
Gas zerstört!
Neue fossile Projekte bedrohen Klima, Meere und Umwelt
Deutschlands aktuelle Gaspolitik fördert neue fossile Projekte. Eins im Wattenmeer vor Borkum, andere vor Senegal oder vor Australien. Dabei gefährden Gasförderung und -verbrennung Klima und Umwelt.
- Ein Artikel von Sonka Terfehr und Andi Nolte
- Überblick
Gas zerstört – egal wo und wie es gefördert wird! Erdgas ist klima- und umweltschädlich und befeuert das Artensterben im Meer und an Land. Die aktuelle Gas-Politik der Bundesregierung gefährdet die Gesundheit unserer Meere und von uns Menschen. Denn sie sieht nicht nur vor, weiterhin Gas aus bestehenden Projekten zu importieren. Die Bundesregierung unterstützt auch die Erschließung neuer Erdgasfelder – sowohl in Deutschland als auch im Ausland.
Rund zwanzig Kilometer nordwestlich der Nordseeinsel Borkum, in unmittelbarer Nähe zum UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer, will das niederländische Unternehmen ONE-Dyas ein neues Erdgasfeld erschließen. Der vorgesehene Standort der Produktionsplattform befindet sich etwa 500 Meter entfernt von der deutschen Grenze auf niederländischer Seite und in unmittelbarer Nähe zu mehreren Naturschutzgebieten. Schon in diesem Jahr starten die Vorbereitungen für das Projekt. Ab Ende 2024 will ONE-Dyas hier Gas aus insgesamt zwölf Bohrungen fördern – sowohl auf niederländischem als auch auf deutschem Hoheitsgebiet. In einer ersten Phase plant der Konzern, 4,5 bis 13 Milliarden Kubikmeter Gas zu fördern. Durch die Verbrennung würden bis zu 26 Millionen Tonnen CO2 entstehen, was in etwa den jährlichen Emissionen von Rheinland-Pfalz entspräche.
Gericht stoppt Bohrung - aber nur vorerst
Am 25. April haben Deutschen Umwelthilfe (DUH), die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland sowie Mobility For The Environment (MOB) immerhin einen Teilerfolg vor einem niederländischen Gericht erzielt: die Rechtbank Den Haag untersagt ONE-Dyas per einstweiliger Verfügung, mit den Bohrungen zu beginnen, bevor nicht alle Verfahren in der Sache abgeschlossen sind. Auf deutscher Seite kann sich das allerdings noch hinziehen: Greenpeace deckte auf, dass die Politik ein Gutachten zu dem Gebiet geheim gehalten hat. Nun muss es im Genehmigungsverfahren berücksichtig werden. Ursprünglich plante der Konzern, bereits im Mai eine Bohrplattform vor Borkum zu installieren. An den eigentlichen Plänen von ONE-Days ändert das aber erst mal nichts. Deswegen bleibt Greenpeace am Thema dran.

“Wir können uns keine neuen Gasprojekte mehr leisten. Die Pläne von ONE-Dyas sind nicht nur eine weitere, massive Bedrohung für das Klima, sondern auch für die Artenvielfalt in der Nordsee. Der Lärm der Bauarbeiten und die Verschmutzung durch den Betrieb solcher Plattformen bringt Robben, Schweinswale und viele weitere Lebewesen in Gefahr.”
Tauchende entdecken schützenswerte Riffstrukturen nahe Bohrstelle
Im April 2023 haben die von Greenpeace beauftragten Forschungstaucher:innen der Firma Submaris in der Nähe der geplanten Bohrstelle auf niederländischer Seite und in unmittelbarer Nähe der Kabeltrasse zum Windpark Riffgat auf deutscher Seite stark bewachsene Steine aufgefunden. Sie sind Lebensraum für Hummer, Taschenkrebse und eine Vielzahl an Fischen. Auch diese wunderschönen Steinriffe und die davon abhängigen Lebewesen wären unmittelbar von den Gasborhungen vor Borkum betroffen.
So schön ist das Riff vor Borkum
Gas ist extrem klimaschädlich!
Fossiles Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan, chemisch CH4. Methan erhitzt das Klima über 100 Jahre 28 mal stärker als CO2, ist also viel klimaschädlicher. Aus Methanleckagen an Bohrstellen, beim Transport oder aus undichten Stellen in Pipelines entweicht es über die gesamte Lieferkette in großen Mengen in die Atmosphäre. Die CO2- Emissionen bei der Verbrennung kommen als zusätzliche Klimabelastung noch obendrauf. Erdgas ist damit ein echter Klimakiller, dessen Förderung weltweit schleunigst ein Ende haben sollte.
Niedersächsische Gaspolitik gefährdet das Wattenmeer

© Greenpeace
Der niedersächsische Landtag hatte dem Vorhaben 2021 zunächst die Zustimmung verweigert, da es mit den eigenen Meeres- und Klimaschutzielen nicht vereinbar sei. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war die Angst einer drohenden Gasmangellage offenbar größer, als die Sorge um eine intakte Umwelt: der Beschluss wurde revidiert. Dabei ignoriert die Landesregierung, dass Deutschland dieses Gas nicht für seine Energieversorgung braucht: Die jährliche Menge an Gas, die vor Borkum gefördert werden könnte, ist vernachlässigbar klein. Nicht einmal ein Prozent des derzeitigen jährlichen Gasbedarfs könnte Deutschland hierdurch zur Verfügung gestellt werden.
Alle zuständigen niederländischen Behörden haben dem Projekt bereits grünes Licht gegeben. Gegen diese Genehmigungen liegen allerdings noch Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland und Mobility For The Environment (MOB) und von Inselgemeinden vor.
Auf deutscher Seite läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren beim Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Auch dagegen haben Umweltverbände und betroffene Inserbewohner:innen zahlreiche Einwände erhoben und fordern das Amt auf, den Antrag abzulehnen. Die Entscheidungshoheit über das Vorhaben liegt bei der niedersächsischen Landesregierung. Das von Greenpeace veröffentlichte Rechtsgutachten “Gasbohrung vor Borkum rechtswidrig” kommt allerdings zu dem Schluss, dass die Bohrungen nicht mit Klima- und Meeresschutz vereinbar und somit nicht genehmigungsfähig sind. Die Regierung handelt demnach rechtswidrig, wenn sie das neue Gasprojekt in der Nordsee zulässt.
Aktion am 3. Mai in Hannover
Auf deutscher Seite läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren beim Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Auch dagegen haben Umweltverbände und betroffene Inserbewohner:innen zahlreiche Einwände erhoben und fordern das Amt auf, den Antrag abzulehnen. Die Entscheidungshoheit über das Vorhaben liegt bei der niedersächsischen Landesregierung.
Überdimensionierter Ausbau der LNG-Infrastruktur
Seit kein Erdgas aus Russland mehr nach Deutschland fließt, boomen hierzulande die Importe von Flüssiggas (LNG) aus aller Welt und der Ausbau der LNG-Infrastruktur wird massiv vorangetrieben. Drei neue LNG-Terminals sind 2022 an deutschen Küsten ans Netz gegangen, acht weitere sollen folgen. Dabei zeigen mehrere Studien zur Gasversorgung, unter anderem des New Climate Institute und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass die geplanten Kapazitäten Deutschlands heutigen Gasbedarf bei Weitem übersteigen. Das derzeit geltende LNG-Beschleunigungsgesetz erlaubt einen nahezu uneingeschränkten Betrieb der neuen und geplanten LNG-Terminals bis Ende 2043.
So hält die Bundesregierung weiter am Bau eines riesigen Flüssiggasterminals vor Rügen fest, aus dem sich selbst der Energiekonzern RWE kürzlich als Dienstleister zurückgezogen hat. Und der Staatskonzern Uniper plant einen so genannten Energy-Hub in Wilhelmshaven. Gegen beide Projekte gibt es massive Proteste von Umweltverbänden und lokaler Bevölkerung.
Dieser neue Gasboom ist mit dem selbst gesteckten Klimaziel, bis 2045 Klimaneutralität für Deutschland zu erreichen, nicht vereinbar. Das gilt nicht nur für den Ausbau der fossilen Infrastruktur hierzulande: Auch die Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Erschließung eines neuen Gasfeldes vor der Küste Senegals mitzufinanzieren – das in unmittelbarer Nachbarschaft zum größten Kaltwasserkorallenriff der Welt liegt – und später von dort LNG zu beziehen, laufen den eigenen Klimazielen entgegen.
RWE und Staatskonzern Uniper an Riffzerstörung vor Australien beteiligt
Fernab der deutschen Öffentlichkeit wollen die deutschen Konzerne RWE und Uniper zudem Gas von einem der größten und klimaschädlichsten fossile Projekte in der Geschichte Australiens kaufen. Wie in der Nordsee vor Borkum ist auch hier eine einzigartige Meeresumwelt in Gefahr. Der australische Energiekonzern Woodside plant mit dem “Burrup Hub” vor der Küste Westaustraliens nach heutigem Stand bis zu 84 Bohreinheiten in mehr als 900 Meter Tiefe. Hunderte Kilometer Pipelines sollen durch artenreiche Rifflandschaften und die Wanderrouten von gefährdeten Walen verlegt werden. Auch hier befinden sich Meeresschutzgebiete und UNESCO-Weltnaturerbe in unmittelbarer Nähe, die Lebensräume für Meeresschildkröten, Seekühe, Walhaie, Korallen und viele andere besonders schützenswerte Lebewesen sind. Uniper und RWE haben jeweils Abnahmeverträge mit Woodside geschlossen und sind derzeit die Hauptabnehmer des künftig zu fördernden Gases. Das erste Gas soll frühestens ab 2026 zur Verfügung stehen. Beide Unternehmen betonen öffentlich gerne ihre Bemühungen um den Klimaschutz und die selbsterklärten Ziele zur CO2-Neutralität bis 2035 (Uniper) bzw. 2040 (RWE). Die Unternehmen können ihre Versprechen nur halten, wenn sie sämtliche Investitionen aus neuen fossilen Projekten abziehen und ausschließlich in den Ausbau der erneuerbaren Energien umlenken. Die Bundesregierung hat Uniper Ende 2022 verstaatlicht und damit vor der Pleite gerettet. Damit steht die Bundesregierung hier in der besonderen Verantwortung, Klima- und Umweltschäden durch das Unternehmen zu verhindern.
Ob im Wattenmeer, an australischen Korallenriffen oder vor der Küste Senegals: Jedes neue Erdgasprojekt schafft neue Abhängigkeiten, kettet uns über weitere Jahrzehnte an schmutzige fossile Energieträger und bremst die Energiewende aus. Weltweit muss daher Schluss sein mit der Erschließung neuer Gasquellen. Deutschland muss sich bis 2035 komplett von fossilen Energien unabhängig machen. Das heißt auch, dass neue Gasbohrungen wie vor Borkum oder feste Flüssiggas-Terminals gestoppt werden müssen. Sichere und saubere Energie gibt es nur aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen.

Gasbohrungen gefährden Schweinswale
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Rechtsgutachten: Gasbohrung vor Borkum rechtswidrig
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HerunterladenHäufig gestellte Fragen zur Gasförderung vor Borkum
Was für Pläne zur Förderung von Gas in der Nordsee gibt es?
Etwa 20 km nordwestlich von Borkum will ONE-Dyas nach Gas bohren und eine neue Förderinfrastruktur aufbauen. Die Installation von Förderplattform und Pipeline werden in einem sensiblen Meeresschutzgebiet passieren, das sich in unmittelbarer Nähe (etwa 15 km entfernt) des UNESCO-Weltkulturerbes Wattenmeer befindet und besonderen Schutz genießen sollte. Schweinswale, Robben, Riffe und Seegraswiesen wären durch das Projekt in Gefahr. Darüber hinaus befeuern alle neuen fossilen Projekte die Klimakrise und zementieren den fossilen Lock-In.
Welche Auswirkungen haben die geplanten Gasbohrungen auf das Ökosystem Wattenmeer?
Pipelines und Stromtrassen werden am Meeresgrund verlegt, Bohrlöcher in den Boden gerammt – insbesondere artenreiche Steinriffe sind hier durch Vergrabunden und Sedimentaufwirbelungen bedroht. Die Bauarbeiten verursachen außerdem viel Lärm, der Meeressäugern wie Robben und den ohnehin in der Nordsee stark bedrohten Schweinswalen zusätzlichen Stress bereitet.
Bei der Gasförderung selbst gelangen Abwässer ins Meer, die unter anderem Schwermetalle wie Quecksilber oder krebserregende Substanzen wie Benzol enthalten. Die Wasserqualität an der Emsmündung ist ohnehin durch die dort angesiedelte Industrie in keinem guten Zustand. Die zusätzliche Belastung hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt im Meer. Bei Unfällen wäre der Schadstoffeintrag noch gravierender.
Ist Gas klimafreundlich?
Nein, Gas ist nicht klimafreundlich und auch keine saubere Energiequelle. Das Image, Gas sei grün, ist überholt. Erdgas heizt das Klima gleich doppelt auf – durch Methaneinträge bei Förderung, Speicherung und Transport des Gases sowie durch CO2-Emissionen bei der Verbrennung.
Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und ist extrem klimaschädlich. Jede Tonne Methan heizt die Erde über 20 Jahre betrachtet 84 mal so stark auf wie die gleiche Menge Kohlendioxid. Wie für alle fossilen Energiequellen gilt auch bei Erdgas: Wir müssen schnellstmöglich aussteigen, wenn wir die Klimaschutzziele von Paris noch einhalten wollen.
Was sind Alternativen zu Gas?
Anstatt weiterhin in die Infrastruktur fossiler Energieträger zu investieren und diese damit auch zukünftig zu stärken, sollten alle Investitionen ab sofort nur noch in Zukunftsenergien, also erneuerbare Energien, fließen.
Bis Deutschland eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien erreicht hat, können bereits bestehende Strukturen für Gasimporte, zum Beispiel aus Norwegen, genutzt werden. Neue Gasinfrastuktur sollte generell nicht mehr entstehen. Der Verbrauch von Gas muss dringend gesenkt werden. Hier kann vor allem bei der Sanierung von Gebäuden angesetzt, klare Ziele dafür formuliert und diese durch Förderungen umgesetzt werden.
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