Hambi bleibt – retten statt roden
2018 will RWE den kleinen Hambacher Wald roden, um Braunkohle zu fördern. Doch der Konzern scheitert am heftigen Widerstand der Klimabewegung.
- Ein Artikel von Ortrun Sadik
- Überblick
Im Herbst 2018 will RWE mit der Kettensäge Fakten schaffen und den Hambacher Forst roden, um einen neuen Braunkohletagebau zu erschließen. Zeitgleich verhandelt die Kohlekommission das Wie und Wann des Kohleausstiegs. Ein Aufschrei der Empörung geht durch die Republik, der Widerstand ist bunt und riesig – und am Ende kann er von RWE und Politik nicht ignoriert werden. Hier finden Sie alle Beiträge zum Hambacher Wald.
27. August 2018
Der Hambacher Wald ist 12.000 Jahre alt und Heimat vieler geschützter Arten. Hier lebt zum Beispiel die bedrohte Bechsteinfledermaus. Trotzdem hat Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns RWE, Ende August 2018 verkündet, die letzten Reste dieses unersetzbaren Biotops demnächst zu roden.
Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein. Denn die Ankündigung des Energieriesen kam pünktlich zu den ersten Zusammentreffen der Kohlekommission nach der Sommerpause. Dort sollen – und zwar eigentlich in einem breiten gesellschaftlichen Konsens mit Umweltverbänden und Gewerkschaften – die Einzelheiten des Kohleausstiegs ausgehandelt werden.
Denn es ist unumstritten: Um die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Obergrenze der Erderhitzung nicht zu überschreiten, muss der Großteil der Braunkohlereserven im Boden bleiben. Die Welt verkraftet höchstens einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau, sonst nimmt der Klimawandel unumkehrbare zerstörerische Dimensionen an.
Aus Gründen des Klimaschutzes brauchen wir daher einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Vor allem die ältesten der dreckigen Braunkohlekraftwerke müssen sofort abgeschaltet werden, will Deutschland sein Klimaziel 2020 noch erreichen. Das hat das Fraunhofer-Institut für Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) im Auftrag von Greenpeace vorgerechnet.
Dass RWE nun mit der Kettensäge Fakten schaffen will, bevor die Verhandlungen in der Kohlekommission zu Ende sind, ist fatal. Die angekündigten Rodungen im Hambacher Wald bedrohen nicht nur ein einmaliges Ökosystem, sondern greifen auch die fragile Gesprächsbasis zwischen Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften, der Politik und des Umweltschutzes in der Kohlekommission an.
Der Schutz des Klimas und die Zukunft der kommenden Generationen dürfen nicht dem Profitstreben eines einzelnen Unternehmens geopfert werden.
Wir brauchen einen erfolgreichen Abschluss der Kohlekommission mit einem Ausstiegsplan aus der Kohle, der von allen Beteiligten getragen wird.
28. August 2018
26.September 2018
Für RWE ist die Sache eindeutig: Die noch existierenden Reste des Hambacher Walds werden für Braunkohle gerodet; Proteste hin oder her – das Recht sei da auf Seite des Konzerns. So jedenfalls steht es im Zulassungsbescheid aus März 2018. Doch ganz so eindeutig ist die rechtliche Lage nicht, befindet ein Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace. Denn die Erlaubnis zu roden ist an bestimmte Auflagen geknüpft – und die sind nicht erfüllt, sagt Anwältin Cornelia Ziehm.
5. Oktober 2018
Behörden der Stadt Kerpen versuchen, die für diesen Samstag angekündigte Großdemonstration zu verhindern. Versammlungsbehörden und Feuerwehren der Stadt haben die Demonstration wegen Sicherheitsbedenken nicht genehmigt. „Diese willkürliche Entscheidung attackiert das Versammlungsrecht und ist zudem grob fahrlässig“, sagt der Trägerkreis der Demonstration. „Die Behörden müssen diesen angemeldeten und legitimen Protest ermöglichen.“ Der Trägerkreis wird mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Aachen und dem Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung vorgehen.
6. Oktober 2018:
20.000 Menschen kommen in den Hambacher Forst. Sie wollen dagegen protestieren, dass der Energiekonzern RWE den alten wertvollen Wald rodet: für den unnötigen Abbau klimaschädlicher Braunkohle. Der Protest der Menschen soll bunt und friedlich sein – und er ist legitim. Dennoch weigert sich RWE, Flächen für die angemeldete Großdemonstration zur Verfügung zu stellen. Und blockiert damit den Protest.
Dabei geht es um Flächen, die auch die Polizei als geeignet identifiziert hat. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hatte zudem friedliche Protestaktionen gegen Kohle, wie sie am Wochenende erwartet werden, bislang öffentlich gutgeheißen.
„Es darf nicht sein, dass der Konzern RWE die bislang größte Demonstration gegen seine Kohlepläne mit bürokratischen Finessen blockieren kann“, fordert Uwe Hiksch, der die Demonstration für die Organisatoren Initiative Buirer für Buir, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, Greenpeace und NaturFreunde Deutschlands angemeldet hat. „Zehntausende werden zum friedlichen Protest in Richtung Hambacher Wald aufbrechen. Nun liegt es an der NRW-Landesregierung und Ministerpräsident Armin Laschet, ihnen ihr Recht auf Meinungsäußerung zu ermöglichen.“
Laschet dürfe nicht den Eindruck entstehen lassen, dass seine Regierung in diesem großen gesellschaftlichen Konflikt eine Front mit RWE gegen den entschlossenen Protest von Zehntausenden Menschen bildet, so Hiksch. Man arbeite an einem umfangreichen Verkehrs- und Sicherheitskonzept und brauche dafür dringend Klarheit über den Kundgebungsort.
15. Oktober 2018
Einen „Meilenstein für die Anti-Kohle-Bewegung“, nennt Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15. Oktober 2018: Die Richter verfügten per Eilbeschluss, dass der Hambacher Wald vorläufig nicht gerodet werden darf. Das ist die letzte Wendung in einem langwierigen und komplexen Rechtsstreit, in dem es um den Hauptbetriebsplan von RWE für die Jahre 2018 bis 2020 geht.
17. Oktober 2018
Es war unglaublich: 50.000 Menschen kamen am 17. Oktober 2018 zum Hambacher Wald, um für einen schnellen Kohleausstieg und gegen die Zerstörung des Waldes zu demonstrieren. Und das trotz Staus auf allen Zufahrtsstraßen und Überlastungen der Bahn.
12. September 2019
Vor der Rodung ist der Hambacher Wald zwar vorerst gerettet. Aber sicher ist er trotzdem nicht: die umliegenden Tagebaue trocknen den schützenswerten Wald aus. Klimakrise und heiße Sommer setzen ihm zusätzlich zu. Zu diesem Ergebnis kommt die von Greenpeace veröffentlichte Studie „Hambacher Forst in der Krise“ eines Teams um den Biologen und Waldforscher Professor Pierre Ibisch.
Stellungnahme des Beratungsunternehmens Plejades
Anzahl Seiten: 10
Dateigröße: 1.12 MB
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