Wer zahlt für die Rekultivierung?
- Ein Artikel von Michael Weiland
- mitwirkende Expert:innen Karsten Smid
- Nachricht
Die Leag trennt Gewinne von Braunkohle-Altlasten – ein Milliardenrisiko für Steuerzahlende, bestätigt eine Analyse im Auftrag von Greenpeace. Umweltverbände klagen darum gegen die Umstrukturierung des Konzerns.
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – nach diesem Aschenputtel-Prinzip scheint die Leag-Gruppe, Deutschlands zweitgrößter Energieversorger, bei ihrer geplanten Umstrukturierung vorzugehen. Stolz präsentiert die neue Holding Leag GmbH ihr Zukunftsgeschäft mit rechtlich eigenständigen Gesellschaften, die sich um die gewinnbringenden erneuerbaren Energien kümmern. Das unrentable Braunkohlegeschäft wird davon allerdings abgekoppelt. Die Grünen in der Lausitz sprechen von einer “bad bank”, die die Leag hiermit effektiv schafft: Gewinne und Risiken werden – wie in der Bankenkrise – getrennt. Das bedeutet: Für die notwendigen Rekultivierungsmaßnahmen der Tagebaue, die der Kohlesparte der Leag-Gruppe obliegen, wird voraussichtlich das Geld fehlen. Sehr viel Geld.
© Christian Mang / Greenpeace
Tagebau in der Lausitz
Damit die Kosten der Rekultivierung in Milliardenhöhe nicht an Steuerzahlenden hängen bleiben, forderte Greenpeace im Juni 2025 von den Landesregierungen Sachsen und Brandenburg, dass ihre Oberbergämter Gläubigerschutz beantragen. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Maßnahme, die verhindern soll, dass Gläubiger (in diesem Fall die Länder Sachsen und Brandenburg, in denen die Tagebaue liegen) für Forderungsausfälle aufkommen, wenn der Schuldner (also die Kohlesparte der Leag-Gruppe) insolvent ist. Weil genau diese Situation droht, hatte die Anwaltskanzlei Günther auf Initiative von Greenpeace eine Gläubiger-Schutzschrift an die Ministerpräsidenten und die jeweiligen Oberbergämter verschickt, in der sie nachdrücklich diesen Schritt fordert.
Umweltverbände mit Eilantrag gegen Leag-Neuordnung
Der Forderung sind die Bergämter allerdings bislang nicht nachgekommen. Nun wird die Zeit knapp: Die Frist zur Geltendmachung des entscheidenden Gläubigerschutzanspruchs verjährt am 1. Oktober 2025. Darum hat die Deutsche Umwelthilfe, unterstützt von Greenpeace, Eilanträge bei den Verwaltungsgerichten Cottbus und Chemnitz eingereicht, damit das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) in Brandenburg und das Oberbergamt in Sachsen die Umstrukturierung des Leag-Konzerns untersagt.
Die Umweltverbände wollten verhindern, dass das haftende Eigenkapital der Lausitz Energie Bergbau AG (LE-B) um über 80 Prozent reduziert und die zukunftsfähigen Geschäftsbereiche, wie Erneuerbare Energien, in neue Gesellschaften ausgegliedert werden. Das Gericht ist der Argumentation der Umweltverbände nicht gefolgt, dass das Umwandlungsgesetz bei einer Umstrukturierung mit einer Verjährungsfrist von nur 5 Jahren ungeeignet ist, um zukünftige Ansprüche für die Rekultivierung zu sichern und hat die Eilbedürftigkeit abgelehnt. “Das Gericht hat lediglich die Eilbedürftigkeit abgelehnt. Damit ist das Finanzierungsrisiko der Rekultivierung nicht ausgeräumt", ordnet Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid die Entscheidung ein. "Unbestritten bleibt auch der enorme Verlust an Werthaltigkeit in Folge der Umstrukturierung der LE-Bergbau. Für uns ist klar, die LEAG darf sich durch Umstrukturierungs-Tricks nicht aus der Pflicht ziehen. Wir werden die im Verfahren gewonnenen Informationen jetzt auswerten und weitere juristische Schritte prüfen.“
Eine Analyse des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace und der Grünen Liga bestätigt die Befürchtungen der Umweltschutzorganisationen: Die Leag-Tochter LE-V (Lausitz Energie Verwaltungs GmbH) soll die künftig unrentablen Tagebaue übernehmen, verfügt jedoch weder über ausreichendes Kapital noch über eine gesicherte Haftung durch den Mutterkonzern EPH – womit Rekultivierungskosten in Milliardenhöhe ungesichert bleiben.
Kurzanalyse: LE-V als Bad Bank der LEAG?
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HerunterladenZweifel an Rechnungen der Leag-Gruppe
Die Pläne der Leag bergen ein unverantwortliches Risiko für die Steuerzahlenden. Eigene Recherchen von Greenpeace wecken erhebliche Zweifel an der sogenannten Werthaltigkeitsbescheinigung, die das Unternehmen durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G. Flascha GmbH erstellen ließ. Das Greenpeace vorliegende Gutachten stützt sich auf unrealistische Annahmen und berücksichtigt potenzielle Risiken nur unzureichend. Besonders problematisch: Laut Leag belaufen sich die langfristigen Verpflichtungen zur Rekultivierung der Tagebaue auf nur rund 5,4 Milliarden Euro. Allein bis zum Jahr 2038 – dem gesetzlich festgelegten Ende der Kohleverstromung – müssten davon noch etwa 3,3 Milliarden Euro aus der Braunkohle selbst erwirtschaftet werden. Angesichts steigender CO2-Preise und einer dadurch zunehmend unrentablen Braunkohleverstromung ist dieses Ziel kaum zu erreichen. Das Gutachten malt der Kohle eine Zukunft aus, die der obsolete Energieträger schlicht nicht hat.
Hinzu kommt: Durch die geplante Auslagerung von Unternehmensanteilen im Wert von 2,2 Milliarden Euro droht das Eigenkapital massiv zu schrumpfen. Damit gibt es nur geringe Rücklagen, die eigentlich zur Bewältigung der ökologischen Folgekosten des Tagebaus vorgesehen sind. Ob die Leag nach dem Kohleausstieg ihren Zahlungsverpflichtungen weiterhin zuverlässig nachkommen kann, steht damit ernsthaft infrage. „Damit nicht am Ende die Öffentlichkeit für die kreativen Bilanzmodelle der Leag aufkommen muss, braucht es jetzt klare rechtliche Rahmenbedingungen seitens der Landesregierungen“, fordert Karsten Smid von Greenpeace.
In ihrem Antrag auf Gläubigerschutz fordert die Anwaltskanzlei darum, dass die zuständigen Oberbergämter den gesetzlichen Anspruch auf die Wiederherstellung und ordnungsgemäße Nutzung der Braunkohletagebaue nach deren Stilllegung absichern. Denn durch die laufende Umstrukturierung und die Verschiebung von Vermögenswerten ist dieser Anspruch ernsthaft gefährdet. Grundlage dafür sind Regelungen im Bundesberggesetz (§ 56 Abs. 2 BBergG) sowie im Umwandlungsgesetz (§§ 22 und 125 UmwG).
Rückstellungen: Risiko lange bekannt
Greenpeace warnt seit dem Verkauf der Braunkohlesparte der Leag an den Investor EPH, dass das tschechische Unternehmen kein Interesse zeigt, ausreichend Rückstellungen für die Rekultivierung vorzuhalten. Stattdessen wird mit kreativer Buchführung der Marktwert des Kohlegeschäfts systematisch überschätzt, in spektakulärer Verkennung der Realität. Dass der Leag das Geld fehlt, um die Landschaft in den aufgegebenen Tagebauen wiederherzustellen, hatte die Wirtschaftskanzlei Cordes + Partner bereits 2018 für Greenpeace in einer Stellungnahme berechnet.
Bereits im November 2024 hatte Greenpeace auf die Bilanz-Tricks der tschechischen Muttergesellschaft Energetický a Průmyslový Holding (EPH) hingewiesen und die von der LEAG als Betriebsgeheimnis gehüteten Rekultivierungsverpflichtungen in der Lausitz auf 5 bis 10 Milliarden Euro geschätzt. Dass eine von der LEAG beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Kosten der Wiedernutzbarmachung nun selbst – bei konservativen Annahmen – mit 5,4 Milliarden Euro beziffert, zeigt die Plausibilität der Berechnungen von Greenpeace.