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Leak: Handelsabkommen zwischen EU und Japan mit schwachen Umweltschutzstandards

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Die Verhandlungen zum gescheiterten TTIP-Abkommen waren alles andere als transparent – sie wurden dank Greenpeace immerhin etwas durchsichtiger. Erneut bringt die Umweltorganisation durch einen Dokumente-Leak Licht ins Dunkel internationaler Wirtschaftsverhandlungen: Heute veröffentlicht Greenpeace Niederlande bislang geheim gehaltene Verhandlungstexte des europäisch-japanischen Handelsabkommens JEFTA. Die Papiere belegen: Umwelt- und Klimaschutz sowie Sozial- und Arbeitsstandards werden zugunsten des Investitionsschutzes vernachlässigt, in vielerlei Hinsicht ist JEFTA noch schlechter als TTIP. Die Dokumente finden Sie hier.

 

Die jetzt veröffentlichten Texte stammen aus der Zeit von der Erteilung des Verhandlungsmandates 2012 bis Februar 2017. Seitdem gab es weitere Verhandlungsrunden, aber die EU-Kommission hat entgegen ihres Transparenzversprechens bislang nur oberflächliche Reports veröffentlicht. 

 

Einsehbar sind seit heute 200 Seiten des JEFTA-Vertragsentwurfes, über den bislang nur wenig an die Öffentlichkeit drang. Offenbar mit gutem Grund. Was die Europäische Union und Japan im Geheimen ausgekungelt haben, hat für Verbraucher weitreichende Folgen: Auf nationaler und kommunaler Ebene wird es zunehmend schwieriger, neue Umwelt- oder Arbeitsschutzregeln zu erlassen, weil diese als „nichttarifäres Handelshemmnis“ gelten und dagegen vor privaten Schiedsgerichten geklagt werden könnte.

 

Undurchsichtiger als TTIP?

Zunächst ist da aber noch die Sache mit der Transparenz. Bei den TTIP-Verhandlungen hatten zumindest gewählte Volksvertreter späten, eingeschränkten Zugang zu den Dokumenten – wenngleich sich das als ausgesprochen unbefriedigendes Verfahren erwies. Für JEFTA gibt es nicht einmal das. Außerdem hatte die EU-Kommission bei den TTIP-Verhandlungen ihre Position zu 24 Kapiteln öffentlich gemacht. Wie diese bei dem europäisch-japanischen Vertragswerk aussieht? Keine Ahnung. Gerade einmal zwei Kapitel des JEFTA-Vertragsentwurfs waren bislang bekannt.

Das ändert sich mit der Veröffentlichung durch Greenpeace Niederlande. Die Dokumente belegen, wie die EU daran scheitert, mittels ihrer Handelspolitik Umweltschutzstandards durchzusetzen.

Fallbeispiel 1: Der Walfang

Obwohl das Europäische Parlament die Europäische Kommission ausdrücklich dazu anhielt, im Vertragstext auch den japanischen Walfang zu thematisieren, ist das nicht geschehen. Japan ist eines von drei Ländern weltweit, die Wale jagen – und der einzige Staat, der das auch außerhalb der eigenen Gewässer tut. JEFTA beinhaltet lediglich ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung, das sich zum Washingtoner Artenschutzabkommen bekennt. Für Japan bleibt das allerdings folgenlos: Wale werden darin zwar als gefährdete Art geführt, der Walfang selbst wird aber in dem Abkommen nicht reguliert.

Fallbeispiel 2: Die Holzindustrie

Japan ist der größte Holzimporteur der Welt – sowie einer der Hauptumschlagplätze für illegal geschlagenes Holz. Als einziges G7-Land hat Japan kein Gesetz gegen die Einfuhr von unrechtmäßig geschlagenen Hölzern, lediglich freiwillige Zusagen. Obwohl all das bekannt ist, ergeht sich der Vertragstext in Unverbindlichkeiten: Da ist davon die Rede, dass Japan in Bezug auf illegale Rodungen „die Wichtigkeit erkennen“ müsse; statt konkreter Vorschläge für Maßnahmen gibt es sachte Ermahnungen und den Wunsch, man möge „Informationen und Erfahrungen austauschen“.

Im Text des kontroversen TPP-Abkommens, der Transpazifischen Partnerschaft zwischen zwölf Pazifikanrainerstaaten, las sich das noch anders. Darin erklärte sich Japan bereit, gesetzlich gegen illegale Abholzung und illegalen Holzhandel vorzugehen. JEFTA ist in der Frage weitaus schwächer formuliert, obwohl es mit TPP eigentlich einen Präzedenzfall gibt. Diese Zaghaftigkeit ist paradox, widerspricht sie doch den Bemühungen der EU, weltweit Länder für den Waldschutz zu gewinnen. Es ist ein gefährliches Signal an Länder, die bislang keine derartigen Verpflichtungen eingegangen sind.

Fallbeispiel 3: Die Gerichtsbarkeit

Das JEFTA-Abkommen soll Firmen erlauben, mittels Schiedsgerichten Regierungen zu verklagen, wenn sie ihre Investitionen in Gefahr sehen – das widerspricht Verbraucherinteressen in eklatanter Weise und wurde von Greenpeace bereits bei TTIP und CETA kritisiert. Die EU-Kommission und Japan sind sich noch nicht einig, auf welche Paralleljustiz sie sich einigen: Eine mit rein privaten Schiedsrichtern oder ein neueres System, das wenigstens eine Berufungsinstanz vorsieht. Dass umgekehrt Länder vor Schiedsgerichten gegen Konzerne und Investoren klagen dürfen, ist in dem Vertrag nicht vorgesehen.

Schwache Sprache, schwerwiegende Folgen

 

Besonders auffällig ist das Fehlen des Vorsorgeprinzips im JEFTA-Abkommen. Es sieht beispielsweise vor, dass nur solche Produkte auf den Markt kommen, deren Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit zweifelsfrei belegt sind. Sowohl die EU als auch Japan sind in Auseinandersetzungen mit der Welthandelsorganisation überzeugte Verfechter dieses Grundsatzes. Kurios: In den Handelsvereinbarungen untereinander spielt er offenbar keine Rolle mehr.

 

Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven kritisiert die Inhalte der bekannt gewordenen Verhandlungstexte scharf: „Dieses Abkommen darf auf keinen Fall in Kraft treten, wenn Klima- und Umweltschutz sowie Sozial-, und Arbeitsstandards nicht gefährdet werden sollen.“

 

In einem Beitrag im Magazin „Greenpeace-Nachrichten“ schildert Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, wie ein gerechter Welthandel aussehen kann. JEFTA ist ein besonders negatives Beispiel dafür, wie der internationale Handel eben nicht sein darf: „Der EU-Japan-Vertrag steht für den Geist der Verträge, wie sie bisher verhandelt wurden und werden. Einer ist schlechter als der andere“, sagt Heuss. „Sie stellen die Interessen von Investoren über den Umwelt- und Verbraucherschutz.“

 

Greenpeace hat zehn Prinzipien formuliert, an denen sich Handel und Investitionspolitik orientieren sollen. Die Leitlinien finden Sie hier.

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