Minister will Umweltverbänden das Klagen verbieten
- Ein Artikel von Georg Thanscheidt
- mitwirkende Expert:innen Saskia Reinbeck
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Brisanter Brief an Wirtschaftsministerin Reiche: Hubert Aiwanger fordert, das Klagerecht für Umweltorganisationen drei Jahre auszusetzen. Wir finden: Das ist ein Angriff auf die Demokratie.
Es ist ein Brief von Amtskollege zu Amtskollegin - und der Inhalt ist brisant: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fordert in einem Schreiben an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), das Verbandsklagerecht für drei Jahre bundesweit auszusetzen. In dem Brief, der Greenpeace vorliegt, schlägt er “eine Einschränkung, zumindest aber ein dreijähriges Aussetzen des Verbandsklagerechts für Infrastrukturvorhaben insbesondere im Energiebereich” vor. Dies solle dem “schnellen Ausbau der Ernergienetze und der Erneuerbaren-Energieanlagen” dienen.
Greenpeace findet: Dieser Vorschlag ist eine Attacke auf die Demokratie und zielt darauf ab, Umweltorganisationen ihrer Rechte zu berauben und so mundtot zu machen. Das Klagerecht insbesondere von Umweltverbänden ist seit mehr als 20 Jahren national im Bundesnaturschutzgesetz und EU-weit durch die sogenannte Aarhus-Konvention garantiert. Es dient dazu, Rechtsverletzungen von Firmen, Behörden und Regierungen, die zu Lasten der Umwelt gehen würden, zu verhindern.
“Was Minister Aiwanger fordert, ist brandgefährlich. Die Rechte von Umwelt- und Naturschutzverbänden auszusetzen, verstößt gegen nationales und internationales Recht. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind eine tragende Säule unserer Demokratie. Wer diese Klagerechte angreift, beschädigt die Stabilität unserer Gesellschaft.”
Hubert Aiwanger gibt vor, dass es ihm um “den schnellen Ausbau der Energienetze und Erneuerbare-Energie-Anlagen” geht und er drängt die CDU-Ministerin bei der Einschränkung des Verbandsklagerechts “zeitnah konkrete Schritte” folgen zu lassen. Denn - so der altväterliche Ratschlag aus München: “Die Energiewende duldet nämlich keinen Aufschub.”
Diese Aussage des bayerischen Ministers kommt einem Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte gleich - war es doch in den letzten Jahren die bayerische Staatsregierung, die mit Abstandsregeln für Windräder und der Forderung nach Erdkabeln den Netzausbau und den Ausbau der Erneuerbaren im Freistaat nach Leibeskräften behindert hat. “Dieses politische Versagen nun ausgerechnet Umweltschutzverbänden in die Schuhe schieben zu wollen, ist absurd. Viele Umweltverbände fordern seit Jahren einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien von der Staatsregierung”, kommentiert das Saskia Reinbeck.
Die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das Verbandsklagerecht zu “reformieren” und auf ein “europarechtliches Mindestmaß abzusenken”. Daher stößt Aiwanger mit seiner Attacke auf die Aarhus-Konvention und die darin garantierten Rechte der Umweltorganisationen im Bundeswirtschaftsministerium auf offene Ohren. Von einer widerrechtlichen Aussetzung des Klagerechts ist aber im Koalitionsvertrag nicht die Rede. Eine Abschaffung des Klagerechts bei Infrastrukturvorhaben hatte die CDU zuletzt in ihrem Bundestagswahlprogramm gefordert.
Greenpeace Deutschland ist übrigens bei solchen Verbandsklagen nicht klageberechtigt. Nichtsdestoweniger wenden wir uns entschieden gegen alle Absichten, die demokratische Mitbestimmung und die Klagerechte von Umweltorganisationen zu beschneiden.