Jetzt spenden
Gegen das kranke System Billigfleisch
(C) Bend Lauter / Greenpeace

Greenpeace-Aktive protestieren gegen untätige Agrarministerin

Unter dem Druck des Tönnies-Skandals zeigt die Landwirtschaftsministerin auf dem Fleischgipfel in Düsseldorf zwar späte Einsichten. Aber ihren Worten folgen keine Taten.

Es hat erst die Corona-Krise gebraucht, hunderte erkrankte Mitarbeiter:innen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen im Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück im Akkord schuften müssen, um die Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung zur viel zu späten Einsicht zu bringen: “Das, was wir heute behandelt haben, war keine Tönnies-Frage, sondern eine System-Frage”, sagte Julia Klöckner nach dem kurzfristig einberufen Fleischgipfel mit Branchenvertreter:innen am Freitag in Düsseldorf.

Der Tönnies-Skandal hat ein Schlaglicht auf die längst bekannte Misere geworfen, der sich die verantwortliche Ministerin unter wachsendem öffentlichen Druck endlich stellen muss: Das ganze System Billigfleisch ist krank. Tiere leiden in viel zu engen Ställen Qualen, damit Fleischbarone und Handelskonzerne ein Überangebot von Fleisch zu Dumpingpreisen in den Markt drücken können. Waldzerstörung, Artensterben und das Anheizen der Klimakrise sind Folgen dieses rücksichtslosen Geschäfts mit dem Billigfleisch.

Billigfleisch stoppen

Aktivist:innen von Greenpeace protestieren bereits Mittwoch vor dem nordrhein-westfälischen Landtag und am heutigen Freitag erneut in Düsseldorf, um den Druck weiter hoch zu halten: “Schluss mit der Show, Frau Klöckner! Billigfleisch stoppen!”, forderten sie auf Bannern vor dem Eingang der Rheinterrassen, wo sich die Teilnehmer:innen des Fleischgipfels versammelt hatten, und auf Schlauchbooten auf dem Rhein.

Denn den Worten der Ministerin müssen erst noch Taten folgen. Zum Gipfel waren neben den Landesagrarministerinnen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auch Vertreter:innen aus Tierhaltung, Fleisch- und Ernährungsbranche, Handel und Bundeskartellamt sowie Tierärzte und Verbraucherschützer geladen. „Folgenlose Branchengespräche und leere Appelle an Erzeuger und Handel reichen nicht mehr. Das kranke System Billigfleisch ist mit dem Tönnies-Skandal am Ende”, sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. “Bislang hat die CDU in Allianz mit Bauernverband und Fleischwirtschaft echte Reformen stets verhindert, um die Erzeugung möglichst billig zu machen. Damit trägt die Union besondere Verantwortung für die aktuelle Krise.”

Tierwohlabgabe für bessere Haltung

Konzepte für einen Umbau der Tierhaltung liegen seit langem auf dem Tisch. Greenpeace hat bereits im Januar ein Konzept einer zweckgebundenen Tierwohlabgabe vorgelegt. Dieses zeigt, wie mit maximal 50 Cent pro Kilogramm Fleisch der schnelle Ausstieg aus der nicht tiergerechten Haltung finanziert werden kann. Mit den Einnahmen müssten gezielt landwirtschaftliche Betriebe gefördert werden, die in bessere Haltungsbedingungen in ihren Ställen investieren.

Die von Klöckner eingesetzte Kommission unter Leitung des ehemaligen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert hat das Konzept der Tierwohlabgabe in ihre im Februar vorgelegten Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung übernommen. Doch es brauchte erst die Krise in den Schlachthöfen, um die Ministerin auch hier zu überfälligen Einsicht zu bringen. Lange hatte Klöckner die Verantwortung auf die Verbraucher:innen geschoben und ihnen vorgehalten, dass sie nicht bereit seien, mehr für Fleisch aus artgerechter Haltung zu zahlen.

Dabei belegt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar Emnid im Auftrag von Greenpeace: Die überwältigende Mehrheit von 85 Prozent der Bundesbürger:innen spricht sich für Steuern oder Abgaben auf Fleisch und Wurst aus, wenn die entstehenden Einnahmen in die Verbesserung der Tierhaltung fließen.

Nach dem Fleischgipfel in Düsseldorf verbreite Klöckner ihre neue Erkenntnis: “Der Verbraucher kann es nicht allein richten und er soll es auch nicht alleine richten.” Und um dem wachsenden Druck zu begegnen, kündigt die Ministerin nun an: “Wir halten eine Tierwohlabgabe für notwendig.” Um diese zu beschließen, brauche es allerdings erst noch einen breiten gesellschaftlichen Konsens. 

Endlich Tierschutz durchsetzen

Das klingt dann wieder nach dem typischen Klöckner-Show-Programm - mit folgenlosen Ansagen und dem fortgesetzten Aufschieben überfälliger Reformen. Tatsächlich unternimmt die Ministerin - ganz im Sinne der skrupellosen Fleischbarone - immer noch alles, um die industrielle Produktion von Billigfleisch zu erleichtern. “Dabei wäre es Aufgabe der Landwirtschaftsministerin, endlich geltendes Tierschutzrecht durchzusetzen, um die Quälerei in den Ställen zu beenden”, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Hofstetter.

Geht es nach Klöckner, werden Mutterschweine noch weitere 17 Jahre in enge Kastenstände gepfercht, obwohl das Bundesverwaltungsgericht geurteilt hat, dass diese Tierquälerei rechtswidrig ist und schnellstmöglich beendet werden muss. Die Tierhaltung bei Schweinen ist besonders mies. Hier werden weiterhin die Ringelschwänze abgeschnitten, damit sich die Tiere im Gedränge in den engen Buchten nicht gegenseitig blutig beißen - ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot zum Tierschutz im Grundgesetz. Und die brutale Wirklichkeit in den Ställen würde die Ministern am liebsten auch künftig weiter verschleiern - mit dem von ihr geplanten unverbindlichen Tierwohl-Label. Denn das würde nur das Label-Wirrwarr vergrößern, statt mit einer verbindlichen Kennzeichnung aller Fleisch- und Wurstprodukte die Haltungsbedingungen für Verbraucher:innen transparent zu machen.

  • Protest vor dem Fleischgipfel in Düsseldorf

    Protest vor dem Fleischgipfel in Düsseldorf

    Überspringe die Bildergalerie
  • Landwirtschaftsministerin Klöckner beim Fleischgipfel

    Landwirtschaftsministerin Klöckner beim Fleischgipfel

    Überspringe die Bildergalerie
  • Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter

    Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie
Offener Brief Greenpeace an Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: Konsequenzen aus Tönnies-Skandal

Offener Brief Greenpeace an Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: Konsequenzen aus Tönnies-Skandal

2 | DIN A4

2.36 MB

Herunterladen
Datum

Mehr zum Thema

Kuh auf der Weide
  • 18.03.2024

Was würde passieren, wenn alle Kühe auf der Weide grasen würden - statt Hochleistungsfutter aus dem Trog zu fressen? Wie viel Milch und Fleisch gäbe es dann noch? Das zeigt nun eine Studie.

mehr erfahren
Kletter:innen und großes gelbes dreieckiges Banner am Milchsilo mit der Aufschrift "Achtung Tierleid" und einer abgebildeten Kuh
  • 09.03.2024

Die Molkerei Hochwald wirbt mit hoher Qualität und verkauft unter dem Label Bärenmarke hochpreisige Milch. Fotos belegen nun, dass die Haltung der Milchkühe häufig gegen den Tierschutz verstößt.

mehr erfahren
Kühe stehen mit Ketten angebunden nebeneinander im Stall
  • 06.03.2024

Verdreckte Kühe, die so angebunden sind, dass sie sich kaum bewegen können. Fotos zeigen grausame Tierhaltung auf Höfen, die die Bärenmarke-Molkerei beliefern.

mehr erfahren
Vier überdimensionale Milchtüten stehen als Installation vor dem Eingang zur Internationalen Grünen Woche, begleitet von den Umweltaktivist:innen mit Transparenten: "Klimakrise: Die Milch macht's!"
  • 19.01.2024

Die Milchindustrie hält sich bedeckt, dabei ist der Ausstoß von Klimagasen in der Branche immens, zeigt eine Analyse. Es gibt jedoch Lösungen, den Methanausstoß zu reduzieren.

mehr erfahren
Hände halten mit Topflappen einen Auflauf, im Hintergrund der Küchenarbeitsplatte stehen ein Mensch und ein Tannenbaum
  • 20.12.2023

Alle Jahre wieder: Kartoffelsalat mit Würstchen an Heiligabend, Braten mit der lieben Verwandtschaft an den Weihnachtstagen. Oder etwa nicht?

mehr erfahren
Aktive hängen Banner an Fassade "Zukunft nicht verwursten" steht neben einer Erdkugel, die durch den Fleischwolf gedreht wird.
  • 21.11.2023

Immer mehr Menschen essen weniger Fleisch, doch die Fleischindustrie macht weiter wie gehabt. Die Branche muss sich verändern, wenn sie zukunftsfähig sein will.

mehr erfahren