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Lisa Göldner auf der Cop27

Zwischenbericht von der Klimaschutzkonferenz

Halbzeit bei der Weltklimakonferenz in Sharm El Sheikh: Nach einer Woche UN-Klimakonferenz sieht Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner erste Fortschritte. Aber die wahren Aufgaben kommen erst noch. Ein Erfahrungsbericht. 

Eine aufregende erste Woche liegt hinter mir! Das ist meine siebte Weltklimakonferenz und jedes Jahr wieder ist es eine aufregende, aber auch anstrengende Erfahrung.

Für mich ist es unglaublich spannend, mit Greenpeace-Kolleginnen aus China, Südkorea, Ägypten, Australien, Chile und vielen anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Das ist die Stärke, die Greenpeace hat: Wir können Druck auf die Regierungen vieler Länder machen. So können wir einen echten Beitrag leisten zu einem guten Ergebnis der COP 27.

Wir starten jeden Morgen um halb acht mit einem Treffen, bei dem wir die Schwerpunkte unserer Arbeit an diesem Tag besprechen. Ab dann schwärmen wir aus im Konferenzzentrum, führen Gespräche mit den Verhandler:innen der einzelnen Länder, sitzen mit in den Verhandlungsräumen und beobachten genau, welches Land sich wie verhält und welche Interessen vorträgt. Wir sprechen bei Paneldiskussionen und geben jede Menge Interviews für die Medien. Abends kommen wir wieder alle zusammen, teilen unsere Informationen und passen unsere politische Strategie eventuell an.

600 Lobbyist:innen für fossile Energien

Greenpeace ist eine von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die als “Beobachterinnen” an den Klimaverhandlungen teilnehmen. Eine starke, lebendige Zivilgesellschaft ist unglaublich wichtig, um die Klimakrise zu stoppen. Wir sind es, die Druck machen, damit Regierungen tun, was dafür notwendig ist. Wir sind es, die konkrete Lösungsvorschläge vorlegen. Und wir sind es, die dabei helfen, gesellschaftliche Unterstützung für diese Klimaschutzmaßnahmen herzustellen. 

Aber nicht alle sind hier bei der COP 27 daran interessiert, dass es beim Klimaschutz vorangeht: Noch nie haben an einer Klimakonferenz so viele Lobbyist:innen fossiler Energiekonzerne teilgenommen. Mehr als 600 Vertreter:innen sind hier mit dem klaren Ziel, den Ausstieg aus den fossilen Energien aufzuhalten. Das sind mehr Menschen als die zehn von der Klimakrise am stärksten betroffenen Länder schicken konnten!  Der Chef von BP besitzt sogar die Frechheit, sich als Mitglied der Regierungsdelegation von Mauretanien “einzuschleusen”. 

Als Vertreterin von Greenpeace Deutschland liegt mein Fokus natürlich darauf, wie die deutsche Bundesregierung sich hier verhält - und die Europäische Union. Denn die Mitgliedstaaten der EU verhandeln hier gemeinsam als ein Block.

 

Aktion zur COP27,

Die 27. UN-Klimakonferenz ist zu Ende gegangen - mit enttäuschendem Ergebnis: Zwar gibt es nun einen Fonds für Klimafolgeschäden für arme Länder. Aber keinen Ausstieg aus allen fossilen Energien.

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Deutschland spielt bisher eine gemischte Rolle

Deutschland hat bisher eine gemischte Rolle auf der Konferenz gespielt. Bundeskanzler Scholz hat zwar in seiner Rede versprochen, dass es keine Renaissance der fossilen Energien geben wird. Aber wenn er gleichzeitig Geld für neue Gasbohrungen im Ausland bereitstellen will, ist das eine Täuschung der internationalen Öffentlichkeit. Wenn er das, was er hier bei der COP 27 gesagt hat, wirklich ernst meint, darf kein einziger Euro deutscher Steuergelder mehr in fossile Energieprojekte fließen. Daran wird sich der Kanzler persönlich messen lassen müssen - und Greenpeace wird ihn daran erinnern.

Das Topthema der Klimakonferenz ist die Unterstützung für arme Länder im Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten. Da zeigt sich die deutsche Regierung zwar einsichtig, dass Deutschland große Verantwortung trägt. Immerhin sind wir auf Platz sechs der Länder, die historisch am meisten CO2 ausgestoßen haben. Bisher unterstützt Deutschland aber die Forderung der Länder des Globalen Südens nach einer „Loss and Damage Finance Facility“ nicht - also einem neuen offiziellen Mechanismus unter dem Dach der Klimarahmenkonvention, explizit für die Bewältigung klimabedingter Schäden und Verluste. 

Stattdessen möchte die deutsche Bundesregierung das Problem mit einer Sammlung freiwilliger Initiativen lösen - beispielsweise mit dem “Globalen Schutzschirm”, einer Klimarisikoversicherung für die stark von der Klimakrise betroffenen Länder. Diese Versicherung deckt aber nur Schäden durch Extremwetterereignisse ab. Doch ein sehr großer Teil der klimabedingten Schäden und Verluste tritt eben schleichend ein. Und nur ein Teil der Versicherungsprämie wird von den Beteiligten des Globalen Nordens gezahlt, den Rest sollen die betroffenen Länder selbst zahlen. Eine Unverschämtheit: Warum sollten Länder, die das Versicherungsrisiko nicht verursacht haben, die Prämien zahlen? 

 

Aufgaben für Außenministerin Baerbock

Also, der “Globale Schutzschirm” ist eine gute Idee. Aber wirkliche Klimagerechtigkeit bringt er nicht. Es braucht was Ordentliches - eben den von den betroffenen Ländern geforderten eigenen Finanzmechanismus. Sich darauf zu einigen, ist die große Aufgabe für die zweite Woche der COP 27. Außenministerin Baerbock muss denjenigen zuhören, die die Hilfe so dringend brauchen.

Klar ist auch: Wenn wir eine weitere Eskalation der Klimakrise verhindern wollen, dann muss der Ausstoß klimaschädlicher Gase jetzt endlich sinken. Und das geht nur, wenn wir weltweit aus Gas, Öl und Kohle aussteigen. Alle wissen das, aber noch nie wurde es in dieser Deutlichkeit auch in einem Beschlusstext einer Klimakonferenz aufgeschrieben. Das muss sich jetzt ändern. 

Wofür ich die deutsche Bundesregierung wirklich loben kann, ist, wie sie sich für die Freilassung des inhaftierten ägyptischen Demokratieaktivisten Alaa Abd El-Fattah einsetzt. Alaa ist seit mehr als 200 Tagen im Hungerstreik, seit Beginn der COP 27 nimmt er auch kein Wasser mehr zu sich. Bundeskanzler Scholz hat den Fall persönlich beim ägyptischen Präsidenten Al-Sisi angesprochen und auf seine Freilassung gedrängt. Und im deutschen Pavillon fand eine Paneldiskussion mit Alaas Schwester statt. Ein starkes Zeichen! Auch im Greenpeace-Team hier bewegt uns der Fall sehr. Am Donnerstag haben wir gemeinsam mit vielen anderen Nichtregierungsorganisationen an einer Protestaktion auf dem Konferenzgelände teilgenommen für Klimagerechtigkeit und den Schutz der Menschenrechte. In Solidarität mit Alaa und als Zeichen für den Schutz der Menschenrechte trugen wir und viele andere Konferenzteilnehmer:innen an diesem Tag weiße Kleidung. Über den aktuellen Zustand von Alaa gibt es nur die Information der ägyptischen Regierung, dass “medizinisch interveniert wurde”.

Jetzt bin ich sehr gespannt auf die zweite Woche. Da wird es ans Eingemachte gehen, schließlich muss die Konferenz zu einem ordentlichen Ergebnis kommen.

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