Kein neues Gas in Bayern!
Neue fossile Projekte bedrohen unsere Umwelt und unser Klima
Bayern hat neue Erdgasprojekte genehmigt. In der Region um Reichling wächst der Widerstand dagegen: CSU und Grüne im Landkreis haben gemeinsam gegen Aiwangers Pläne gestimmt. Ein Erfolg für Greenpeace.
- Ein Artikel von Georg Thanscheidt
- mitwirkende Expert:innen Stefan Krug & Saskia Reinbeck
- Überblick
Kaum war der Schlamm der Klima-Flut im Juni 2024 getrocknet, schon befeuerte die bayerische Landesregierung aus CSU und Freien Wählern die Erderhitzung weiter: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) genehmigte eine Bohrung nach Erdgas im oberbayerischen Reichling. Ein Jahr später - im August 2025 - wurde direkt neben einem europäischen Schutzgebiet für bedrohte Tiere und Pflanzen ein Bohrturm errichtet. Sechs Wochen stand er dort. Derzeit wird das zu Tage geförderte Kohlenwasserstoff-Gemisch durch die Betreiber-Firma analysiert. Bis spätestens Juni 2026 sollen die Ergebnisse vorliegen - dann muss Aiwanger entscheiden, ob er eine Förderung zulässt.
3000 Meter unter dem Areal an den Lech-Auen werden bis zu 500 Millionen Kubikmeter fossiles Gas vermutet. Die Bohrung in dem 10 Quadratkilometer großen Aufsuchungsgebiet namens “Lech” könnte der Auftakt zu weiteren Bohrungen in der Region und darüber hinaus sein: Das angrenzende Gebiet “Lech Ost” ist mehr als 100 Quadratkilometer groß und erstreckt sich bis zum Ammersee. Unter “Lech” und “Lech Ost” werden bis zu zwei Milliarden Kubikmeter Gas vermutet. An zehn Stellen könnte am Ammersee bis Ende Juli 2026 gebohrt werden. Auch im nahegelegenen Landkreis Miesbach darf bis 2029 nach Gas gesucht werden. Und die schwarz-rote Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, “Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland” zu nutzen.
Ist Reichling also bald überall? Nicht mit uns! Seit Mai 2024 ist Greenpeace unter der Devise “Kein neues Gas” aktiv gegen Gas-Bohrungen in Bayern. Gemeinsam mit der „Bürgerinitiative Reichling Ludenhausen – gegen die Ausbeutung unserer Heimat“ und einer neu gegründeten Bürgerinitiative in Dießen will Greenpeace Bohrungen in Reichling, in anderen Gemeinden in Bayern, aber zum Beispiel auch vor Borkum, verhindern.
Der Protest wird getragen von einer großen Mehrheit in der Region - wie sich Ende September 2025 bei einem Beschluss des Kreistags in Landsberg zeigte: Der sprach sich auf Initiative der CSU, der Grünen und der Vereinigung Unabhängiger Bürger mit 24 zu 17 Stimmen gegen die Gasbohrung und weitere fossile Projekte im Landkreis aus. Zudem beschloss er, keine eigenen Grundstücke für fossile Fördervorhaben zur Verfügung zu stellen. Damit stärkt er 22 Grundstücksbesitzer:innen rund um das Bohrloch den Rücken, die eine Bereitstellung ihrer Flächen für Gasleitungen oder Ähnliches bereits ein Jahr zuvor abgelehnt hatten. Der Betreiber muss laut Berggesetz nachweisen, dass er durch “erforderliche Einrichtungen unter und über Tage (...) die Gewinnung in einer angemessenen Zeit erfolgt”. Kann er das nicht, weil beispielsweise der Abtransport nicht gelingt, darf er keine Genehmigung erhalten.
Aktiv gegen Gasbohrungen in Bayern!
„Was hier in Reichling geschieht, ist Unrecht. Jedes weitere Erdgasvorkommen, das ausgebeutet wird, heizt die Klimakrise an. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat im Juli klar gemacht: Wenn Staaten nicht ihr Möglichstes tun, um die 1,5 Grad Grenze zu halten, verstoßen sie gegen das Völkerrecht. Auch Minister Aiwanger ist verpflichtet, entsprechend zu handeln.”
Und unser Widerstand wirkt: Anhaltende Proteste und Kritik an den beteiligten Firmen haben dazu geführt, dass der Bohrturm statt wie angekündigt im zweiten Halbjahr 2023 erst im August 2025 errichtet wurde. Das für die Bohrung zuständige Unternehmen, die “Energieprojekt Lech Kinsau 1 Gmbh”, hatte zeitgleich mit den Aufbauarbeiten die Verlängerung der Konzession über den 30. September 2025 hinaus beantragen müssen. Denn die Arbeiten an der Bohrstelle waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet. Wirtschaftsminister Aiwanger hat die Konzession daraufhin um weitere zwei Jahre verlängert. Und das obwohl Rechtsanwältin Roda Verheyen zuvor in einem Kurzgutachten für Greenpeace schlüssig dargelegt hat, dass Aiwanger die Verlängerung der Konzession versagen kann und sogar versagen muss.
Kurzgutachten Verlängerung Aufsuchungserlaubnis
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HerunterladenDie ursprüngliche Erlaubnis zur Suche nach Gas wurde im Oktober 2022 dem Unternehmen Genexo Gas GmbH durch Wirtschaftsminister Aiwanger erteilt - und vom Freie-Wähler-Politiker per Pressemitteilung bejubelt. Die Betreiberfirma mit Sitz in Düsseldorf benannte sich 2025 in “Energieprojekt Lech Kinsau 1” um. Sie ist zu 80 Prozent im Besitz der MRH Mineralöl-Rohstoff-Handel GmbH mit Sitz in Düsseldorf, 20 Prozent werden von der Genexco GmbH gehalten. Letztere wurde 2023 durch das kanadische Aktienunternehmen MCF Energy gekauft. In den Chefetagen der Firma aus Vancouver sitzen unter anderem ein milliardenschwerer Filmproduzent (“American Psycho”) und ein ehemaliger Nato-General.
Die vollmundig angekündigte Erschließung eines weiteren Gasfeldes in der Ammersee-Region - nämlich “Lech Ost” verzögert sich nach Vorwürfen gegen MCF Energy: Das Unternehmen hatte in Pressemitteilungen behauptet, es erwarte dort bis Mitte 2025 eine Bohrgenehmigung, Unterlagen seien bei Behörden eingereicht worden. Stimmt so nicht, stellte sich nach Recherchen der Abendzeitung heraus: 2025 wird dort nicht gebohrt, bestätigt daraufhin die Firma. Das Vorhaben liegt erst mal auf Eis ‒ ein Teilerfolg der "Kein neues Gas"-Kampagne. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin nimmt die Mitteilungen von MCF Energy nach AZ-Informationen außerdem zum Anlass, das Geschäftsgebaren der Aktiengesellschaft unter die Lupe zu nehmen.
Gas ist extrem klimaschädlich!
Fossiles Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan, chemisch CH4. Methan erhitzt das Klima über 20 Jahre etwa 80 mal stärker als CO2, ist also viel klimaschädlicher. Aus Methanleckagen an Bohrstellen, beim Transport oder aus undichten Stellen in Pipelines entweicht es über die gesamte Lieferkette in großen Mengen in die Atmosphäre. Die CO2- Emissionen bei der Verbrennung kommen als zusätzliche Klimabelastung noch obendrauf. Erdgas ist damit ein echter Klimakiller, dessen Förderung weltweit schleunigst ein Ende haben sollte.
Koa Gas - das geht!
Es gibt verschiedene Wege, wie Gasbohrungen in Bayern verhindert werden können. Aiwanger hat bisher stets behauptet, er könne Genehmigungen für Gasbohrungen nicht verweigern. Das stimmt nicht. Das Verwaltungsrecht, die nationale Gesetzgebung und das Völkerrecht eröffnen dem Wirtschaftsminister Wege, Nein zu fossilem Gas zu sagen.
Eine verwaltungsrechtliche Lösung hat Greenpeace Bayern zusammen mit dem Bund Naturschutz am 24. Oktober 2024 vorgestellt. Dafür müsste lediglich eine Verordnung des Freistaates geändert werden. Und die Formulierung dieser Vorschrift liegt passenderweise in der Zuständigkeit von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der auch die Suche nach Gas im Freistaat genehmigt hat. Konkret geht es um das sogenannte Landesentwicklungsprogramm. Da Bayern sich bekanntlich verpflichtet hat, bis 2040 klimaneutral zu sein, könne man den Klimaschutz in diesem Programm verankern, sagt die Rechtsanwältin Lisa Hörtzsch. In einem 34-seitigen Rechtsgutachten führt die Juristin aus, dass so neue Gasbohrungen verhindert werden könnten.
Seit Juli 2025 nimmt ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs Regierungen weltweit in die Verantwortung, die Erderhitzung zu bekämpfen und unter der in Paris völkerrechtlich verbindlichen Grenze von 1,5 Grad zu halten. Diese Verpflichtung gilt für jedes staatliche Tun, auch für das der bayerischen Landesregierung. Laut Bundesberggesetz kann die Genehmigungsbehörde, die Erlaubnis versagen, wenn "überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung ausschließen". Die Bekämpfung der Erderhitzung ist in unseren Augen ein solches "überwiegendes öffentliches Interesse". Aber Aiwanger behauptet, das Bundesberggesetz lasse ihm keinen Spielraum. Das Gegenteil ist der Fall, wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der "Augsburger Allgemeine" im Juli 2025 bestätigte: Die Länder müssten „letztendlich entscheiden, ob Gas gefördert werden kann“.
Gasbohrungen unterbinden? Aiwanger könnte, wenn er wollte! Um diese politische Willensbildung einzufordern, haben Greenpeace Bayern, Bund Naturschutz und Fridays For Future die Petition "Keine neues Gas in Bayern!" auf den Weg gebracht. Der Adressat: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Bis Anfang August 2025 haben bei allen drei Organisationen zusammengenommen knapp 50.000 Menschen gegen die geplante Ausbeutung von Gas in Reichling und Holzkirchen unterschrieben. “Jede neue Gasbohrung kettet unser Land weiter an den Klimakiller fossiles Gas und blockiert die dringend notwendige Energiewende in Bayern”, stellt Saskia Reinbeck von Greenpeace Bayern fest. “Das sehen auch zehntausende Menschen so, die unsere Petition unterschrieben haben. Wir und alle diese Stimmen fordern Sie auf, Herr Aiwanger: Stoppen Sie die Gas-Bohrungen!”
Die gemeinsame Petition läuft bei allen drei Organisationen weiter. Greenpeace, Bund Naturschutz und Fridays for Future werden die Zahl der Unterschriften weiterhin zusammenzählen und dann Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger übergeben.
Was bisher geschah
Oktober 2022
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erteilt der Genexco Gas GmbH die Erlaubnis, im Feld "Lech" bis zum 30.9.2025 nach Erdgas zu suchen. Das versiegelte, vor 40 Jahren wegen Unwirtschaftlichkeit nicht genutzte Bohrloch Kinsau 1 soll dafür auf den ersten 1000 Metern genutzt werden. Danach weicht die Bohrung seitlich ab und endet in 3400 Metern Tiefe. "Wir unterstützen die Suche nach heimischen Erdgas" und "stehen auch weiteren Anträgen offen gegenüber", erklärt Aiwanger
August 2023
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erteilt der Genexco GmbH die Erlaubnis, im Feld "Lech Ost" bis zum 31.7.2026 nach Erdgas zu suchen. Das Feld ist mit 100 Quadratkilometern zehn Mal so groß wie das Feld in Reichling und erstreckt sich von dort westwärts bis ins Gemeindegebiet von Dießen am Ammersee. Die Genexco GmbH wurde während des Genehmigungsverfahrens vollständig vom kanadischen Investor MCF Energy übernommen.
Mai 2024
Die Bürgerinitiative Reichling Ludenhausen gründet sich.
Juni 2024
1.6.2024: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erteilt Terrain Energy die Erlaubnis, im Feld "Mühlleite" bis 31.5.2029 im Raum Holzkirchen/Otterfing nach Gas zu suchen. Terrain Energy wurde von der britischen Firma Evoterra übernommen.
13.6.2024: Die Bürgerinitiative und Greenpeace Bayern protestieren vor dem Wirtschaftsministerium in München mit einem 3,50 Meter großen aufblasbaren Bohrturm.
26.6.2024: Das Bergamt Südbayern erlaubt mit Auflagen die Gasbohrung im Feld "Lech" auf Reichlinger Gemeindegebiet
28.6.2024: Bürgerinitiative, Greenpeace und Bund Naturschutz informieren erstmals in einer ausschließlich dafür vorgesehenen Informationsveranstaltung in Reichling die Bürger:innen.
Juli 2024
4.7.2024: 150 Menschen bei einer Kundgebung am Bohrplatz, das gelbe "Koa Gas"-X wird an der Kreisstraße aufgestellt.
22.7: Landrat Thomas Eichinger (CSU) und der komplette Reichlinger Gemeinderat positionieren sich gegen die Gasbohrung und kündigen Protestschreiben an Aiwanger an.
August 2024
Bäume statt Bohrturm! 17 Greenpeace-Aktivist:innen pflanzen im Morgengrauen zehn Bäume auf dem Bohrplatz.
September 2024
5.9.2024: Grundstücksbesitzende rund um die Bohrstelle erklären in einem Schreiben an Genexco, dass sie ihren Grund und Boden im Falle einer Förderung nicht für Infrastruktumaßnahmen wie Pipelines zur Verfügung stellen.
14.9.2024: "Koa Gas"-Protestfest in Dießen
Oktober 2024
2.10.2024: "Jetzt red i" im Bayerischen Fernsehen mit Minister Aiwanger zum Thema Gasbohrung
16.10.2024: Die Herrichtung des Bohrplatzes beginnt.
24.10.2024: Vorstellung des Rechtgutachtens "Klimaschutz verpflichtet. Wie Bayerns Wirtschaftsminister Gasbohrungen im Freistaat verhindern kann" durch Greenpeace Bayern und Bund Naturschutz in Bayern. Die Petition "Kein neues Gas in Bayern" beginnt.
28.10.2024 Genexco informiert erstmals auf einer extra dafür vorgesehenen Veranstaltung über ihre Pläne im Feld "Lech".
November 2024
Aktivist:innen von Greenpeace und Fridays for Future protestieren in zahlreichen Städten in Bayern unter dem Motto "Kein neues Gas".
Dezember 2024
Greenpeace-Aktivist:innen protestieren mit einem brennenden CO2-Zeichen vor der Bohrstelle. 120 Demonstrant:innen ziehen zwei Tage später in einem Lichterspaziergang vom Reichlinger Rathaus zum Bohrplatz.
Mai 2025
1200 Menschen auf der "Koa Gas"-Demo in Reichling.
Juli 2025
Fast 50.000 Menschen haben die Petition "Kein neues Gas in Bayern" unterzeichnet.
August 2025
1.8.2025 Greenpeace-Aktivist:innen protestieren auf dem Bohrplatz in Reichling gegen Gasbohrungen in Bayern.
8.8.2025 Die Gasbohrung hat begonnen, vermutliche Dauer bis Anfang September.
September 2025
Der Kreistag Landsberg spricht sich mit breiter Mehrheit gegen Gasbohrungen im Landkreis aus und beschließt, für fossile Projekte keine Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Minister Aiwanger verlängert die Konzession für die Aufsuchung von Gas in Reichling für weitere zwei Jahre.