Jetzt spenden
Brennende Erde in Montreal
Greenpeace

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Greenpeace Online: Warum ist dieser Streit um die Menge des erlaubten CO2-Ausstoßes keine kleine Bagatelle im politischen Getriebe?

Karsten Smid: Bei dem CO2-Emissionsverteilungsplan handelt es sich um ein zentrales politisches Instrumentarium zur Durchsetzung der nationalen Klimaschutzziele. Deshalb ist das ein Prinzipienstreit um die Frage: Kann die Industrie die Klimapolitik in Deutschland bestimmen? Für die Regierung in Berlin ist dieser Streit in einem zentralen Punkt der EU-Klima- und Energiepolitik gerade zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft eine starke Belastung.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich hohe Klimaschutzziele zu eigen gemacht. Es wirft ein schlechtes Licht auf sie, wenn sie den EU-Ratsvorsitz mit diesem Streit anfängt. Das kommt ja einem Fehlstart der Präsidentschaft gleich.

Greenpeace Online: Was hat der Bundesumweltminister für einen Plan vorgelegt?

Karsten Smid: Gabriels Verteilungsplan ist klimapolitisch schwach und industriehörig. Deshalb ist er zurecht von der EU-Kommission zurückgewiesen worden. Ginge es nach Gabriel, würde die Industrie großzügig mit Erlaubniszertifikaten bedacht. Gabriels Zuteilungsplan trägt die Handschrift des Kohlelands Nordrhein-Westfalen. So sind gerade die Betreiber von klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken, wie RWE, die Nutznießer. Beides wird von der EU-Kommission kritisiert.

Greenpeace Online: Kommt denn nur aus Brüssel Kritik daran?

Karsten Smid: Eine Greenpeace-Tour durch Deutschland im Sommer 2006 hat gezeigt, dass sich viele SPD-Landesverbände für eine Versteigerung der Zertifikate aussprechen. Doch innerhalb der SPD hat sich Nordrhein Westfalen durchgesetzt. So hat die Energieindustrie Milliardengeschenke bekommen. Gabriel darf sich nicht von den SPD-Kohlekumpeln aus NRW seine Energiepolitik bestimmen lassen. Die haben ihn über den Tisch gezogen. {image_r}

Greenpeace Online: Warum ist das freigebige Verteilen der Zertifikate zu kritisieren?

Karsten Smid: Eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik wäre es, auf einen Neubau von Braunkohlekraftwerken wie in Neurath zu verzichten und die Menge der verteilten Zertifikate zu reduzieren. Schon jetzt sind zu viele dieser Papiere, die den Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre erlauben, auf dem Markt. Die Folge ist, dass der Preis für ein Zertifikat in den Keller gegangen ist. Eine Tonne CO2 kostet im Moment weniger als fünf Euro.

Nur durch einen Preisanstieg für diese Papiere, lohnt es sich in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Dann wäre die Wirtschaft gezwungen, wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Wenn der Preis sich nicht erhöht, sind manche Klimaschutzinvestitionen betriebswirtschaftlich nicht rentabel.

Greenpeace Online: Ist der Markt für den Handel mit den Emissionszertifikaten schon zusammengebrochen?

Karsten Smid: Nein, aber die Preise sind definitiv zu niedrig. Es sind zuviele Zertifikate auf dem Markt. Für die zweite Handelsperiode ist der einzig gangbare Weg, wenn man die Papiere am Markt verknappen würde. Das heißt, den Vorgaben aus Brüssel zu folgen.

Greenpeace Online: Reicht das bloße Befolgen der Vorgaben aus Brüssel aus, um langfristig die Weichen für einen Klimaschutz zu stellen, der den Namen auch verdient?

Karsten Smid: Greenpeace fordert, dass Minister Gabriel die Vorgaben aus Brüssel eins zu eins umsetzt. Darüber hinaus wollen wir, dass die Zertifikate nicht verschenkt, sondern versteigert werden. Und zwar im Laufe der Zeit ein immer größerer Anteil an Zertifikaten. Versteigerung ist eine politisch und rechtlich vorgesehene Option. Die sollte Deutschland nutzen. Ebenfalls darf es keine Bevorzugung der klimaschädlichen Braunkohle geben.

Berlin muss sich darüber hinaus zu klaren Klimaschutzzielen verpflichten. Wir fordern, dass Deutschland bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 verringert. Das würde zeigen, wie ernst man es in Berlin mit dem Klimaschutz meint.

Dass wir bereits mitten im Klimawandel stecken, zeigt das warme Wetter der letzten Zeit.

Greenpeace Online: Vielen Dank für das Gespräch.

  • NAP tour Wiesbaden

    NAP tour Wiesbaden

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Petition

https://act.greenpeace.de/vw-klage

Kein Recht auf Verbrenner!

Greenpeace klagt gemeinsam mit mit dem Bio-Landwirt Ulf Allhoff-Cramer und Fridays for Future-Klimaaktivistin Clara Mayer mehr Klimaschutz bei Volkswagen ein. Unterstützen Sie die Kläger:innen mit Ihrer Unterschrift

Klage unterstützen
0%
vom Ziel erreicht
0
haben mitgemacht
0%
Datum

Mehr zum Thema

Protest against Climate Protection Law - Berlin
  • 16.04.2024

Das Klimaschutzgesetz war die größte klimapolitische Errungenschaft der SPD. Nun hat die Ampel es brutal zurechtgestutzt. Die "Fortschrittskoalition" schaltet beim Klimaschutz in den Rückwärtsgang. 

mehr erfahren
Swiss Senior Women for Climate Protection verdict at ECHR
  • 09.04.2024

Die KlimaSeniorinnen Schweiz haben in Straßburg einen historischen Sieg errungen: Der Europäische Gerichtshof gab ihnen Recht, dass Klimaschutz Staatspflicht ist.

mehr erfahren
Korallen im Seringapatam-Riff, Australien
  • 12.03.2024

Die Ozeane haben bislang etwa 80 Prozent der Wärme aufgenommen, die wir dem Klimasystem zugeführt haben. Die Erwärmung reicht bis in eine Tiefe von 3.000 Metern. Das bringt die Meere aus dem Takt.

mehr erfahren
Schmelzendes Meereis bei Grönland 07/30/2009
  • 20.02.2024

Für das Meereis in der Nordpolarregion ist keine Erholung in Sicht. Der Tiefstand 2023: 4,3 Millionen Quadratkilometer.

mehr erfahren
Sumpf im Vodlozero National Park in Russland
  • 29.01.2024

Sie speichern gigantische Mengen CO2: Wälder, Meere, Böden. Welche Rolle spielen diese Kohlenstoffsenken im Kampf gegen die Klimakrise?

mehr erfahren
Greenpeace-Delegation bei der COP28 mit Banner "we will end fossil fuels"
  • 13.12.2023

Die Weltklimakonferenz hat sich nach 30 Jahren erstmalig auf den Beginn des Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern geeinigt. Eine Einschätzung.

mehr erfahren