Stiftung Familienunternehmen: das geheime Netzwerk der Superreichen
Petition unterzeichnen- Ein Artikel von Michelle Bayona
- mitwirkende Expert:innen Bastian Neuwirth
- Recherche
„Stiftung Familienunternehmen“: Der Name ist geschickt gewählt – er klingt nach Mittelstand, nach Tradition, nach über Generationen geführten kleinen oder mittelgroßen Betrieben. In Wahrheit aber steht die Stiftung für ein elitäres Netzwerk, das vor allem die Interessen der Reichsten vertritt.
Hinter verschlossenen Türen nutzen sie ihre Macht, um politische Entscheidungen in Berlin und Brüssel im Sinne ihrer Konzerne zu beeinflussen – auf Kosten von Klimaschutz und Steuergerechtigkeit. Wer dazugehört, zählte bislang zu den am strengsten gehüteten Geheimnissen der Stiftung und ihres politischen Ablegers, der „Stiftung Familienunternehmen und Politik“.
Greenpeace hat monatelang recherchiert, Gespräche mit Insider:innen geführt und Einblicke in interne Dokumente der Stiftung erhalten. Das Ergebnis: eine Liste mit 258 Familien und Konzernen, die dem Netzwerk der Stiftung zugeordnet werden können. Darunter die Reichsten der Reichen Deutschlands, die gerne außerhalb des Rampenlichts bleiben. Besonders brisant, wenn auch kaum verwunderlich: Fast 90 Prozent der identifizierten Unternehmen stammen aus besonders klimakritischen Wirtschaftszweigen, darunter Chemie, Automobilbau, Lebensmitteleinzelhandel oder dem Transportwesen. Hier geht es zum Report über die Stiftung Familienunternehmen und hier geht es zum Panorama-Beitrag zur Lobby für Superreiche.
“Die Stiftung Familienunternehmen ist ein mächtiger Blockierer für gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt in Deutschland. Unsere Recherchen zeigen, dass hinter der Stiftung ein Netzwerk von Superreichen steckt, deren geballte Lobbymacht dem Gemeinwohl schadet. Dass Milliardäre in Deutschland seit Jahrzehnten keine Vermögensteuer mehr zahlen müssen und das deutsche Lieferkettengesetz aufgeweicht wird, ist auch den Machenschaften der Stiftung geschuldet.”
Ein exklusiver Zirkel
Sie leben verschwenderisch, zahlen aber zu wenig zurück: Deutschlands Superreiche tragen durch ihren Lebensstil und ihre Investitionen erheblich zur Erderhitzung bei. Gleichzeitig leisten sie im Vergleich zu einer Mittelstandsfamilie nur einen geringen Beitrag in die Staatskassen. Das Ergebnis ist eine doppelte Schieflage: Während die Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit zunehmen, schont die Steuerpolitik auffallend die wenigen sehr reichen Familien des Landes. Und genau darauf arbeitet ihre Interessenvertretung, die Stiftung Familienunternehmen (SFU) und ihr Lobbyableger, die Stiftung Familienunternehmen und Politik (SFUP), seit Jahren hin.
SFU und SFUP - die beiden rechtlich eigenständigen Organisationen ähneln sich nicht nur im Namen. Interne Unterlagen zeigen: Ziele und personelle Besetzung sind größtenteils identisch. Der Einfachheit halber fassen wir die beiden Schwesterorganisationen im Folgenden unter der Nennung “Stiftung Familienunternehmen” zusammen.
Über 250 Unternehmen und Familiendynastien konnte Greenpeace dem geheimen Netzwerk zuordnen. Darunter Weltkonzerne wie BMW, Bosch, Henkel, Deichmann oder die Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland). Die vollständige Liste der von uns recherchierten 258 Unternehmen sowie die zugeordneten Familiendynastien sind im Greenpeace-Datenportal veröffentlicht.
Die Top 20
Enttarnt: Der Club der Superreichen
Die wichtigsten Zahlen der Recherche
- Greenpeace hat 258 Unternehmen und Familiendynastien im SFU/SFUP-Netzwerk identifiziert
- 82 Familien gehören zur Milliardärsriege – darunter die drei reichsten deutschen Clans Schwarz, Quandt/Klatten und Merck mit zusammen über 110 Milliarden Euro Vermögen
- 37 der dem SFU-Netzwerk zugeordneten Familien gehören zu den 100 reichsten Deutschen
- Je mehr als 100 Millionen besitzen fast drei Viertel der zugeordneten Familien
- Fast 90 Prozent der Unternehmen stammen laut Greenpeace-Berechnung aus besonders klimaschädlichen Wirtschaftszweigen
- 4,5 Mio. Euro Parteigroßspenden aus dem Netzwerk (2021–2025)
- 6,2 Mio. Euro für Lobbyarbeit in Deutschland (2022–2024)
Der Club der Superreichen: Recherche Stiftung Familienunternehmen
Anzahl Seiten: 38
Dateigröße: 5.51 MB
HerunterladenÜberproportional klimaschädlich
Eine detaillierte Greenpeace-Analyse zeigt: Knapp 90 Prozent der SFU-Unternehmen stammen aus klimaschädlichen Sektoren. Besonders stark vertreten sind emissionsintensive verarbeitende Gewerbe, wie die Auto- Chemie- und Pharmaindustrie sowie das Transport- und Bauwesen – also Branchen, die zu den größten Verursachern von Treibhausgasen und zu den Bremsern der Transformation gehören. Zukunftsbereiche wie IT, Bildung oder Gesundheit spielen dagegen eine verschwindend geringe Rolle.
Das Ergebnis ist eindeutig: Zwei Drittel der Unternehmen im SFU-Netzwerk fallen in die Kategorie „äußerst kritisch“, weitere 20 Prozent gelten als „kritisch“. Damit setzt sich das Netzwerk fast ausschließlich aus Branchen zusammen, deren Geschäftsmodell direkt von Klimaschutzauflagen betroffen wäre. Die überproportionale Präsenz dieser Industrien zeigt klar: Hier geht es darum, die klimaschädlichen Geschäftsmodelle einiger weniger Superreicher möglichst lange zu schützen.
Zur Methodik: Für die Untersuchung hat Greenpeace Branchenzuordnungen vorgenommen und sie gemäß dreier Emissionsindikatoren in verschiedene Kategorien eingeordnet – von „sehr klimakritisch“ über “klimakritisch” bis hin zu „weniger klimakritisch“. Dafür haben wir sie jeweils einem der 19 Wirtschaftszweige der EU-weit standardisierten Klassifikation von Wirtschaftszweigen (NACE) zugeordnet. Berücksichtigt wurden sowohl direkte Emissionen, für die die Unternehmen des Sektors unmittelbar verantwortlich sind und die von der europäischen Statistikbehörde Eurostat publiziert werden (Scope 1 und Scope 2 Emissionen). Weiterhin eingeflossen sind in die Bewertung aber auch die indirekten Emissionen aus der Nutzung ihrer Produkte (Scope 3 Emissionen).
Wie die Stiftung Familienunternehmen agiert
Der neue Greenpeace-Report listet anhand von Beispielen auf, wie professionell die Stiftung vorgeht, um im Interesse ihres reichen Klientels Einfluss bei Politik und Medien zu nehmen:
- Lobbyarbeit mit besten Drähten in die Spitzenpolitik
- Exklusive Events: Beim jährlichen „Tag des Familienunternehmens“ im Berliner Hotel Adlon treffen sich Milliardäre:innen und Konzernbosse mit Spitzenpolitiker:innen – zuletzt auch mit hochrangigen Vertreter:innen von Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium.
- Zweifelhafte Auftragsstudien: Mit Studien, die einseitige Methoden und eine selektive Datenauswahl nutzen, versucht sie zu politisch motivierten Ergebnissen zu gelangen
- Gezielte Diskurslenkung: Durch alarmistische PR-Kampagnen wie dem “SOS Wirtschaftswarntag” werden Ängste vor einem Niedergang der Wirtschaft geschürt, um z. B. die Senkung von Unternehmenssteuern durchzudrücken. Damit lassen sich nämlich die effektiven Steuersätze der Superreichen effektiv senken.
- Gezieltes Framing mit dem Begriff “Familienunternehmen” verschleiert die elitäre Ausrichtung der Stiftung.
- Medienpartnerschaften und Journalistenschulen: Nachwuchsreporter:innen werden adressiert und für die Belange von Familienunternehmen „sensibilisiert“. Gegen unliebsame Medienberichte Druck ausgeübt, sodass beispielsweise das ZDF den auf Youtube platzierten Film “Steuerparadies Deutschland? So viel kosten uns die Reichen” offline nahm.
Blockaden bei Steuern und Klima
Die Stiftung Familienunternehmen ist heute eine der mächtigsten Lobbyorganisationen in Deutschland – und ihre Erfolge sind hoch problematisch. Schon 2009 drängte sie eine Reform der Erbschaftsteuer durch, die es Milliardärsfamilien ermöglicht, riesige Betriebsvermögen nahezu steuerfrei weiterzugeben. Selbst der Spiegel sprach damals vom „größte[n] Lobbyerfolg in der Geschichte der Bundesrepublik“ – ein Erfolg, der vor allem den Reichsten nutzt und die Schieflage im Steuersystem weiter verschärft.
Heute geht die Organisation noch weiter: Im offiziellen Lobbyregister führt sie sogar die vollständige Abschaffung der Erbschaftsteuer als Ziel auf. Parallel bekämpft sie die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, die Milliardärsfamilien stärker in die Pflicht nehmen würde. Mit alarmistischen Szenarien und PR-Beiträgen wird die Steuer als angeblich „toxisch“ dargestellt – ein Argument, das vor allem den Reichsten nützt.
Auch beim Klimaschutz stellt sich die Stiftung quer. Sie lobbyiert gegen zentrale Klima- und Umweltschutzauflagen und entsprechende Berichtspflichten für große Unternehmen wie z. B. das Lieferkettengesetz. So sorgt das Netzwerk dafür, dass klimaschädliche Geschäftsmodelle weiterbetrieben werden können und riesige Milliardenvermögen vor Steuern verschont bleiben – auf Kosten der Allgemeinheit.
Die Greenpeace-Lösung: eine ökologische Milliardärssteuer
Superreiche profitieren von einem System, das Klima- und Umweltpolitik ausbremst und das Gemeinwohl schwächt. Greenpeace fordert die Einführung einer Milliardärssteuer, um Superreiche fair an den Kosten der ökologischen Modernisierung zu beteiligen. Eine Steuer von 2 Prozent auf hohe Vermögen ab 100 Millionen Euro würde Einnahmen von bis zu 200 Milliarden Euro bis 2030 erzielen. Geld, das wir dringend für den Klimaschutz und eine gerechte Zukunft brauchen. Sie würde weniger als 5.000 Haushalte in Deutschland betreffen, aber jährlich Milliarden in die Staatskassen bringen – Mittel, die dringend benötigt werden, um Klimaschutz, Bildung und soziale Gerechtigkeit zu finanzieren.
Wir fordern Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD auf, eine Milliardärssteuer zur Finanzierung von Klimaschutz einzuführen - und zwar gemeinsam mit einem starken Bündnis: Oxfam, tax me now – Initiative für Steuergerechtigkeit e.V., Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft, AWO, Netzwerk Steuergerechtigkeitm Attac, Ungleichheit.info, Germanwatch, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Initiative BGE Rhein-Main, Care-Revolution Rhein-Main, Gemeinwohlökonomie, Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes, 350.org, Gemeingut in BürgerInnenhand, Klima-Allianz, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Bitte helfen Sie mit und unterzeichnen Sie den Appell an Finanzminister Lars Klingbeil!
„Es ist höchste Zeit, dass Superreiche endlich ihren gerechten Beitrag leisten. Eine Milliardärssteuer ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch eine Frage der Steuergerechtigkeit.”