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Vier überdimensionale Milchtüten stehen als Installation vor dem Eingang zur Internationalen Grünen Woche, begleitet von den Umweltaktivist:innen mit Transparenten: "Klimakrise: Die Milch macht's!"
© Chris Grodotzki / Greenpeace

Wie klimaschädlich ist die Milchwirtschaft?

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Die Milchindustrie hält sich bedeckt, dabei ist der Ausstoß von Klimagasen in der Branche immens, zeigt eine Analyse. Es gibt jedoch Lösungen, den Methanausstoß zu reduzieren.

Der Konsum von Fleisch ist für die Gesundheit und fürs Klima nicht sonderlich förderlich, das hat sich rumgesprochen. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher möchten sich aber auch beim Konsum anderer Lebensmittel für Produkte entscheiden, die klimaverträglich und umweltfreundlich erzeugt wurden. Dafür benötigen sie allerdings verlässliche und vollständige Informationen: wie die Produkte produziert werden und wie es die Hersteller mit dem Klima-, Umwelt- und Tierschutz halten. Und gerade da hält sich eine Branche besonders bedeckt: die Milchwirtschaft.

Dabei trägt die Erzeugung und Verarbeitung von Milch wesentlich zum weltweiten menschengemachten Temperaturanstieg bei. Mit vier jeweils drei Meter hohen Milchtüten, aus denen weißer Dampf aufsteigt, informierten deshalb  zehn Greenpeace-Aktivist:innen zur Eröffnung der „Grünen Woche“ über die hohen Klimagasemissionen der Milchindustrie. Die Milchtüten waren mit den Namen und Logos führender Unternehmen versehen. Und zeigten, wie viel Tonnen Klimagase (CO2-Äquivalenten/CO2e) die Hersteller im Jahr verursachen. „Die Milchindustrie gefährdet massiv das Klima und muss dringend handeln“, sagt Matthias Lambrecht, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. „Die Unternehmen sollten den gesamten Ausstoß von Treibhausgasen bei der Erzeugung und Verarbeitung von Milch angeben und müssen wirkungsvolle Maßnahmen zum Emissionsabbau ergreifen.“

Milchindustrie gehört zum Spitzenfeld klimaschädlicher Industrien

Doch bislang halten sich die führenden Unternehmen der Branche lieber bedeckt: Greenpeace hatte an die zehn umsatzstärksten Molkereiunternehmen Ende 2023 eine mit dem Öko-Institut erarbeitete Abfrage zu ihren Treibhausgasemissionen und Maßnahmen zum Klimaschutz geschickt. Keines der Unternehmen war bereit zu antworten. Daraufhin beauftragte Greenpeace die Hamburger Nachhaltigkeitsberatung corsus mit einer Abschätzung der Emissionen auf Basis einer Input-Output-Analyse.

 

Emissionen der Milchwirtschaft in Deutschland

Emissionen der Milchwirtschaft in Deutschland

Analyse der Treibhausgasemissionen der deutschen Milchwirtschaft und der größten Molkereiunternehmen in Deutschland

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Nach dieser Analyse ist die Unternehmensgruppe Theo Müller mit mehr als sechs Millionen Tonnen Klimagasen (CO2-Äquivalenten/CO2e) im Jahr 2021 das Molkereiunternehmen mit dem höchsten Ausstoß, gefolgt von DMK Deutsches Milchkontor mit gut fünf Millionen Tonnen. Beide Unternehmen sind damit für rund 40 Prozent der gesamten Emissionen der Milchindustrie in Deutschland verantwortlich. Diese betragen nach der Analyse etwa 28 Millionen. Damit gehört die Milchindustrie im Industrievergleich zum Spitzenfeld – hinter der Stahlindustrie, deren Emissionen laut Umweltbundesamt bei 33 Millionen Tonnen liegen und deutlich vor der Chemieindustrie mit 14 Millionen Tonnen. 

Methan: enorm klimaschädlich - aber kurzlebig

Ein Grund dafür ist der Methanausstoß der Milchkühe: Bei der Verdauung von Wiederkäuern entsteht in großen Mengen Methan, das die Tiere größtenteils ausrülpsen. In Deutschland werden etwa 60 Prozent des Methans in der Landwirtschaft freigesetzt, gut drei Viertel davon stammen aus den Mägen der Rinder. Weitere 19 Prozent entfallen auf die Lagerung und Zersetzung von Mist und Gülle.

Das Treibhausgaspotenzial (Global Warming Potential, GWP) von Methan ist im Verlauf von 100 Jahren 25-mal so hoch wie das von Kohlendioxid. Auf 20 Jahre gerechnet ist Methan sogar 72-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. 

Da sich Methan jedoch rasch abbaut und deshalb nur eine relativ kurze Zeit in der Atmosphäre verbleibt, bieten sich Chancen für den Klimaschutz. Eine deutliche und schnelle Verminderung der aktuell global noch wachsenden Emissionen dieses Gases hätte einen enormen Effekt:  Wenn es gelänge, die weltweiten von Menschen verursachten Methanemissionen innerhalb der nächsten zehn Jahre um 45 Prozent zu reduzieren, würde das die erwartete Erderhitzung nach Schätzungen der UNO um knapp 0,3 Grad Celsius senken.

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„Die Methanemissionen müssen schnell und deutlich sinken”, so Lambrecht, “sonst kann Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Die Milchindustrie steht hier besonders in der Verantwortung. Sie muss mit den Milchviehbetrieben den Weg zu einer zukunftsfähigen Erzeugung mit deutlich geringeren Emissionen einschlagen. Das geht nur mit weniger Tieren, die klima- und umweltgerecht auf der Weide gehalten werden - begleitet von fairen Preisen und mehr Tierwohl.“

Deutlich weniger Methan wird nur dann anfallen, wenn in Deutschland deutlich weniger Tiere gehalten werden. Derzeit stehen auf den knapp 53.000 Höfen noch 3,8 Millionen Milchkühe. Die Zahl der Betriebe sinkt zwar seit Jahren, doch dafür nimmt die Größe der verbleibenden Höfe ständig zu und die Milchleistung pro Tier steigt. Für die großen Molkereiunternehmen ist es ein profitables Geschäft. Bei den Bauern bleibt nicht viel hängen. Würden die Landwirt:innen eine Weideprämie bekommen, könnten sie ihre Tiere artgerechter halten. Die Tierzahl würde sich automatisch reduzieren, weil die Fläche nicht für alle Tiere ausreicht. Verbraucher:innen müssten dann öfter mal zu einer Alternative greifen. Geholfen wäre dann allen: Umwelt und Tieren. 

Datum

Greenpeace fordert:

Schluss mit dem Greenwashing in der Milchindustrie - stattdessen müssen klimaschädliche Emissionen für alle Unternehmen und über die gesamte Wertschöpfungskette nach einheitlichen Vorgaben erfasst und veröffentlicht werden.

Mehr Investitionen, faire Bezahlung und gezielte Förderung einer klima- und umweltverträglichen Milchproduktion:

  • Kostendeckende Weideprämien für Milchviebetriebe und langfristige Verträge, damit sich die Umstellung auf Weidehaltung lohnt. 
  • Faire und kalkulierbare Preise für die erzeugte Milch - dazu muss Artikel 148 der Gemeinschaftlichen Marktordnung der EU (GMO) aktiviert werden, um die bäuerlichen Betriebe vor den Schwankungen der Weltmarktpreise zu schützen.
  • Anreize für den Konsum und die Erzeugung pflanzlicher Alternativen zu Milch und Milchprodukten - etwa durch eine Mehrwertsteuerbefreiung für pflanzliche Lebensmittel.

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