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Heinz Smital
Fred Dott / Greenpeace

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Online-Redaktion: 8.000 Tonnen Natururan ergeben 1.000 Tonnen angereichertes Uran. Das kann zur Brennelementerzeugung genutzt werden. Bleiben 7.000 Tonnen übrig. Was ist das für ein Zeug?

Heinz Smital: Natururan besteht nur zu 0,7 Prozent aus Uran-235 - dem Stoff, der für den Betrieb von AKW benötigt wird. Also muss es auf 3 bis 5 Prozent Uran-235 angereichert werden. Das macht in Deutschland die Firma Urenco.

Um die Atome trennen zu können, muss das Natururan zunächst in gasförmiger Form vorliegen. Dafür wird Uran in die chemische Form Uranhexafluorid gebracht, sogenanntes UF6. Bei etwa 50 Grad Celsisus ist es gasförmig und erst in dieser Form können die Uran-Atome voneinander getrennt und angereichert werden. Aus acht Teilen Natururan entstehen etwa ein Teil angereichertes Uran und sieben Teile Abfallprodukt, abgereichertes Uran. Deine Rechnung stimmt, es bleiben 7.000 Tonnen Abfall.

Online-Redaktion: Und was passiert mit diesem Müll?

Heinz Smital: Urenco schafft das UF6 nach Russland.

Online-Redaktion: Atommüll einfach exportieren - ist das denn erlaubt?

Heinz Smital: Der Transport von Atommüll ist verboten. Aber in Russland wird ein Teil dieses UF6 wieder durch Anreicherungsanlagen geschickt. Es wird bis zu seinem natürlichen Ursprungsgrad wieder angereichert.

Das Problem ist, dass von diesen 7.000 Tonnen, die weiterverarbeitet werden, immer noch etwa 5.500 Tonnen als endgültiger Abfall übrig bleiben. Der wird dann nicht mehr wieder angereichert. Das heißt, in der Gesamtmassenbilanz ist das meiste von dem, was nach Russland exportiert wird, tatsächlich Abfall. Es ist also eine Art Etikettenschwindel.

So werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Urenco darf das Zeug aus Deutschland bringen und spart sich damit gleichzeitig hier die Entsorgungskosten.

Online-Redaktion: In dem ARTE-Film Albtraum Atommüll wurde gezeigt, dass die Fässer mit diesem Abfall in Sibirien einfach unter freiem Himmel lagern. Ist das nicht reichlich gefährlich?

Heinz Smital: Ja, ist es. Was dort in den Fässern lagert, ist abgereichertes Uran, in Form von Uranhexafluorid. Uranhexafluorid hat eine sehr gefährliche chemische Eigenschaft. Wenn es mit Wasser in Verbindung kommt - und da reicht ganz alltägliche Luftfeuchtigkeit - entsteht Flusssäure. Flusssäure ist noch viel ätzender als Salzsäure, Flusssäure ätzt Glas durch. Wenn es also einen Unfall mit einem solchen Behälter gibt, können die ätzenden Gase kilometerweit Lungenschäden hervorrufen.

Online-Redaktion: Die Behälter mit dem Uranhexafluorid werden mit dem Zug nach Russland gebracht. Wie gefährlich ist das für uns hier?

Heinz Smital: Das ist sehr gefährlich! Wenn so ein Behälter Feuer fängt und platzt, dann ist das für die Menschen im Umkreis von einem Kilometer tödlich. Das sind brisante Transporte.

Online-Redaktion: Wie stark strahlt dieses abgereicherte Uran?

Heinz Smital: Das abgereicherte Uran strahlt zwar vergleichsweise eher schwach, aber die Fässer haben eine Dosisleistung von 2 Millisivert pro Stunde am Außenbehälter. Für normale Bereiche schreibt die Strahlenschutzverordnung 1 Millisivert pro Jahr als Grenze vor. Das bedeutet, am Behälter hat man innerhalb von einer Stunde so viel Strahlung, wie sonst in zwei Jahren zulässig ist. Das ist also auch nicht ganz ohne.

Online-Redaktion: Wo siehst du das größte Problem bei diesen Transporten?

Heinz Smital: Das ist einfach Export von Umweltbelastung. Insgesamt ist es so, dass der gesamte Betrieb von Atomkraftwerken erhebliche Umweltzerstörungen und Umweltgefährdungen mit sich bringt, die gar nicht im Bewusstsein der Bevölkerung sind.

Das fängt bei den Uranminen an. In Deutschland hat die Wismuth zur Sanierung sechs Milliarden Euro verschlungen. Damit wurden nur die gröbsten Sachen beseitigt. Das wird sicher in Nigeria, in Niger, in Kasachstan nicht gemacht. Und dann eben die Anreicherungsanlagen und das abgereicherte Uran - an allen Ecken und Enden entstehen riesige Massen an Abfallprodukten und Umweltzerstörung, die man so gar nicht diskutiert.

Online-Redaktion: Danke für das Gespräch, Heinz.

(Interview: Viktoria Thumann)

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