
Aufgedeckt: Gefahren des Tiefsee-Bergbaus auf der hohen See
Verdeckte Video-Aufnahmen der jüngsten kommerziellen Tiefsee-Bergbautests im Pazifik, die Greenpeace zugespielt wurden, zeigen, wie die Bergbauindustrie die Tiefsee zerstört.
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Produktionsabwässer mit Gesteinstrümmern und vom Meeresboden abgesaugtem Sediment werden über der Tiefsee ins Meer geleitet. Die ökologischen Auswirkungen: unbekannt. Das zeigt Filmmaterial, das bei Tiefseebergbautests im Pazifik entstand.
Die bei den Tests entstehenden weitreichenden Sedimentfahnen sind - neben der direkten Zerstörung des empfindlichen Meeresbodenökosystems durch die schwere Abbaumaschine (“Kollektor”) - eine der schlimmsten Umweltauswirkungen dieser Bergbauindustrie. Das herabsinkende Sediment bedeckt die Lebewesen am Meeresboden über großflächige Bereiche mit Schlick und erstickt sie. Schlick und Giftstoffe in den Abwässern können aber auch das Meeresleben im freien Wasser gefährden.
Die Tests führten das kanadische Bergbauunternehmen The Metals Company (TMC) und die Schweizer Partnerfirma sowie Anteilseignerin Allseas von Mitte September bis Mitte November 2022 mit dem Tiefseebergbauschiff "Hidden Gem" in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii durch. Laut dem Unternehmen TMC wurden dabei auf einer Strecke von 80 km über 3.000 Tonnen metallhaltige Knollen über ein kilometerlanges Steigrohrsystem eingesammelt. Bereits im Frühjahr 2021 hatten Teilnehmende verschiedener Greenpeace-Büros mit dem Schiff Rainbow Warrior in dieser Region bei Tests der Firma Global Seas Mineral Resources (GSR) gegen den Tiefseebergbau protestiert.

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Verdeckte Aufnahmen der jüngsten Tiefsee-Bergbautests im Pazifik zeigen die Einleitung von Bergbauabwässern direkt über der Tiefsee. Die Tests wurden zwischen Mitte September und Mitte November 2022 vom kanadischen Bergbauunternehmen The Metals Company (TMC) und dem Schweizer Partnerunternehmen Allseas mit dem Bergbauschiff "Hidden Gem" durchgeführt.

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Das Tiefseebergbauschiff "Hidden Gem" des Schweizer Unternehmens Allseas leitet Bergbau-Abwässer über der Tiefsee ins Meer.
Wissenschaftler:innen, die die neuen Tests überwacht und um Anonymität gebeten haben, berichten außerdem, dass Mängel im Überwachungssystem des wissenschaftlichen Programms, schlechte Probenahmepraktiken sowie Geräteausfälle die gesammelten Daten bedeutungslos machen. Den Wissenschaftler:innen zufolge waren die Messgeräte und die Testmethodik zur Messung der erzeugten Sedimentfahnen ungeeignet. Die Wissenschaftler:innen stellen die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit von TMC und Allseas in Frage: Sie behaupten, dass versucht wurde, die Unabhängigkeit von Probenahmen zu beeinflussen. So wurden die Wissenschaftler:innen ihren Aussagen nach beispielsweise aufgefordert, Proben in klarem Wasser außerhalb der Sedimentfahne zu nehmen.
Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA (International Seabed Authority) hatte den Test in Eile genehmigt. Viele wichtige Elemente eines professionellen Überwachungsversuches fehlten, darunter die Gewährleistung eines angemessenen Zugangs für unabhängige Beobachter:innen.
“Die Videoaufnahmen zeigen deutlich, dass Tiefseebergbau einen massiven Eingriff darstellt”, so Greenpeace-Meeresexperte Till Seidensticker. “Was auf den Aufnahmen nicht zu sehen ist, ist die Zerstörung am Meeresgrund.” Die Folgen für die Meeresumwelt bleiben also völlig unklar. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen im Gebiet der Clarion-Clipperton-Zone lassen darauf schließen, dass es wahrscheinlich mindestens mehrere hundert oder tausend Jahre braucht, bis sich diese Ökosysteme von der Zerstörung erholen könnten. Auch wirft der Test viele Fragen auf, was die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Meeresbodenbehörde betrifft. Till Seidensticker: “Der Tiefseebergbau birgt große Gefahren für die Meeresumwelt und die biologische Vielfalt des Ozeans, hier sollten wir das Vorsorgeprinzip anwenden und nicht etwas zerstören, das wir nicht verstehen”.
Die Unternehmen TMC und Allseas würden über einen Lizenzzeitraum von 30 Jahren eine Fläche des Meeresbodens mit einzigartigen und vielfältigen Ökosystemen zerstören, die der Landfläche von Hawaii entspricht.
Manganknollen wachsen in einer Million Jahre nur wenige Millimeter bis Zentimeter. Auf dem weichen schlammigen Tiefseeboden sind sie gleichzeitig ein wichtiger Lebensraum für viele festsitzende Tiere, z.B. Korallen, Anemonen, Schwämme sowie mit diesen zusammen lebenden oder davon abhängigen Tierarten, die einen festen Untergrund zum Leben benötigen. Ohne die Manganknollen verschwindet dieses uralte Tiefsee-Ökosystem.
