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Gigantischer Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Jänschwalde
Jörg Gläscher / Greenpeace

Kohlelobby arbeitet mit überzogenen Arbeitsplatzzahlen

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Das Horrorszenario von 100.000 Jobs, die der Klimaschutz angeblich in der Kohleindustrie bedroht, entbehren jeder Grundlage das zeigt der genaue Blick auf die Zahlen.

Es dauerte nicht lange, da schickte die Bergbaugewerkschaft IG BCE sie auf die Straße. Rund 2000 Kumpel in der Lausitz wurden zusammengetrommelt, kaum hatte Sigmar Gabriels Wirtschaftsministerium eine Klimaabgabe für veraltete Kraftwerke ab 2017 vorgestellt. Es ging um mehr als um unsichere Jobs in der Braunkohle, die in Zukunft immer weniger gebraucht werden wird. Die Kohlelobby malte gleich die ganz große Apokalypse an die Wand. Der Verdi-Chef und RWE-Aufsichtsrat Frank Bsirske sah durch Gabriels Klimaabgabe gleich 100.000 Jobs bedroht. Sein Kollege Michael Vassiliadis, Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, warnte vor nicht weniger als dem „Kollaps der großen Energieversorger und dem sozialen Blackout ganzer Regionen“.

Alleine in Brandenburg, so prophezeite SPD-Wirtschaftsminister und Kohlefreund Albrecht Gerber, stünden 30.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Doch diese Zahl ist deutlich übertrieben – das beweisen ausgerechnet Studien, die die Brandenburgische Landesregierung nach eigenen Angaben selbst herangezogen hat.

 

Über 20.000 Arbeitsplätze mehr bleiben erhalten

So hat das Wirtschaftsministerium des Landes im Jahr 2012 eine Prognose über die Weiterentwicklung seiner Energiestrategie erstellen lassen, verfasst unter der Voraussetzung, dass Kohlekraftwerke nach und nach vom Netz gehen werden. Laut dieser Studie würden lediglich 9270 Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie wegfallen; darunter 3500 sogenannte indirekte Arbeitsplätze, also Beschäftigungen aus Zulieferbranchen. Weniger als 10.000 Jobs also statt 30.000 – ein gewaltiger Unterschied.

Hat Brandenburgs Wirtschaftsminister Gerber also vielleicht aus Versehen eine Null zu viel angehängt? Wohl kaum, denn die übertriebene Zahl von 33.505 verwenden unter anderem auch Vattenfall und Braunkohle-Lobbyisten, die sich dabei auf eine andere Studie aus dem Jahr 2011 berufen. Deren Auftraggeber: Vattenfall selbst.

Die Landesregierung verlässt sich bei ihren Kalkulationen also lieber auf Untersuchungen eines Kohlekonzerns statt auf die eigene Studie. Dabei, so Heide Schinowsky, energiepolitische Sprecherin der Grünen in Brandenburg, seien die Ergebnisse der Vattenfall-Studie durch die Anwendung von Branchenstatistiken und fehlerhaften Modellen schöngeredet. Der Zahlen-Gigantismus erhält also genügend Futter – während die Studie von 2012 kaum an die Öffentlichkeit dringt.

Interessengesteuerte Rechnungen verzerren die Realität

In einem Hintergrundpapier setzt sich die Umweltschutzgruppe Grüne Liga kritisch mit den vorhandenen Studien auseinander und lichtet den Zahlen-Dschungel um die Zukunft der Energiebranche. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass die Job-Auswirkungen eines Kohleausstiegs stark vom Einfluss der Interessengruppen gefärbt sind – und somit völlig übertrieben dargestellt werden. Damit sind auch die von Politikern wie Gerber kommunizierten Zahlen unbrauchbar und lassen deshalb keine sachlichen Diskussionen zu.  

Zahlen-Jongleure drücken also die Qualität politischer Diskussion über ein zukunftsrelevantes Thema – auf Kosten des Klimas und der Beschäftigten in der Kohleindustrie. Das ist ein unwürdiges Spiel mit der Zukunft der Bergleute. Statt Zahlen bedrohlich aufzublähen, sollten Politik und Gewerkschaften lieber frühzeitig den unausweichlichen Strukturwandel gestalten. 

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