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Greenpeace-Aktivisten im Schlauchboot versenken eine Statue von Justitia im Wasser, sie halten Banner "Stop Ceta"
Eric De Mildt / Greenpeace

CETA bedeutet Demokratieabbau und Absenkung von Umweltstandards

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Ob Regelungen zu gefährlichen Pestiziden oder zu genmanipulierten Lebensmitteln: Nicht die EU, sondern ein „gemischter Ausschuss“ mit Wirtschaftsbürokraten aus Kanada und Europa werden künftig den Verbraucher- und Umweltschutz in Europa lenken. Zu verantworten haben das 408 Abgeordnete der europäischen Konservativen mit CDU/CSU und Liberalen, die sich heute für CETA aussprachen. Nun ist der Weg für die vorläufige Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada frei.

Bereits ab März könnte der größte Teil von CETA gelten – ausgenommen sind lediglich Regelungen, die nur EU-Mitgliedsstaaten direkt betreffen. Der ganze Vertrag muss noch in einem jahrelangen Ratifizierungsprozess mit den nationalen und regionalen Parlamenten abgestimmt werden. Sagt nur ein Land endgültig Nein, kann CETA noch verhindert werden – ein Hoffnungsschimmer. Aber bis dahin ist es vorläufig in Kraft – und schafft weitreichende Fakten.

Paralleljustiz durch Sonderklagewege

„Die EU hat mit dem heutigen Beschluss einem Handelsvertrag zugestimmt, der die demokratischen Rechte massiv einschränkt und zur Absenkung von Umweltstandards führen kann“, sagt Christoph von Lieven, Sprecher von Greenpeace. So kann der Vertragstext in seinen Anhängen ständig verändert und etwa um Regelungen wie den Umgang mit Chemikalien oder Pestiziden erweitert werden. Darüber entscheidet aber nicht mehr die EU, sondern ein Gremium, auf das weder die Wähler noch die nationalen Parlamente oder die EU direkten Einfluss haben. „Das gab es bisher noch nicht und ist extrem gefährlich“, sagt Lieven.  „CETA ist nicht am Gemeinwohl oder an Lösungen globaler Herausforderungen wie denen der Klimakatastrophe orientiert, sondern an ungebremstem Handel.“

Schlimmer noch – nach der Ratifizierung wird Konzernen durch eine Paralleljustiz ein Sonderklageweg ermöglicht, abseits der gültigen Rechtsstrukturen in der EU und Kanada. Sie können Staaten auf Milliardenentschädigungen verklagen, falls sie meinen, dass Ihre Investitionen und damit zukünftige Gewinne beeinträchtigt würden. Staaten müssten wegen guter und sinnvoller Schutzgesetze zahlen – Pflichten werden den Konzernen hingegen keine aufgelegt.

Greenpeace hat untersuchen lassen, ob die Kritik an den Schiedsgerichten beachtet und das Versprechen der Parteien erfüllt wurde, nur unabhängige Schiedsgerichte einzuführen, die überzogene Forderungen gegen den Staat ausschließen. Das ist leider nicht der Fall: Kanadische und in Kanada registrierte US-Konzerne erhalten die Möglichkeit, die EU aufgrund von neuen Schutzgesetzen – zum Beispiel für saubere Luft, weniger Abgase, gesundes Essen, oder gesunde Arbeitsbedingungen in den Fabriken – auf Schadensersatz zu klagen, wenn ihre Investitionen in Europa dadurch beeinträchtigt sehen.

Der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag

Auswirkungen hat das auf 546 Millionen Menschen in Kanada und Europa – auch auf Max Mustermann in Hintertupfingen. Ein Beispiel: Um an Geld zu kommen, haben Städte oder Kommunen gern ihr Tafelsilber verscherbelt; Privatisierungen von Wasserwerken oder Stromnetzen schlagen allerdings häufig fehl. Am kurzfristigen Profit interessierte Konzerne schauen nicht, ob Leitungen marode oder Preise bezahlbar sind. Um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, sind viele Privatisierungen rückgängig gemacht worden. Mit CETA wäre das nicht mehr möglich; ein Unternehmen könnte den Rückkauf nämlich einfach ablehnen. So würde eine Firma mit Sitz in Kanada die Geschicke Hintertupfingens beeinflussen. Denn CETA schreibt auch vor, dass jede öffentliche Ausschreibung für den gesamten Wirtschaftsraum des Abkommens gelten muss. Der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag.

Kurzum: CETA gefährdet Umwelt- und Sozialstandards, die Grundversorgung der Bürger, das zum Schutz vor gefährlichen Produkten geltende Vorsorgeprinzip und vieles mehr. Die Kritik ist bekannt und wird von Gewerkschaften, dem Richterbund, der Grünen Partei, den Linken, Organisationen wie Greenpeace und Millionen Menschen in Europa geteilt. „All diese Menschen werden nicht aufgeben“, meint Lieven. „Denn CETA muss noch durch die nationalen Parlamente. In Österreich, Frankreich oder Belgien ist der Widerstand nicht vorbei. Und auch in Deutschland können Wähler sehr genau schauen, wie sich die Kandidaten der Bundestagswahl zu CETA positionieren.“

Fairer Welthandel statt CETA

„Statt Handelsabkommen wie CETA und TTIP brauchen wir einen fairen und nachhaltigen Welthandel“, so Lieven weiter. „Nur so können wir die Probleme in dieser Welt wie den Klimawandel gemeinsam lösen.“

Für einen fairen und gerechten Welthandel braucht es:

  • Handelsabkommen, die transparent und demokratisch verhandelt werden.
  • Handelsabkommen, die aktiv zum Klima- und Umweltschutz beitragen. Sie müssen die UN-Abkommen sowie das Klimaabkommen von Paris unterstützen, statt sie zu gefährden oder zu ignorieren.
  • Handelsabkommen, die gewährleisten, dass die planetaren Grenzen der Erde eingehalten werden und einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen forcieren.
  • Handelsabkommen, die rechtlich verbindlich das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Gesundheit und Umwelt und zur Förderung von Innovationen für saubere und ressourcensparende Produktion verankern.
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