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Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan
Bente Stachowske / Greenpeace

Synthetische Kraftstoffe für Pkw zu teuer und ineffizient

Verkehrsminister Wissing will mit strombasierten Kraftstoffen den CO2-Ausstoß auch im Pkw-Verkehr senken. Warum das nicht klappen wird, erklärt Benjamin Stephan von Greenpeace im Interview.

Tempolimit, klimaschädliche Subventionen streichen, Milliarden weg vom Straßenneubau hin zur Schiene umschichten: alles wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen – die Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht will. Dabei müssen die zuletzt wieder steigenden CO2-Emissionen im Verkehr bis zum Ende des Jahrzehnts halbiert werden. Minister Wissing steht unter Druck.

Neben Biosprit sollen strombasierte Kraftstoffe die Klima-Bilanz des Verkehrssektors aufpolieren. Diese auch synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels genannten Treibstoffe können klimaneutral produziert werden und lassen sich in Autos mit Diesel- und Benzinmotoren nutzen. Was synthetischer Kraftstoff taugt, hat Greenpeace in der Studie „Der Beitrag von synthetischen Kraftstoffen zur Verkehrswende“ bewerten lassen.

So sind strombasierte Kraftstoffe aus der Mobilität der Zukunft erst einmal nicht wegzudenken, aber in Maßen einzusetzen, denn sie haben einen Haken: Die Produktion verschlingt sehr viel Energie. Im Interview spricht Benjamin Stephan, Greenpeace-Experte für Mobilität, über die Chancen und Grenzen des Treibstoffs.

Greenpeace: Was sind strombasierte Kraftstoffe?

Benjamin Stephan:  Es sind künstliche, mit Strom hergestellte Kraftstoffe. Im Gegensatz zu Diesel oder Benzin sind strombasierte Kraftstoffe klimaneutral – wenn sie mit erneuerbaren Energien produziert werden.

Mit ihm lässt sich mittels Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff erzeugen. Das wird beispielsweise als Treibstoff bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen eingesetzt. Bereitet man den Wasserstoff weiter auf und fügt noch CO2 zu, entstehen synthetische Kraftstoffe – entweder gasförmige oder nach weiterer Aufarbeitung auch flüssige. Diese unterscheiden sich in der Handhabung nicht von Erdgas, Diesel, Benzin und Kerosin.

Und wieso sind sie klimaneutral? Der Sprit wird doch im Motor verbrannt – dabei entsteht ja trotzdem CO2.

Für die Produktion strombasierter Kraftstoffe wird CO2 eingesetzt – etwa aus Industrieanlagen. Dieser Kohlenstoff gelangt also nicht in die Atmosphäre, sondern wird bei der Produktion künstlicher Kraftstoffe verbraucht. Diese CO2-Minderung ist quasi eine Gutschrift, die dann durch die Verbrennung im Motor aufgebraucht wird. Man kann auch CO2 direkt aus der Luft abscheiden – das ist allerdings sehr energieintensiv.

Generell sind diese Kraftstoffe aber nur klimaneutral, wenn für die Produktion erneuerbarer Strom eingesetzt wird und kein zusätzliches CO2 erzeugt wird.

Was sind die Nachteile?

Der entscheidende Nachteil von strombasierten Kraftstoffen ist der niedrige Wirkungsgrad; man bekommt also recht wenig für das, was man reinsteckt. Wenn ich etwa einen Golf mit vier verschiedenen Antriebsarten ausstatte – also Batterie, Brennstoffzelle, Gasmotor, Diesel- bzw. Benzinmotor – variiert der Energieverbrauch enorm: Auf gleicher Strecke verbraucht das E-Auto am wenigsten Strom. Das Brennstoffzellen-Fahrzeug verbraucht schon doppelt so viel Energie, da es nicht direkt den Strom lädt. Betanke ich ein Auto mit synthetisch hergestelltem Gas ist der Energieverbrauch fünfmal so hoch, beim Flüssigkraftstoff sogar um das Siebenfache höher im Vergleich zum batteriebetriebenen Pkw.

Das liegt an den zusätzlichen Umwandlungsschritten und dem unglaublich schlechten Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren. Etwa zwei Drittel der eingesetzten Energie verpufft als Wärme, während ein Elektromotor über 90 Prozent der Energie in Bewegung umwandelt.

Lässt sich denn überhaupt so viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen?

Aus ökologischer Sicht ist es Quatsch, im großen Stil auf strombasierte Kraftstoffe zu setzen. Erneuerbare Energien fallen nicht vom Himmel, es müssten überall Windkraft- und Solaranlagen installiert werden. 

Was käme auf Verbraucher zu, wie teuer wäre ein Liter dieses Treibstoffs?

Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen, ist überhaupt nicht auf den Massenkonsum ausgelegt. In den heute existierenden Pilotanlagen verschlingt die Herstellung 4,50 Euro pro Liter. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Technik im Jahr 2030 ausgereift und der Sprit somit günstiger wird, würde ein Liter immer noch das Zwei- bis Dreifache von konventionellem Benzin oder Diesel kosten.

Warum sollten dann überhaupt strombasierte Kraftstoffe zum Einsatz kommen?

In bestimmten Bereichen gibt es bislang keine wirklichen Alternativen, um den Verkehr zu dekarbonisieren. Passagierflugzeuge oder Containerschiffe können nicht batterieelektrisch betrieben werden. Die Energiedichte von Batterien ist dafür zu niedrig – sie müssten so groß sein, dass ein Flugzeug oder Schiff nichts anderes mehr transportieren könnte. Für diese Bereiche brauchen wir strombasierte Kraftstoffe, für Pkw aber nicht.

Wie ist die Brennstoffzelle zu bewerten?

Die Brennstoffzelle sehe ich nicht so kritisch, denn sie ist deutlich effizienter als strombasiertes Methan oder Diesel. Perspektivisch wird es einen Mix aus batterieelektrischen Autos und Brennstoffzellenfahrzeugen geben. In den Fällen, in denen Menschen auch in Zukunft mit einem größeren Auto ständig lange Distanzen zurücklegen müssen, ist die Brennstoffzelle sinnvoll. Sonst müssten die Fahrzeuge sehr große, schwere Batterien mit sich rumschleppen und das wäre auch ökologisch gesehen unsinnig.   

Warum setzt der Verkehrsminister auf strombasierte Kraftstoffe?

Volker Wissing lehnt bislang wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehr ab, sei es eine Quote für Elektroautos oder eine Steuerreform, die Spritschlucker bestraft und saubere Autos belohnt. Strombasierte Kraftstoffe für Pkws sind nur ein billiger Hütchenspielertrick, mit dem er die Klimaherausforderung im Verkehr kleinrechnet. Niemand darf sich davon täuschen lassen. Zum einen wäre das nicht bezahlbar, zum anderen laufen wir Gefahr, die notwendigen Veränderungen – wie den Ausbau von Ladestationen – zugunsten dieser Pseudolösung auszubremsen.

(Erstveröffentlichung am 03.04.2019, überarbeitet am 25.01.2023)

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