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European Activists Protest Arrival of LNG Fossil Gas Tanker in the North Sea
© Eric De Mildt / Greenpeace

Versorgungssicherheit ohne fossile Abhängigkeit

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Energiepolitik als Sicherheitsfrage: Warum neue Gaskraftwerke Deutschlands Zukunft gefährden.

Die designierte Bundesregierung plant einen massiven Ausbau klimaschädlicher Gaskraftwerke. Dies soll die Versorgungssicherheit gewährleisten und die Strompreise stabilisieren. Doch die veränderte Weltlage erfordert für Deutschlands Sicherheit ein widerstandsfähiges Stromnetz – erneuerbare Energien kombiniert mit Speichern und einer Reform des Stromsystems, statt der Subventionierung von teurem Erdgas.

Die deutsche Energiepolitik steht an einem Scheideweg. Während erneuerbare Energien und Speichertechnologien immer effizienter und kostengünstiger werden, plant die designierte neue Bundesregierung einen massiven Ausbau klimaschädlicher Gaskraftwerke. Laut Schwarz-Rot sollen sie die Versorgungssicherheit gewährleisten und die Strompreise stabilisieren. Doch Sicherheit erfordert in der jetzigen Weltlage ein widerstandsfähiges Energiesystem, das gegen externe Schocks und Erpressungsversuche autoritärer Regime gewappnet ist. Die Vorstellung, stabile Strompreise mit fossilem Gas sichern zu können, ist falsch. Mit dieser Strategie droht Deutschland, sich langfristig an ein überholtes, teures und geopolitisch riskantes Energiemodell zu ketten.

Versorgungssicherheit in Zeiten globaler Krisen

Protest at the Federal Party Conference of the Greens in Wiesbaden

Sophia van Vügt studierte Kulturanthropologie und Geographie in München, Athen, London und Berlin. Seit September 2024 arbeitet sie bei Greenpeace als Politikexpertin für Klima und Energie. Den Meinungsbeitrag verfasste sie gemeinsam mit Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe für Climate.Table.

Friedrich Merz bezeichnet ein starkes, unabhängiges Europa als seine absolute Priorität. Er kritisiert, dass es dem Westen nicht gelungen sei, Putin klare Grenzen aufzuzeigen, und fordert eine Abkehr von hohen Energiepreisen, um den Industriestandort Deutschland zu sichern. Auf den ersten Blick könnte man erwarten, dass dies ein entschlossenes Bekenntnis zum Ausbau erneuerbarer Energien, zu Speichertechnologien und einer flexibleren Stromnachfrage nach sich zieht. Schließlich sind Wind- und Solarenergie die mit Abstand günstigsten Energiequellen und erfordern keinerlei Brennstoffimporte aus Russland oder den USA. Doch stattdessen fordert die Union verstärkt Investitionen in neue fossile Kraftwerke.

Im Wahlkampf verlangte Jens Spahn Gaskraftwerke „von der Stange“, und Friedrich Merz machte Schlagzeilen mit seiner Forderung nach 50 neuen Gaskraftwerken. Das Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD plant nun völlig überzogene 20 GW neuer Gaskraftwerkskapazitäten, ohne Vorgaben zur Umrüstung auf grünen Wasserstoff. Wenn dies umgesetzt werden sollte, drohen gefährliche geopolitische Abhängigkeiten und steigende Preise.

Deutschland investiert weltweit mit am stärksten in den Ausbau von LNG-Importterminals – direkt nach China und Indien. Ein erheblicher Teil des Flüssigerdgases nach Europa kommt weiterhin aus Russland. Die russischen LNG-Exporte nach Europa sind sogar erheblich gewachsen. Allein 2024 stiegen die russischen LNG-Importe nach Europa um 19 Prozent, obwohl sich die EU offiziell von russischer Energie lösen will. Die Einfuhr von russischem Flüssigerdgas fällt allerdings nicht unter die EU-Sanktionen, weswegen das bundeseigene Energieunternehmen SEFE Russland große Mengen LNG abkauft. Laut Guardian finanziert Europa Putins Krieg mehr, als es die Ukraine unterstützt: 22 Milliarden Euro für russische fossile Brennstoffe stehen 19 Milliarden Euro an Hilfsgeldern für Kiew gegenüber.

Weiterhin fließen viele Milliarden an russische Unternehmen, weil Europa seine erneuerbaren Energien nicht schnell genug zubaut. Selbst die Aktivierung der russischen Gaspipeline Nord Stream 2, die bei einem Anschlag beschädigt wurde und nie in Betrieb ging, liegt nach Medienberichten bei US-Investoren wieder auf dem Tisch – inklusive sämtlicher geopolitischer Abhängigkeiten, die Deutschland auszuräumen versucht hat. Auch eine Verschiebung der Abhängigkeit Richtung USA ist keine Lösung. Die Vereinigten Staaten sind der weltweit größte Exporteur von LNG und bauen ihre Kapazitäten massiv aus. Trumps Devise „Drill, baby, drill“ lässt keinen Zweifel daran, dass er fossile Energien aggressiv fördern will und sie im Zentrum seiner Machtstrategie stehen. Der Klimawandelleugner stellt seit Amtseinführung sämtliche geopolitischen Gewissheiten infrage. Die Energieversorgung Europas und Deutschlands darf nicht vom Wankelmut unberechenbarer Staatsoberhäupter abhängen.

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© Eric De Mildt / Greenpeace

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© Marten van Dijl / Greenpeace

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Neben gefährlichen geopolitischen Abhängigkeiten sind massive Investitionen in Gaskraftwerke auch aus wirtschaftlicher Sicht fahrlässig. Das Sondierungspapier fordert den Ausbau von Gaskraftwerken zur „Stabilisierung und Reduzierung der Stromkosten“ – ein Satz, der fast schon ironisch wirkt, wäre die Lage nicht so ernst. Denn Gaskraftwerke sind seit dem Ausstieg aus der Atomkraft die teuerste Stromquelle Deutschlands.

Mittlerweile dürften alle wissen, dass der Gaspreis den Strompreis bestimmt. Der Strommarkt folgt dem Merit-Order-Prinzip, das Erzeuger mit niedrigen Grenzkosten bevorzugt: Zuerst speisen günstige Energiequellen Strom ein, erst danach kommen die teureren. Erst wenn erneuerbare Energien den Bedarf nicht decken können, werden Gaskraftwerke zugeschaltet – mit enormen Kosten. Gas wird immer teurer sein als erneuerbare Energien. Zudem werden steigende CO₂-Preise fossile Energien langfristig aus der Merit-Order verdrängen. Die einzige Möglichkeit, Gaskraftwerke günstig zu machen, besteht daher in massiven staatlichen Subventionen – wie schon bei der Atomenergie. Genau das verbirgt sich hinter dem wohlklingenden Begriff „Kapazitätsmarkt.“

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/eu-verbot-fossile-energien

Neue fossile Energieprojekte in Europa verbieten

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Die wirksame Strategie zur Senkung der Strompreise und für eine sichere Energieversorgung in Deutschland liegt im Ausbau erneuerbarer Energien, moderner Speichertechnologien, intelligenter Nachfrageflexibilität und einer klugen Reform des Stromsystems. Unser Ziel muss ein vielfältiges, speicherbasiertes und unabhängiges Erzeugungsprofil sein, das Gaskraftwerke ganz aus der Merit-Order verdrängt.

Sicherheit für Deutschland und Europa wird es nur geben, wenn wir uns in unserem Energiesystem mit einem „Rambo-Zambo“-Ausbau der Erneuerbaren unabhängig von fossilen Importen machen. Das ist auch der einzige Weg, dem größten Sicherheitsrisiko der Menschheit entgegenzutreten: der Klimakrise.

Dieser Text von Sophia van Vügt, Greenpeace-Expertin für Klima und Energie, und Constantin Zerger, Leitung Fachbereich Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe, erschien ursprünglich als "Standpunkt" bei Climate.Table.

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