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Sau mit saugenden Ferkeln
Greenpeace

Bundesregierung will Frist für betäubungslose Kastration von Ferkeln verlängern

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Betäubungslose Kastration von Ferkeln soll weiterhin erlaubt sein, dabei gibt es Alternativen. Die kosten allerdings etwas mehr. Greenpeace fordert, das Leid der Tiere zu beenden.

Man will es sich lieber nicht vorstellen: Kurz nach der Geburt werden männliche Ferkel kastriert – ohne Betäubung. So soll vermieden werden, dass das Fleisch der Eber durch hormonelle Veränderungen während der Geschlechtsreife einen strengen Geruch annimmt. Jahr für Jahr erleiden 20 Millionen Tiere auf diese Weise unfassbare Schmerzen. Deshalb entschied der Bundestag vor fünf Jahren, die betäubungslose Kastration ab 2019 zu verbieten. Nun jedoch legt die Große Koalition einen Gesetzentwurf vor, der das Leiden um zwei Jahre verlängert.

Es gäbe keine Alternativen, begründet die Bundesregierung ihr Vorgehen. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, verstößt die jetzige Praxis gegen die Verfassung. Diese verbietet, Tieren unnötige Schmerzen zuzufügen. In einem Offenen Brief haben sich nun Greenpeace und andere Organisationen wie die Verbraucherzentrale und die Albert Schweizer Stiftung an die Abgeordneten der SPD gewandt – mit dem Appell, gegen die hauptsächlich von der CSU vorangetriebene Fristverlängerung zu stimmen.

Es geht auch anders

„Die Kastration ohne Betäubung ist eine brutale und archaische Methode, die absolut nicht mehr zeitgemäß ist“, erklärt Martin Hofstetter, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. „Inzwischen gibt es drei alternative Verfahren: die Ebermast, die Immunokastration sowie die Kastration mit Betäubung durch einen Tierarzt.“ Diese würden im In- und Ausland bereits vielfach praktiziert und seien Stand der Technik.

Bei der Ebermast bleiben die Tiere unversehrt, rivalisieren aber möglicherweise miteinander. Um Kämpfe zu vermeiden, muss die Tierhaltung diesem typischen Eberverhalten angepasst sein.  Werden die Tiere geschlechtsreif, kann es vorkommen, dass ihr Fleisch durch die dann ausgeschütteten Hormone einen strengen Geruch annimmt. Sogenannte Stinker werden  beim Schlachten aussortiert und zu Wurst gemacht. Denn bei verarbeiteten – beispielsweise gepökelten – Produkten ist der Geruch nicht wahrnehmbar. Lediglich in der Pfanne kann das Frischfleisch einen unangenehmen Geruch ausdünsten.  Eine weitere Möglichkeit ist die Immunokastration. Sie verhindert über zweimaliges Impfen die Geschlechtsreife und somit den Geruch. Die dritte Variante ist die Kastration mit Betäubung durch einen Tierarzt.

Politik im Dienste des Bauernverbands

Unpopulär sind diese Verfahren, weil sie Kosten verursachen: zwischen zwei und vier Euro pro Tier. Bei der betäubungslosen Kastration schnippelt der Bauer selbst und entfernt die Hoden. Das kostet also nichts. Der Bauernverband versucht daher, mit massiver Lobbyarbeit insbesondere bei der CSU weitere zwei Jahre für die betäubungslose Kastration rauszuschlagen. Die Existenz der Bauern sei gefährdet, so der Verband. Billigere Ferkel aus dem Ausland würden den Markt überschwemmen. Das Argument ist nicht haltbar: In kaum einem Nachbarland ist die betäubungslose Kastration noch erlaubt. Und Handelsketten wie Aldi, Edeka-Südwest, Penny, Rewe erklärten bereits, Fleisch von betäubten oder nicht kastrierten Tieren abzunehmen. Lidl und Kaufland planen, für ein bestimmtes Sortiment Fleisch aus der Ebermast zu bevorzugen.

„Dem Bauernverband scheint es wohl eher darum zu gehen, weiterhin mit deutschen Billigprodukten den ausländischen Markt zu erobern“, so Hofstetter. Tatsächlich produziert kein anderes Land in Europa so viel Schweinefleisch wie Deutschland: rund fünf Millionen Tonnen pro Jahr. Gegessen werden davon hierzulande nur 80 Prozent, der Rest geht ins Ausland. Hauptsache billig – diese Devise produziert unsägliches Tierleid durch eine Tierhaltung, die nur zu ertragen ist, wenn sie unsichtbar hinter verschlossenen Türen stattfindet.

„Die SPD muss endlich Haltung zeigen und dem Bauernverband die Stirn bieten“, so Hofstetter. „Bei der CDU/CSU hingegen sind zahlreiche Funktionäre des Verbandes tätig. Zum Teil haben sie selbst Mastbetriebe. Da wird nichts gegen den Bauernverband entschieden."

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