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Aktivist:innen in großen Käfigen, verkleidet als Schweine und Kühe
© Greenpeace / Lorenzo Moscia

So klimaschädlich ist die industrielle Tierhaltung

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Der weltweite Ausstoß von Klimagasen in der Lebensmittelproduktion ist immens. Aktive protestieren und fordern eine Produktionsweise, die das Klima schützt.

Es geht um viel – und dennoch ist der Beitrag der Lebensmittelproduktion zur Erderhitzung bei den Internationalen Klimakonferenzen bislang eher ein Randthema. Dabei sind die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln laut IPCC für bis zu 42 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich – insbesondere durch industrielle Tierhaltung und den Einsatz von Düngemitteln.

Diese entscheidende Ursache der Klimakrise endlich angemessen zu berücksichtigen und die Emissionen wirksam zu senken, forderten Greenpeace-Aktivist:innen zum Auftakt der UN-Tierhaltungskonferenz vor dem Hauptsitz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) Ende September in Rom. In zehn großen Käfigen, verkleidet als Schweine und Kühe, protestierten sie vor dem Konferenzgebäude gegen die industrielle Tierhaltung. Mit rosa Rauch, Soundeffekten und Botschaften wie „Farms not Factories“ und „Big Meat and Dairy are Cooking the Planet“ forderten sie eine gerechte Transformation des globalen Ernährungssystems.

Zeitgleich hat Greenpeace mit Blick auf die UN-Klimakonferenz COP 30 im November 2025 gemeinsam mit mehr als 85 internationalen Umwelt-, Entwicklungs- und Agrarorganisationen eine Petition veröffentlicht. Die Unterzeichnenden fordern alle Vertragsparteien des Pariser Klimaabkommens auf, ihre nationalen Klimabeiträge (NDCs) für 2035 mit einer gerechten Transformation des Agrar- und Ernährungssystems anzusteuern und einen Übergang von industrieller Tierhaltung hin zu ökologischen Produktionsweisen einzuleiten, um Klima, Biodiversität und Menschenrechte gleichermaßen zu schützen. 

Zentrale Forderungen sind ein Abbau der Tierzahlen statt der Ausweitung industrieller Tierhaltung, verbindliche Methan-Reduktionsziele ohne einseitige Konzentration auf technische Lösungen  sowie eine Ernährungswende hin zu pflanzlichen, gesunden Lebensmitteln. Besonders einkommensstarke Länder wie Deutschland mit einem übermäßigen Konsum von Fleisch sollten dabei mit gutem Beispiel vorangehen.

“Die industrielle Landwirtschaft verschmutzt das Wasser, laugt die Böden aus, zerstört Wälder und beschleunigt die globale Erwärmung”, sagt Shefali Sharma von Greenpeace International. "Angesichts der bevorstehenden COP 30 im November müssten die Staats- und Regierungschef:innen der Welt sich gegen wirtschaftliche Interessengruppen der Agrar- und Ernährungsindustrie behaupten und wirksame Maßnahmen ergreifen, um das in Paris vereinbarte Klimaziel von maximal 1,5 °C Erderwärmung zu erreichen. Das bedeutet, die Landwirtschaft auf eine Bewirtschaftung umzustellen, die Ökosysteme wiederherstellt und ländliche Gemeinden unterstützt, und sich von dem extraktiven Modell zu verabschieden, das diese zerstört.”

Eine besondere Rolle beim Klimaschutz in der Landwirtschaft spielt das Treibhausgas Methan – belegt ein bereits im vergangenen Jahr veröffentlichter internationaler Greenpeace-Report. Denn den Hauptteil des extrem klimaschädlichen Gases emittiert die Landwirtschaft (etwa 40 Prozent der globalen Methanemissionen). So entsprechen die Methanemissionen der 29 weltweit größten Fleisch- und Molkereiunternehmen denen der großen fossilen Energiekonzerne. 

Was ist Methan?

Kurz und knapp

Text

Bei der Verdauung von Wiederkäuern entsteht Methan, das die Tiere größtenteils ausrülpsen. Methan (CH4 ) spielt als ein extrem wirksames Klimagas bei der Erderhitzung eine wesentliche Rolle. Auf 20 Jahre gerechnet ist Methan sogar gut 80-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid (CO2). Allerdings zersetzt sich das geruch- und farblose Gas schnell wieder, nach gut zwölf Jahren ist es aus der Atmosphäre verschwunden. Dies ist ein großer Unterschied zu CO2 oder Lachgas (N2O), die Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende in der Atmosphäre verbleiben. 

>>> Da sich Methan rasch abbaut, bieten sich Chancen für den Klimaschutz.

Die 29 Konzerne gehören allesamt zu den hundert größten Methanemittenten auf diesem Planeten. Der größte Fleischproduzent der Welt, JBS, verantwortet mehr Methanemissionen als ExxonMobil und Shell zusammen. Auch Unternehmen aus Deutschland tauchen in der Rangliste der größten Methanemittenten auf: die Unternehmensgruppe Theo Müller und DMK, Deutsches Milchkontor. 

Dennoch entziehen sich die großen Fleisch- und Molkereikonzerne ihrer Verantwortung für den Klimaschutz. “Wir fordern die Regierungen auf, endlich Transparenz über Emissionsmengen und -verursacher herzustellen und durchzusetzen, dass die Konzerne ihre Methanemissionen deutlich senken”, sagt Matthias Lambrecht, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. In Deutschland platzierten Aktive zur Veröffentlichung des Reports vor der Müllermilch-Firmenzentrale in Aretsried vier jeweils drei Meter hohe Milchtüten, aus denen weißer Dampf aufsteigt. Vor Fonterra in Neuseeland, Arla in Schweden, und Danish Crown in Dänemark machten Aktivist:innen mit ähnlichen Aktionen auf die Methanemissionen der Milch- und Fleischbranche aufmerksam. 

Protest vor Molkerei Müller in Aretsried: aus übergroßen Milchtüten quillt weißer Rauch, auf dem Banner steht "Methan killt das Klima".

Protest bei der Unternehmensgruppe Müller in Aretsried im Oktober 2024 für mehr Transparenz und weniger riskante Methanemissionen der Fleisch- und Milchindustrie.

Doch wieso ist die Milch- und Fleischbranche derart klimaschädlich? Die Landwirtschaft emittiert hauptsächlich das enorm klimaschädliche Methan. Lachgas und CO2 spielen eine untergeordnete Rolle. Hinzu kommt die schiere Menge an Fleisch und Milch: Die Produktion sowie der Konsum von Fleisch und Milchprodukten sind zwischen 1910 und 2015 erheblich gestiegen. Die Viehzucht ist dadurch die größte Quelle des von Menschen erzeugten Methans.  

Milchindustrie in Deutschland gehört zum Spitzenfeld klimaschädlicher Industrien

In Deutschland zum Beispiel werden etwa 75 Prozent des Methans in der Landwirtschaft freigesetzt, gut drei Viertel davon stammen aus den Mägen der Rinder. Weitere 19 Prozent entfallen auf die Lagerung und Zersetzung von Mist und Gülle.

Das umsatzstärkste Unternehmen der Milchindustrie in Deutschland, die Unternehmensgruppe Theo Müller, ist im nationalen Vergleich auch für den größten Methanausstoß verantwortlich. Insgesamt addieren sich die Treibhausgasemissionen der hiesigen Molkereiunternehmen nach einer im Januar 2024 veröffentlichten Hochrechnung von Greenpeace Deutschland auf 28 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) – für den größten Teil dieser Klimawirkung sind die Methanemissionen verantwortlich. Greenpeace hatte an die zehn umsatzstärksten Molkereiunternehmen Ende 2023 eine mit dem Öko-Institut erarbeitete Abfrage zu ihren Treibhausgasemissionen und Maßnahmen zum Klimaschutz geschickt. Keines der Unternehmen war bereit zu antworten. Daraufhin beauftragte Greenpeace die Hamburger Nachhaltigkeitsberatung corsus mit einer Abschätzung der Emissionen auf Basis einer Input-Output-Analyse.

Emissionen der Milchwirtschaft in Deutschland

Emissionen der Milchwirtschaft in Deutschland

Analyse der Treibhausgasemissionen der deutschen Milchwirtschaft und der größten Molkereiunternehmen in Deutschland

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Demnach gehört die Milchindustrie im Branchenvergleich in Deutschland zum Spitzenfeld. Müller und DMK sind als Marktführer für rund 40 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Doch wenn es um den Treibhausgasausstoß oder die Klimaziele geht, hält sich Müller ebenso wie die meisten anderen Unternehmen der Milchindustrie in Deutschland bedeckt. Dabei führt kein Weg an dieser Branche vorbei, um die Erderhitzung zu begrenzen.

Temperaturanstieg von 0,32 Grad durch Milch- und Fleischwirtschaft prognostiziert

Wenn die Weltbevölkerung so zunimmt, wie es die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UN FAQ) prognostiziert, und der Pro-Kopf-Konsum und die Produktionsbedingungen unverändert bleiben,  wird die Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 0,32 °C steigen – verglichen mit dem Jahr 2015. Das ist ein ERgbnis des Reports. Der Methanausstoß wäre für mehr als drei Viertel dieser Erwärmung verantwortlich. Ergreift der Sektor nicht umgehend wirksame Maßnahmen, wird die weltweite Durchschnittstemperatur bereits bis 2030 allein durch die Ausweitung der Fleisch- und Milchwirtschaft um weitere 0,16 °C steigen.  

Projektion: Klimagasausstoß der Fleisch- und Milcherzeugung

Grafik: Projektion Klimagasausstoß der Fleisch- und Milcherzeugung

Jeder Bruchteil eines Grades hat Auswirkungen auf das Leben und die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen. Wissenschaftler:innen prognostizieren, dass mit jeder Erwärmung um 0,3 °C bis zum Ende des Jahrhunderts weitere 410 Millionen Menschen extremer Hitze ausgesetzt sind. Jede zusätzliche Erwärmung um 0,1 °C lässt etwa zwei Prozent der Eismasse auf den globalen Gletschern schmelzen. 

Ausstieg aus Überproduktion könnte Temperaturanstieg spürbar bremsen

Umgekehrt bedeutet das, dass die Landwirtschaft einen enormen Beitrag für den Klimaschutz leisten kann. Methan ist zwar über einen Zeitraum von 20 Jahren 80-mal klimaschädlicher als CO2, baut sich jedoch innerhalb von zwölf Jahren ab – im Gegensatz zu CO2, das Jahrhunderte in der Atmosphäre bleibt. Maßnahmen, den Methanausstoß zu senken, haben also einen vergleichsweise raschen Effekt.  

Ein wirksamer Hebel wäre, weniger Fleisch- und Milchprodukte zu konsumieren und somit die Anzahl der Tiere zu reduzieren. Eine Ernährung, die gesund ist und unsere Lebensgrundlagen erhält, ist Basis der EAT-Lancet-Planetary-Health-Diät. Würden Länder mit hohem und mittlerem Einkommen die Produktion und den Konsum von Fleisch und Milchprodukten entsprechend der EAT-Lancet-Planetary-Health-Diät reduzieren, würden die Methanemissionen aus der Tierhaltung deutlich sinken. Die globale Durchschnittstemperatur bis 2050 würde um 0,12°C und damit 37 Prozent niedriger ausfallen – verglichen mit einer Landwirtschaft, die weitermachen würde wie bisher. Der Kühleffekt durch den schnellen Abbau des Methans in der Atmosphäre würde die Erwärmung des Planeten spürbar bremsen. “Wenn die Regierungen von Ländern mit hohen und mittleren Einkommen unverzüglich wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen, um die industrielle Fleisch- und Milcherzeugung an den Vorgaben der EAT-Lancet-Planetary-Health-Diät auszurichten”, so Lambrecht, “haben wir eine echte Chance, gute Lebensbedingungen für Millionen Menschen zu sichern.” 

Für Deutschland schlägt Lambrecht vor, Anreize zu schaffen etwa für den Konsum pflanzlicher Alternativen durch eine Mehrwertsteuerbefreiung für pflanzliche Lebensmittel. Oder aber die Einführung einer kostendeckenden Weideprämie für Milchviehbetriebe, die ihre Rinder auf der Weide halten. Denn Milcherzeugung mit  Weidehaltung wäre deutlich klimaschonender, wenn auf der in Deutschland nutzbaren Weidefläche weniger Tiere mit geringeren Emissionen gehalten würden. Außerdem fordert Greenpeace von der Bundesregierung verbindliche Vorschriften für Fleisch- und Molkereibetriebe: Diese müssen über den Umfang der Emissionen in ihrer gesamten Lieferkette berichten. Ebenso braucht es Regelungen mit konkreten Zielvorgaben, um die  landwirtschaftlichen Emissionen (einschließlich Methan) zu verringern. 

Projektion: Erderwärmung mit Fleisch- und Milcherzeugung

Grafik Projektion: Erderwärmung mit Fleisch- und Milcherzeugung

Die Regierungen sind aufgefordert, ihre Anstrengungen zum Erreichen ihrer Klimaziele für 2035 zu erhöhen. Die Potenziale des Milch- und Fleischsektors sind jedoch bislang kaum berücksichtigt. “In der Landwirtschaft basteln die Regierungen bisher nur an den Rändern eines problematischen Modells der Fleisch- und Milchproduktion herum, während der Planet sich immer schneller erhitzt”, sagt Lambrecht. “Ein Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe in Verbindung mit einer Abkehr von der übermäßigen Produktion und dem übermäßigen Konsum von industriell erzeugten Fleisch- und Milchprodukten gibt uns die Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.”

Kuh streckt Maul Richtung Kamera
© Mitja Kobal / Greenpeace

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Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/sos-tierwohl

SOS Tierwohl!

SOS Tierwohl! Bundesernährungsminister Alois Rainer (CSU) ist gerade dabei, viele Tierwohl-Fortschritte abzuschaffen. Bitte setz dich gegen diese Billigfleisch-Politik ein und unterzeichne die Petition

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Pigs in Factory Farming in Germany

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