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Aktion gegen radioaktive Kontamination in Deutschland am 4.Mai 2011
Andreas Schoelzel / Greenpeace

Mai bis September 2011 in Fukushima

Wir erinnern uns an die Horrormeldungen aus Fukushima. Was die heftigen Explosionen in Fukushima ausgelöst hat, ist unklar. In den ersten Tagen der Katastrophe wurde noch genau angegeben wie hoch der Wasserstand in den einzelnen Reaktordruckbehältern war, wie viel von den Brennstäben mit Wasser bedeckt war und wie viel aus dem Wasser ragte. Im Juni ging man dann in einem Bericht an die IAEO davon aus, dass zwar die Brennstäbe geschmolzen waren, sich aber der Kernbrennstoff im Wesentlichen noch im Reaktordruckbehälter befand. Neuere Simulationen, die im November veröffentlicht wurden, legen eine viel weitergehende Kernschmelze nahe als bis dahin angenommen. 

Wir lassen die Zeit von Mai bis Dezember 2011 Revue passieren. Wie veränderte sich die Lage in Fukushima, welche neuen Probleme kamen hinzu?

Mai 2011: Offener Brief, Kritik und Messungen von Greenpeace

Im zerstörten AKW Fukushima 1 bleibt die Lage hochgefährlich. Die Region ist radioaktiv verseucht und wahrscheinlich auf unabsehbare Zeit nicht mehr bewohnbar. Die Gefahr einer noch größeren Kontaminierung besteht weiter. Greenpeace hat in einem offenen Brief an die japanische Regierung appelliert, dem Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior II Strahlenmessungen in den Küstengewässern vor dem AKW zu erlauben.

Am 2. Mai trafen sich Einwohner:innen von Fukushima gemeinsam mit der unabhängigen Umweltschutzorganisation Greenpeace und anderen Umweltverbänden mit der japanischen Regierung. Dabei haben sie eine Petition mit mehr als 50.000 Unterschriften übergeben, in der sie die Rücknahme der überhöhten Grenzwerte und die Schließung von Schulen in belasteten Regionen fordern. Eltern aus der Präfektur Fukushima protestierten anlässlich des Treffens gegen den Grenzwert. Sie übergaben kontaminierten Spielplatzsand aus einer Schule an die Politiker. "Unabhängige und transparente Informationen sind zu dieser Zeit wichtig für die Menschen in Japan", schreibt der Geschäftsführer von Greenpeace International, Kumi Naidoo, in seinem offenen Brief an den japanischen Ministerpräsidenten. "Greenpeace steht bereit. Wir bieten unsere volle Solidarität und wir bieten an, unseren Teil zu den Bemühungen der japanischen Regierung und der japanischen Gesellschaft beizutragen, um Gesundheit und Leben der Menschen zu schützen." 

Anfang Mai ist Greenpeace mit der Rainbow Warrior vor Ort und untersucht zwei Wochen lang Meeresalgen. Die Rainbow Warrior muss außerhalb der japanischen Küstengewässer bleiben. Messungen innerhalb der 12-Meilen-Zone erlaubt die Regierung nicht. Schon die ersten Geigerzähler-Tests lassen aufschrecken: Teilweise ist die radioaktive Kontamination von Meeresalgen so hoch, dass eine Messung nicht möglich ist. Greenpeace-Messungen von Fischproben und anderen Meeresfrüchten vor der Küste Fukushimas und Tests in unabhängigen Labors haben bestätigt: Bei 14 von 21 untersuchten Proben lag die Menge an radioaktiven Partikeln teilweise fünfzigfach über den gesetzlichen Grenzwerten für den Verzehr. Damit steht fest: Die Radioaktivität ist bereits bis in die Nahrungskette vorgedrungen.

Die Lage vor Ort bleibt kritisch: Zwei Monate nach dem Erdbeben in Japan ist weder die Freisetzung von Radioaktivität noch die Gefahr einer weiteren Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi gebannt.  Atomreaktor 1 in der Atomanlage in Fukushima wird geflutet. In die Hülle des überhitzten Reaktordruckbehälters sollen 7.400 Tonnen Frischwasser eingeleitet werden. Nach einem Gutachten des Londoner Ingenieurbüros Large Associates kann es dabei zum Bruch des Sicherheitsbehälters kommen.

Fukushima-Betreiber TEPCO hat bisher keine Erkenntnisse über Lage und Größe der Risse und Lecks im Behälter nach Erdbeben und Explosionen vorgelegt. Und obwohl Expert:innen vor undichten Stellen in Reaktor 1 warnen, ist es TEPCO bisher nicht gelungen, die Position der Lecks zu orten und aufzuklären, ob sie die Sicherheit des Containments beeinträchtigen.

"Die strahlende Atomruine in Fukushima ist noch lange nicht unter Kontrolle", sagt Greenpeace-Energieexperte Christoph von Lieven. "Im schlimmsten Fall kann der geplante Wassersarkophag eine massive Verschlechterung bewirken. Es ist hochriskant, ohne genaues Wissen über Lecks tausende Tonnen Wasser hineinzupumpen. Greenpeace hofft trotz aller Risiken, dass die Freisetzung von Radioaktivität möglichst schnell beendet und eine vollständige Kernschmelze verhindert werden kann."

Sollte es zu einer weiteren Beschädigung der Anlage durch das Gewicht des eingeleiteten Wassers kommen, liegen offenbar keine Notfallpläne zur Bergung des Reaktordruckbehälters und der Eindämmung radioaktiver Kontamination vor. In einer Studie hatte bereits die amerikanische Atomaufsicht vor Gefahren gewarnt, die durch große Wassermassen in den Sicherheitsbehältern entstehen. Die Sicherheitsbehälter könnten bersten, wenn es zu Erderschütterungen kommt.

Sollte der Sicherheitsbehälter im Zuge der Flutung beschädigt werden, könnten auch die Arbeiten an den übrigen defekten Reaktoren nicht fortgesetzt werden. Sollte der Sicherheitsbehälter der Flutung stand halten, trifft TEPCO keine Aussagen über den weiteren Umgang mit der Gebäuderuine, über deren Instandhaltung oder Entsorgung. "Das planlose und hochriskante Vorgehen der japanischen Regierung und der Betreiberfirma zeigt deutlich, dass auch eine hochtechnisierte Gesellschaft einen solchen Atomunfall nicht beherrschen kann", sagt Lieven. "Die Reaktorsicherheits- und Ethikkommission müssen für einen schnellstmöglichen Atomausstieg mit fixen Abschaltdaten und einen forcierten Einstieg in die Erneuerbaren Energien eintreten."

Greenpeace veröffentlicht im Mai 2011 eine Studie, welche die Desinformationspolitik TEPCOs sowie der japanischen und internationalen Atombehörden als gefährlich und verantwortungslos entlarvt. Die wissenschaftliche Analyse der Geschehnisse rund um Fukushima macht deutlich, dass TEPCO bereits in den ersten Stunden nach dem Erdbeben von den Kernschmelzen gewusst und die japanische und internationale Bevölkerung seitdem bewusst getäuscht hat. Innerhalb der ersten 24 Stunden des Unfalls hatte TEPCO direkten Zugang zu Daten, die anzeigten: die Temperaturen im Druckbehälter steigen rasant und eine Kernschmelze ist bereits eingetreten. Dem Report zufolge konnte Nuklearingenieur Dr. John Large die Kernschmelzen in den Reaktoren 1 bis 3 trotz der verheimlichten Daten schon wenige Tage nach der Explosion nachweisen. Die Entscheidung, Meerwasser auf die Reaktoren zu schütten, geschah in dem vollen Bewusstsein, dass der Druckbehälter bereits gebrochen war. Man nahm in Kauf, dass mehrere zehntausend Tonnen hochradioaktives Wasser auslaufen und in die Umwelt gelangen konnten.

Juni 2011: Umwelt zunehmend radioaktiv verseucht

Radioaktive Strahlung macht nicht halt - und ist längst in weiter entfernten Gebieten zu messen: Grüner Tee aus einem großen Teeanbaugebiet - 370 Kilometer von der havarierten Atomanlage entfernt - war über Grenzwert mit Cäsium belastet. Erstmals wurde im Juni 2011 auch radioaktives Strontium im Grundwasser entdeckt. Immerhin soll eine Dekontaminierungsanlage das Problem mit den verstrahlten Wassermassen aus der Atomruine lösen. Doch die Arbeit vor Ort bleibt katastrophal. 

Erhöhte Strahlung wurde nun - drei Monate nach dem Unglück - auch in Gebieten gemessen, die Hunderte Kilometer entfernt liegen: Grüner Tee aus der größten Teeanbau-Provinz Shizuoka ethielt 679 Becquerel Cäsium pro Kilogramm. Der Grenzwert liegt bei 500 Becquerel. Grüner Tee ist auch in Deutschland wegen seiner positiven Wirkung auf die Gesundheit beliebt. Für näher am AKW Fukushima-Daiichi gelegene Anbaugebiete hatte die japanische Regierung bereits Auslieferungen von Grüntee gestoppt.

"Beunruhigend ist, dass nahe der Atomruine erhöhte Strontiumwerte nun auch im Grundwassser gemessen wurden", so Lieven. "Ich vermute, dass der radioaktive Stoff mit dem Wasser aus den Reaktoren gespült wurde und dann im Boden versickert ist." Strontium war bislang in Bodenproben gemessen worden. Erst jetzt kam heraus, dass auch weiter entfernte Gebiete betroffen sind: zum Beispiel die Stadt Fukushima, die 60 Kilometer vom AKW Fukushima-Daiichi entfernt liegt - und nicht evakuiert ist. Strontium - gerne auch Knochenkiller genannt - schädigt das Knochenmark, reichert sich in Knochen an und kann Blutkrebs (Leukämie) auslösen.

Unterdessen leisten die Arbeiter in Fukushima weiterhin Unfassbares. TEPCO gab nun bekannt, dass sechs weitere Arbeiter womöglich einer zu starken Strahlung ausgesetzt waren - erst kürzlich hatte der Konzern Verstrahlungen bei zwei Mitarbeitern bekannt gegeben. Alle waren im März bei Reparaturarbeiten in der Anlage eingesetzt. Japanische Behörden gaben bekannt, dass mindestens 90 weitere Arbeiter mehr als 100 Millisievert (mSV) Strahlung abbekommen haben und einige nahe am neuen Grenzwert von 250 mSv liegen. Die japanische Regierung hatte den Grenzwert nach der Katastrophe für die Beschäftigten in der Anlage von 100 auf 250 Millisievert pro Jahr hochgesetzt.

September 2011: Das Unheil nimmt weiter seinen Lauf

Aus der Atomanlage Fukushima 1 (Daiichi) tritt weiter Radioaktivität aus. Ein Ende ist nicht abzusehen. Bisherige Pläne, den Austritt bis September zu stoppen, haben sich als unrealistisch erwiesen. In den Kellern der Gebäude stehen mehrere Millionen Liter hochkontaminiertes Wasser. Die Säuberung ist schwieriger als angekündigt.

Was sich in den drei Reaktoren abspielt, in denen eine Kernschmelze stattgefunden hat, ist unklar. Daten aus dem Innern der Druckbehälter sind weiterhin unbekannt. Vier Abklingbecken für Brennelemente sind teilweise zerstört und drohen einzustürzen. Sie müssen permanent gekühlt werden. Es wird noch Jahre dauern, bis die Reaktorgebäude betreten werden können.

Geplant ist, eine Hülle um die teilweise zerstörten Gebäude zu bauen, um den weiteren Austritt der Radioaktivität zu stoppen. Doch die Betreiberfirma Tepco ist schon beim ersten Bau in Verzug. Wie mit den stark erhöhten Werten im Inneren der Hülle umgegangen werden soll, ist unklar.

Die Evakuierungszone um das AKW Fukushima 1 ist unbewohnbar. Eine Gefährdung ist inzwischen auch für Orte weit außerhalb der 20-Kilometer-Zone offiziell bestätigt. Im Nordosten von Fukushima gibt es radioaktive Hotspots noch in 60 Kilometern, im Süden sogar noch in 200 Kilometern Entfernung. Ob Reis- und Gemüseanbau, Viehzucht oder Fischfang - Produkte aus der Region sind vielfach und auf Jahrzehnte nicht mehr zum Verzehr geeignet. Damit ist auch die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Menschen weggebrochen. Tepco und der Staat zahlen zwar Entschädigungen, doch die Beträge sind extrem niedrig.

November 2011: Neue Probleme in Fukushima

In Reaktor 2 des japanischen AKW Fukushima Daichii gibt es Anzeichen von erneuter Kernspaltung. Das gab die Betreiberfirma der Atomruine, Tepco in Tokio bekannt. Die Firma leitet Borsäure in den Reaktor, um eine mögliche Kettenreaktion unter Kontrolle zu bringen.

Bislang sollen sich weder die Temperatur, noch der Druck oder die radioaktive Konzentration im Reaktor verändert haben. Doch wieder einmal versucht Tepco die Situation herunterzuspielen. So behauptet ein Firmenvertreter gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo, dass es sich um keine besonders kritische Situation handele. Zudem behauptete er, eine mögliche Kernspaltung werde die Planung zur Stabilisierung des Reaktors nicht beeinträchtigen.

Anders schätzt das der Atomphysiker und Atomexperte bei Greenpeace, Heinz Smital, ein: Das erneute kritisch werden des Reaktors 2 ist bedrohlich. Offenbar ist die Kernschmelze so verlaufen, dass der Reaktorkern viel anfälliger für neue Kettenreaktionen ist als bisher gedacht. Damit ist auch der tatsächliche Zustand der Reaktoren unberechenbarer und gefährlicher als bislang angenommen.

Als erste Abhilfe wird boriertes Wasser in den Reaktor gepumpt. Bor ist ein sehr starker Neutronenabsorber und könnte die Kettenreaktion wieder stoppen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das borierte Wasser auch jene Stellen erreicht, wo die atomare Kettenreaktion wieder stattgefunden hat.

Eine erneute Kernspaltung wird vermutet, weil die radioaktiven Edelgase Xenon 133 und Xenon 135 gemessen wurden. Sie entstehen durch Kernspaltung und haben eine sehr kurze Halbwertszeit - Xe-133 von 5,25 Tagen und Xe-135 von 9,1 Stunden. Sie können nicht mehr aus dem normalen Betrieb vor dem 11. März dieses Jahres stammen. Die radioaktiven Edelgase sind nur durch eine erneute Kernspaltung erklärbar. Die Messung von Xenon durch Gamma-Spektroskopie ist ein übliches Verfahren und eine Fehldeutung daher unwahrscheinlich.

Jetzt ist in Fukushima nicht nur die hohe Strahlung, die Freisetzung von radioaktiven Substanzen und die Abwärme des radioaktiven Zerfalls zu meistern. Sondern zusätzlich das Problem, dass die atomare Kernspaltung immer wieder irgendwo aufflackern kann. Unklar ist zudem der Zustand in den Reaktoren 1 und 3, dort sind keine so sensiblen Detektoren in Betrieb wie in Reaktor 2 der Atomanlage Fukushima Daiichi.

Die Atomruine von Fukushima hält auch für die Zukunft noch viele böse Überraschungen bereit, sagt Smital. Sie sollte daher als Mahnmal für einen raschen weltweiten Ausstieg aus der Atomkraft gelten.

Dezember 2011: Kontrollierte Abschaltung ohne Kontrolle

In der Atomruine Fukushima Daiichi soll der "cold shutdown" gelungen sein, die kontrollierte Abschaltung. Doch der Begriff trügt: Die Situation ist nicht unter Kontrolle. Eine Untersuchungskommission fordert, dem Betreiber TEPCO die Aufsicht über die Ruine zu entziehen.

Seit dem 24. März 2011 arbeitet eine unabhängige Kommission daran, den Hergang der Katastrophe von Fukushima aufzuklären. Sie wird vom früheren japanischen Premierminister Yukio Hatoyama geleitet und soll auch den derzeitigen Zustand der Reaktoren untersuchen. Zusammen mit seinem Kollegen Tomoyuki Taira hat Hatoyama einen Kommentar im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Darin fordert er, dem Betreiber TEPCO die Aufsicht über die Atomruinen zu entziehen. TEPCO kann viele Fragen nicht beantworten. Mehr noch: Es entsteht der Eindruck, Aufklärung sei gar nicht gewünscht.

So konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden, ob es zu erneuten Kettenreaktionen gekommen ist, ob sich also das atomare Feuer zeitweise unkontrolliert wieder gezündet hat. Die Kontrolle der Reaktivität ist aber das erste von drei wesentlichen Schutzzielen in der Reaktorsicherheit, das hier in Frage steht.

Weitere offene Fragen ergeben sich aus dem Befund von Curium 242 (163 Tage Halbwertzeit) und Plutonium 238 (88 Jahre Halbwertzeit). Beide Radionuklide wurden viele Kilometer entfernt gefunden. Kann eine Wasserstoffexplosion diese schweren Partikel so weit schleudern? Und kann sie die enorme Hitze hervorrufen, die das Stahlgerüst auf dem Dach des Reaktors 3 teilweise schmelzen ließ? War vielmehr eine nukleare Explosion dafür verantwortlich?

Es ist ein bekanntes Sicherheitsproblem in der Reaktortechnik: Die Regelstäbe, in gewisser Weise die Bremse des Reaktors, haben einen Schmelzpunkt von 800 bis 1000 Grad Celsius. Diese Bremsstäbe werden im Ernstfall zwischen die Kernbrennstäbe gefahren, um die Kettenreaktion zu unterbrechen und eine Kernschmelze zu verhindern. Das Hüllenmaterial der Kernbrennstäbe (Zirkalloy) aber schmilzt bei rund 1800 Grad, der Kernbrennstoff Urandioxid bei ca. 2850 Grad. Bei einer Kernschmelze schmilzt also zuerst die Bremse. Wird der Reaktor in dieser Situation wieder mit Wasser geflutet, also auch die Neutronen wieder moderiert, kommt es zu erneuten atomaren Kettenreaktionen und sehr gefährlichen Zuständen.

Neuere Simulationen legen nahe, dass eine viel weitergehende Kernschmelze stattgefunden hat, als vor November angenommen. So ist in Reaktor 1 nahezu der gesamte Kernbrennstoff geschmolzen, hat den Reaktordruckbehälter praktisch vollständig verlassen und ist tief in den Beton eingedrungen. Somit sagen auch Temperaturmessungen am leeren Reaktordruckbehälter wenig aus über den Zustand des Kernbrennstoffes. Doch auch diese Annahme könnte noch zu optimistisch sein. Möglicherweise hat sich der heiße Kernbrennstoff noch tiefer in den Beton eingebrannt als in der Simulation angegeben und Radionuklide können direkt in das Grundwasser gelangen. Den tatsächlichen Zustand des Kernbrennstoffs kennt man nicht.

Auch die Kühlung der Kernschmelze, die immer noch enorme Hitze entwickelt, ist ein massives Problem. Gigantische Mengen von Wasser, die radioaktiv kontaminiert werden, sind erforderlich um diese Kühlung zu gewährleisten. Im Juli 2011 hat eine Wasser-Dekontaminationsanlage den Betrieb aufgenommen, mit einer Kapazität von 40 bis 50 Tonnen Wasser pro Stunde. Zusätzlich dringt aber Grundwasser in die Atomruine, die Wassermenge steigt. Der Plan, das kontaminierte Wasser einfach ins Meer zu kippen, wurde auch wegen massiver Proteste von Fischereiverbänden vorerst verworfen. Doch die Kapazität der Auffangbehälter von ca. 160.000 Tonnen wird bis März 2012 wohl erschöpft sein. Auch reicht die Fläche auf dem Gelände gar nicht aus, um genügend Behälter aufzustellen.

Die heute von der japanischen Regierung verkündete kontrollierten Abschaltung, ein Zustand der bei nicht zerstörten Anlagen als "cold shutdown" bezeichnet wird, ist eine Verharmlosung. Betreiber von intakten Atomanlagen würden sich wahrscheinlich verwahren, würde man die Meldung "cold shutdown" dahingehend deuten, ihre Anlage hätte nun den Zustand von Fukushima Daiichi erreicht. Die unabhängige Untersuchungskommission unter Yukio Hatoyama spricht sich dafür aus, auch unangenehme Fakten zu nennen, ein unabhängiges Wissenschaftlerteam mit den vielen offenen Fragen zu betrauen und den "gefährlichen Optimismus" zu überwinden.

Für das eigentliche Problem, wie der gesamte Kernbrennstoff entfernt und entsorgt werden könnte, gibt es bisher noch keinen Plan. Jahrzehntelang wird man mit den Problemen der Atomanlagen kämpfen. Was die Atomkatastrophe für die vielen Menschen bedeutet, deren Leben durch den Super-GAU schlagartig verändert wurde, lässt sich nicht beziffern. Ein schneller weltweiter Atomausstieg sollte die klare Konsequenz sein. Atomenergie hat keine Zukunft, darüber kann auch Zweckoptimismus nicht hinwegtäuschen.

Hier geht es zum vorigen Teil der Chronologie (Teil 16) 

Hier geht es zum nächsten Teil der Chronologie (Teil 18)

Mehr erfahren:

Lagebericht zur nuklearen / radiologischen Situation in Fukushima Daiichi (Update)

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Update der Berichte über die Lage in Fukushima Daiichi im Mai 2011

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Update zur nuklearen und radiologischen Situation in Fukushima Daiichi (engl.)

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Bewertung des TEPCO-Plans zur Flutung von Fukushima Daichii

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Betreiber TEPCO Plant, Teile des beschädigten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi zu fluten, doch die Sicherheitsanalysen sind unzureichend.

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Zwischenbericht Fukushima Daiichi Unglück

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Der Bericht fasst den Zwischenbericht vom April über die Lage am Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zusammen.

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Zwischenbericht über das Kernkraftwerk Fukushima Dai-ichi (engl.)

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Bericht über Zwischenfälle, Entwicklung der Situation und möglicher Ausgang in den Fukushima Dai-Ichi Kernkraftwerken

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Zur gesamten Chronologie:

Greenpeace-Strahlenmessung bei Fukushima 03/27/2011

Am 11. März 2011 erlitt Japan ein schweres Erdbeben, gefolgt von einem Tsunami und einem atomaren Unfall im Atomkraftwerk Fukushima. Diese Chronologie schildert den Ablauf der Atomkatastrophe.

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