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Johanna Buck von Fridays for Future
privat

Schulstreik fürs Klima: Interview mit Fridays-for-Future –Aktivistin Johanna Buck

Es werden immer mehr: Am 15.März demonstrierten in Deutschland 300.000 Kinder und Jugendliche in über 230 Städten für mehr Klimaschutz. Weltweit gab es in mehr als 2000 Städten in 125 Ländern Schülerstreiks fürs Klima. 23.000 Wissenschaftler haben Scientists for Future gegründet, auch Parents for Future gibt es schon.

Johanna Buck, 18, aus dem Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist eine der streikenden Schülerinnen. Sie engagiert sich in einer Greenpeace-Jugend-AG  und ist Mitorganisatorin der Berliner Fridays for Future. Bevor am kommenden Freitag Greta Thunberg nach Berlin kommt, die 16-jährige Schwedin, die die Schülerstreiks ins Rollen brachte, spricht Johanna Buck mit Greenpeace über ein Leben zwischen Interviews und Orga-Treffen, über den Vorwurf des Schuleschwänzens und darüber, was die Welt jetzt braucht, um den Klimawandel noch zu stoppen.

Greenpeace: Am Freitag kommt Greta Thunberg zu eurer Fridays-for-Future-Demo nach Berlin. Was erhoffst du dir?

Johanna Buck: Dass noch mehr kommen als in der Vergangenheit. Viele meinen, die letzten Proteste seien der Höhepunkt der Bewegung gewesen. Und nun würden sie wieder abflauen. Aber ich hoffe doch, sie werden noch größer und noch lauter.

Was wirst du Greta fragen, wenn du sie triffst?

Greta hat mit ihrer klaren, bildhaften Sprache unheimlich viele Menschen erreicht. Als sie sagte: „Ich will, dass ihr in Panik geratet. Handelt, als ob euer Haus brennt, denn es brennt“ –  ich glaube, das hat viel mehr Menschen betroffen gemacht als die bloßen Klimafakten.

Mich brauchte Greta nicht wachrütteln; ich engagiere mich schon seit ich 15 bin für mehr Klimaschutz. Aber wenn ich wirklich die Gelegenheit bekomme, mit Greta zu sprechen, würde ich sie gerne fragen, wie sie damit umgeht, dass sich ihr Leben so radikal verändert hat. Was es mit ihr macht, dass sie jetzt so berühmt ist.

Ganz so berühmt bist du ja nicht. Trotzdem: Hat sich dein Leben auch verändert; hast du dich verändert?

Ich hab mich nicht verändert. Aber mein Leben ist anders geworden. Dauernd Interviewanfragen, auf den Freitagsdemos sind überall Kamerateams um einen herum – an so viel Aufmerksamkeit habe ich mich erst gewöhnen müssen.

Manchmal fragen Journalisten: „Was machst du so in deiner Freizeit?“, und dann denke ich, ach ja, früher gab es mal so was wie Freizeit. Heute komme ich oft erst um 21 Uhr nach Hause, weil wir nach der Schule noch Planungsmeetings, Plenum oder Orga-Treffen hatten. Um 13.20 endet die Schule, und dann halte ich meistens schon mein Handy in der Hand, um mich um die unzähligen Anrufe, Anfragen und Mails zu kümmern, die am Vormittag aufgelaufen sind.

Was sagen deine Eltern und Lehrer zu den Schülerstreiks?

Meine Mutter ist stolz auf mich. Mein Lehrer im Politik-Leistungskurs findet, dass ich gerade Politik-Unterricht lebe und unterstützt mich. Aber die Schule sieht mein Engagement nicht gerne. Ich darf zum Beispiel nicht öffentlich für die Schulstreiks werben. Plakate aufhängen oder Handzettel verteilen ist auch verboten.

Warum streikt ihr freitags in der Schulzeit und nicht zum Beispiel samstags?

Die Frage finde ich immer albern. Die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe streiken ja auch nicht Montagnacht, wenn keiner mit der U-Bahn fährt, sondern morgens im Berufsverkehr. Wir streiken aus dem gleichen Grund freitags: Weil es wehtun soll. Wir wollen ja Druck erzeugen. Und nicht niedliche Schülerinnen und Schüler mit goldigen Plakaten sein.

Was fordert ihr ganz konkret?

Dass jetzt endlich Ernst gemacht wird beim Klimaschutz. Dass spätestens 2030 Schluss ist mit Kohlestrom, dass es eine Verkehrswende gibt, eine Agrarreform. Dass endlich die Treibhausgase sinken, damit die Menschen den Klimawandel noch aufhalten können. Die Politiker müssen Schluss machen mit Reden und endlich klare Vorgaben entwickeln, wie sie die Pariser Klimaziele zu schaffen gedenken. 

Selbst wenn das alles beschlossen würde, dauerte die Umsetzung ja noch Jahre. Wie lange wollt ihr streiken?

Auf jeden Fall so lange, bis die Politikerinnen und Politiker ernsthaft ins Handeln kommen. Es macht mich wahnsinnig, wie viel geredet und diskutiert wird, wie viele Ausschüsse und Kommissionen gebildet werden. Mit dem Klima kann man nicht verhandeln. Das kippt einfach, wenn zu viel Kohlendioxid in der Atmosphäre ist, und dann werden sehr viele Menschen unter ganz fürchterlichen Naturkatastrophen leiden. Dagegen müssen wir jetzt was unternehmen.

Jetzt ist oft die Rede von technischen Lösungen wie synthetischen Kraftstoffen oder Fahrradwegen aus Solarpaneelen. Was hältst du davon?

Das sind spannende Ansätze und ich finde es richtig und wichtig, dass wir uns weiterentwickeln. Trotzdem müssen die Treibhausgase jetzt schnell sinken: Erst mal eben mit den technischen Lösungen, die es jetzt bereits gibt.

Fordert ihr Jugendlichen auch einen Lebenswandel in der Gesellschaft? Sollen jetzt alle auf Fleisch und Fliegen verzichten?

Das können und wollen wir nicht fordern. Das muss jeder selber entscheiden. Aber ich finde, jeder sollte sich fragen, was sein Handeln, sein privilegierter Lebensstil, sein Konsum auslöst – in anderen Regionen dieser Erde ebenso wie für die nächsten Generationen. Das verstehe ich unter Verantwortung.

Übrigens denke ich nicht, dass es ein Verzicht ist, wenn ich regionales Gemüse esse statt argentinisches Rindfleisch. Und wenn ich meinen Urlaub mit Bahn oder Rad verbringe statt wegzufliegen. Im Gegenteil: Für mich ist das Lebensqualität.

Was machst du neben deinem Engagement für Fridays for Future noch, um das Klima zu schützen?

Ich fliege nicht, ich fahre kein Auto und ich lebe vegan. Außerdem achte ich darauf, Produkte aus der Region zu kaufen, achte überhaupt auf meinen Konsum. Kleidung kaufe ich zum Beispiel kaum noch neu.

Es gibt mittlerweile Parents for Future und Scientists for Future – freut dich das oder fühlst du dich von „den Erwachsenen“ vereinnahmt?

Tatsächlich freue ich mich über jeden, der mitmacht. Über jeden, der aufwacht, über jeden, der sich engagiert. Natürlich braucht es vor allem die Rahmensetzungen aus der Politik. Aber Klimaschutz ist eben auch eine Frage des Lebenswandels. Und je mehr Menschen ihr Handeln hinterfragen, umso besser. Denn gemeinsam können wir den Klimawandel noch aufhalten, wenn wir jetzt wollen und alle zusammenhelfen.

Was sind eure nächsten Schritte?

Immer freitags weiterdemonstrieren. Außerdem sind im Vorfeld der Europawahl noch mal zwei europaweite Aktionstage geplant: Am 12. April und ganz groß am 24. Mai.

Greenpeace e.V. ist nicht Mitveranstalter der Schülerdemos. Bei einer Teilnahme sind einige Dinge zu beachten, u.a. dass die Demonstration bei der zuständigen Versammlungsbehörde angemeldet wird. Rechtliche Hinweise finden sich in unserem Blog

Weitere Infos:

Fridays for Future 

#fridaysforfuture  

BUND Jugend  

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