE selbst stammt. In einer Pressemitteilung, die RWE am 11. September herausgab, heißt es, Mitte Dezember sei „der theoretisch spätestmögliche Termin, um noch einen zeitgerechten Abschluss der Arbeiten (…) zu ermöglichen“. Mit einer Rodung ab Oktober wird die ökologische Funktion also nicht „möglichst lange“ erhalten, räumt das Unternehmen selbst ein.

So oder so bleibt RWE Zahlen schuldig, aus denen sich der Zeitplan des Konzerns nachvollziehbar erschließt. Lediglich enormen Zeitdruck macht RWE gerne glauben. Ebenfalls unter Ziffer 23 des Zulassungsbescheids ist nämlich festgeschrieben, dass wegen Natur- und Artenschutzbestimmungen nur zwischen dem 1. Oktober und dem 28. Februar gerodet werden darf. Das Unternehmen behauptet, die Ausweitung des Tagebaus auf dem Gebiet des Hambacher Waldes sei noch in dieser Periode notwendig, um die Stromproduktion in seinen Braunkohlekraftwerken zu sichern.

Ist die Zerstörung des Waldes „unerlässlich“?

Bereits älter sind die Richtlinien im Braunkohlenplan für Hambach: Sie stammen aus dem Jahr 1976. Darin heißt es: „In dem für die bergbauliche Nutzung ausgewiesenen Raum werden die land- und forstwirtschaftlichen Flächen im zeitlichen Ablauf des Braunkohlenabbaus nur in dem jeweils unerlässlichen Umfang in Anspruch genommen.“

Auf das Wort „unerlässlich“ kommt es an der Stelle an. Braucht RWE die Braunkohle aus dem Hambacher Wald wirklich? Das Unternehmen sagt, die Rodungen in dieser Saison seien unvermeidlich. Eine Stellungnahme des Bergbau-Beratungsunternehmens Plejades widerspricht entschieden: Der Braunkohletagebau Hambach ließe sich noch ein Jahr betreiben, ohne den Hambacher Wald zu roden.

Die Plejades-Stellungnahme identifiziert auf Basis aktueller Satellitenaufnahmen aus dem August 2018 drei Maßnahmen, mit denen sich der Betrieb weiterführen lässt, ohne dafür schon in diesem Jahr das uralte Waldgebiet abzuholzen.

Möglichkeiten nicht ausgeschöpft

Die Plejades-Fachleute gehen davon aus, dass RWE noch gar nicht so dicht am Hambacher Wald ist, dass der Konzern dort umgehend roden muss – das wäre der Fall, wenn die Abbaukante 250 Meter vom Wald entfernt läge. Liegt sie aber nicht. Sie ist derzeit zwischen 360 und 750 Metern weit weg, mit entsprechendem Spiel für den Kohleabbau dort. Des Weiteren kann RWE den Abbau optimieren, ohne die Tagebaukante anzurühren, und der Konzern kann verstärkt im nordöstlichen Teil des Tagebaues baggern.

Mit einer Kombination dieser drei Maßnahmen würde RWE genug Zeit gewinnen, um die Rodung im Hambacher Wald zumindest auf die nächste Saison zu verschieben – bis dahin können sich die energiepolitischen Vorzeichen aber schon wieder verschoben haben. Bestenfalls dahingehend, dass die Hambacher Kohle niemand will und braucht. „Wenn RWE die Kettensägen in den Wald schickt, bevor alle betrieblichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, torpediert der Konzern die Arbeit der Kohlekommission“, sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Energie.

Räumungen seit Donnerstag

Seit dem 13. September ist die Polizei in dem Wald in Nordrhein-Westfalen mit Wasserwerfern und schwerem Räumgerät im Einsatz. Wegen des tragischen Unfalltodes eines jungen Journalisten waren die Räumarbeiten unterbrochen worden. Vor Jahren haben Waldschützer hier Baumhäuser bezogen, um friedlich für den Erhalt des Waldstückes einzutreten; sie sollen nun weichen, um Rodungen zu ermöglichen und schließlich das Ausbaggern von Millionen Tonnen zusätzlicher Braunkohle. Der größte Teil des uralten Waldes ist dem Bagger bereits zum Opfer gefallen, die letzten Überbleibsel sollen folgen: Für Brennstoff, den niemand braucht, während zeitgleich die Kohlekommission über den längst überfälligen Ausstieg aus der schmutzigen Energieerzeugung verhandelt.

Bürger aus der Umgebung und Umweltschützer aus dem ganzen Land wollen den verbliebenen Wald retten und unterstützen mit ihrem Einsatz eine fortschrittliche Energiepolitik, die das Klima schützt statt ihm zu schaden: Zu einer Demo an diesem Wochenende kamen rund 7500 Menschen, mehr als 650.000 haben bereits die Petition für den Schutz des Hambacher Waldes unterzeichnet.

Stellungnahme des Beratungsunternehmens Plejades

Stellungnahme des Beratungsunternehmens Plejades

Anzahl Seiten: 10

Dateigröße: 1.12 MB

Herunterladen

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/offener-brief-merz

Werden Sie Klimakanzler, Herr Merz!

Als Wahlsieger muss Friedrich Merz (CDU) die Verantwortung für unseren Schutz vor der Klimakrise ernst nehmen. Er soll entscheidende Forderungen für unsere Zukunft in einem neuen Regierungsprogramm verankern.

Jetzt unterzeichnen
0%
vom Ziel erreicht
0
haben mitgemacht
0%
Schriftzug "Climate Crisis" vor Brandenburger Tor

Mehr zum Thema

Gletscherschmelze: der Gurgler 1932 - 2025

Gletscherschmelze: Berge ohne Eis

Neue erschreckende Bilder zeigen, wie die Erderhitzung Gletscher in Deutschland, Österreich und der Schweiz zerstört.

mehr erfahren über Gletscherschmelze: Berge ohne Eis
Protest in Dry River in the Amazon in Brazil

Dürre Zeiten

In Europa und weltweit leiden immer mehr Regionen an Trockenheit. Heiße Sommer lassen Böden, Wälder und Gewässer leiden, auch andere Jahreszeiten bleiben inzwischen oft zu trocken.

mehr erfahren über Dürre Zeiten
Martin Kaiser, Executive Director of Greenpeace Germany

"Pyrrhussieg der Fossilen"

Die UN-Klimakonferenz gab keine Antwort, wie wir schneller CO2-Emissionen senken und den Amazonas retten können. Und doch sieht Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand bei Greenpeace, Fortschritte.

mehr erfahren über "Pyrrhussieg der Fossilen"
Flut in Günzburg 2.6.24

Extremwetter - Wetterextreme

Überschwemmungen, Stürme und Dürren werden immer schlimmer. Im Sommer 2024 versank Europa mehrfach in sogenannten "Jahrhundertfluten", die Zahl der Hitzetoten steigt. Die Klimakrise ist längst da.

mehr erfahren über Extremwetter - Wetterextreme
Podium der 21. Klimaschutzkonferenz in Paris 2015

Internationale Klimakonferenzen

Schon in den siebziger Jahren erkannten Forschende: Der Klimawandel wird eine ernste, weltweite Bedrohung für Mensch und Natur. Daher wurde 1979 die erste Klimakonferenz in Genf einberufen. Ein historischer Überblick.

mehr erfahren über Internationale Klimakonferenzen
Messballon zur Beobachtung des Ozonlochs am nördlichen Polarkreis, Juni 1988

Ursache und Wirkung des Ozonlochs

Das Ozonloch beschäftigt Wissenschaftler:innen seit Jahrzehnten. Wir erklären, worum es sich dabei handelt und betrachten seinen aktuellen Zustand.

mehr erfahren über Ursache und Wirkung des Ozonlochs