Alibi-Veranstaltung AkEnd?
- Ein Artikel von Mathias Edler
- Hintergrund
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Vier Jahrzehnte nach dem Einstieg in die Atommüllproduktion mit der Inbetriebnahme des Versuchsreaktors Kahl hat 2002 erstmals die damalige rot-grüne Bundesregierung allgemeine Kriterien und ein vergleichendes Auswahlverfahren für die Standortsuche nach einem Atommüllendlager entwickeln lassen. Doch der zu diesem Zweck gegründete Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) ist nicht frei von den Sachzwängen, die in der Vergangenheit im Hinblick auf Gorleben und Schacht Konrad (beide Niedersachsen) geschaffen wurden. Am 17. Dezember 2002 wurde in Berlin der Abschlussbericht „Auswahlverfahren für Endlagerstandorte – Empfehlungen des AkEnd“ an Bundesumweltminister Jürgen Trittin übergeben. Im Sommer davor verließ Greenpeace seinen Beobachtungsposten im AkEnd. Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace und für Greenpeace als Beobachter im AkEnd, fasst hier zusammen, warum.
Schon zwei Jahre nach Amtsantritt verlässt die rot-grüne Bundesregierung die Courage beim Thema Atommüll. Die Umsetzung der AkEnd-Vorschläge rückt durch die atomfreundliche Politik Schröders in immer weitere Ferne. Der Arbeitskreis hat nur noch eine Alibi-Funktion.Hinter den Kulissen steht das Ergebnis schon fest: Der unsichere Salzstock Gorleben und Schacht Konrad sollen nach wie vor für die Endlagerung radioaktiver Abfälle herhalten.
Endlagerpolitik der rot-grünen Bundesregierung
Koalitionsvereinbarung 1998: Nach der gewonnenen Bundestagswahl 1998 ziehen SPD und Grüne ein ehrliches Fazit der bislang verfolgten Atommüllpolitik und erklären: Die Koalitionsparteien sind sich einig, dass das bisherige Entsorgungskonzept für die radioaktiven Abfälle inhaltlich gescheitert ist und keine sachliche Grundlage mehrhat.
AkEnd: Im Februar 1999 setzt Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlager (Ak End) ein, der die Grundlagen für das neue Endsorgungskonzept erarbeiten soll. Das Gremium soll
- einen Kriterienkatalog zur Standortwahl in unterschiedlichen geologischen Formationen und
- ein geeignetes Suchverfahren mit voller Beteiligung der Öffentlichkeit erarbeiten.
Während die Wissenschaftler des AkEnd - Geologen, Physiker und Sozialwissenschaftler - in zum Teil öffentlichen Workshops ihre Arbeit vorantreiben, schlägt die Bundesregierung mit der so genannten Konsens-Vereinbarung wieder den alten, zuvor für gescheitert erklärten Weg in der Atommüllpolitik ein.
Atomkonsens-Vereinbarung vom Juni 2000: Zum Salzstock Gorleben findet sich in der Vereinbarung die Formulierung, Regierung und Atomindustrie seien sich einig, dass die bisher gewonnenen geologischen Befunde keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die gegen eine Eignung dieses Salzstocks als Endlager sprächen. Mit der Unterschrift unter diesen Satz geben SPD und Grüne ihre bisher ablehnende Haltung zu einem Endlager in Gorleben de facto auf. Denn welche Argumente bleiben noch, wenn alle in den vergangenen 20 Jahren entdeckten geologischen Unzulänglichkeiten plötzlich nicht mehr zählen?
Zwar wird in der Atomvereinbarung ein befristeter Baustopp vonmindestens drei und höchstens zehn Jahren für Gorleben vereinbart.Während dieses Moratoriums sollen offene Fragen geklärt werden. Dessenungeachtet bekräftigen die Unterzeichner: Das Moratorium bedeutet keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager. Am 1.Oktober 2000 setzt das Bundesamt für Strahlenschutz das Moratorium in Kraft. Es wird zunächst auf zwei Jahre befristet und im September 2002 für weitere zwei Jahre verlängert.
Schacht Konrad, das geplante Endlager für schwach Wärme entwickelnde Abfälle, wird in der Atomvereinbarung ebenfalls nicht aufgegeben.Stattdessen wird der Abschluss des Planfeststellungsverfahrens vereinbart. Am 4. Juni 2002 spricht das Niedersächsische Umweltministerium für Schacht Konrad eine Genehmigung aus.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zieht im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) zwar den Antrag auf Sofortvollzug zurück. Dadurch wird Konrad vorläufig nicht weiter ausgebaut, bis die noch anhängigen Klagen gegen das Projekt von den Gerichten entschieden sind (aufschiebende Wirkung). Doch es steht zu befürchten, dass die Gerichte die Genehmigung höchstens noch verändern, aber nicht aufheben werden.
Die Rahmenbedingungen für den AkEnd
Parallel zu diesen Vorfestlegungen auf die alten Entsorgungsstandorte arbeitet der AkEnd von 1998 bis 2002 angeblich ergebnisoffen und auf der Basis einer weißen Landkarte.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin setzt dem AkEnd eine Reihe von politischen Zielvorgaben:
- Alle radioaktiven Abfälle sollen in tiefen geologischen Formationen in Deutschland endgelagert werden.
- Für die Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle soll ein Endlager ausreichen, das ab 2030 betriebsbereit ist.[1]
- Es ist nicht Aufgabe des AkEnd, sich mit den Standorten Gorleben und Konrad zu befassen. [2]
Daneben formuliert das BMU auch fachliche Vorgaben:
- Bei Verfahrensentwicklung und Umsetzung ist die Öffentlichkeit umfassend zu beteiligen.
- Der Isolationszeitraum für die radioaktiven Abfälle vor der Biosphäre soll in der Größenordnung von einer Million Jahren liegen.[3]
- Das Endlager soll über ein robustes Mehrbarrierensystem mit dem Schwerpunkt auf der geologischen Barriere verfügen.
- Die Rückholbarkeit der Abfälle ist zunächst nicht beabsichtigt.
Kritik: Der Verzicht auf die Möglichkeit, den Müll zurückzuholen, falls sich der Stand von Wissenschaft und Technik ändern sollte, erinnert an die Vergraben-und-Vergessen-Politik früherer Bundesregierungen.
Das Suchverfahren: Nach vier Jahren legt der AkEnd Minister Trittin im Dezember 2002 seine Arbeitsergebnisse vor. Für das Suchverfahren schlagen die Wissenschaftler ein Drei-Phasen-Konzept vor:
Phase I (1999 - 2002): Erarbeitung der Kriterien und des Suchverfahrens inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung.
Phase II (2003 - 2004): Festlegung des Verfahrens unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Dieser Schritt ist nicht mehr Aufgabe des AkEnd, sondern muss von Seiten des Gesetzgebers bzw. der Bundesregierung erfolgen.
Phase III (2004 -2010): Durchführung der Standortsuche nach den vereinbarten Kriterien und dem vereinbarten Verfahren.
Konkret würden die drei Phasen nach dem Willen der Experten aus folgenden Schritten bestehen:
- Ausweisung von Gebieten, die bestimmte geologische Mindestanforderungen erfüllen. Anwendung geowissenschaftlicher Ausschlusskriterien.
- Auswahl von Teilgebieten mit besonders günstigen geologischen Voraussetzungen. Anwendung geologischer Abwägungskriterien.
- Auswahl von Standorten für die übertägige Erkundung. Anwendung planungswissenschaftlicher Ausschlusskriterien, geowissenschaftlicher und bergbaulicher Aspekte.
- Festlegung von mindestens zwei Standorten für die untertägige Erkundung. Diese Entscheidung muss etwa 2010 getroffen werden. Anschließend: Erkundung der Standorte.
- Standortentscheidung. Entwicklung eines Sicherheitsnachweises. Danach: Atomrechtliches Genehmigungsverfahren für den ausgewählten Standort. Inbetriebnahme des Endlagers.
Ein betriebsbereites Endlager stände nach diesem Zeitplan in etwa 2030 zur Verfügung, also ungefähr bei Ablauf der für 40 Jahre geltenden Genehmigung der dezentralen Zwischenlager an den Atomkraftwerksstandorten und der zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus.
Die Kriterien
Geologische Ausschlusskriterien: Im ersten Verfahrensschritt sollen geowissenschaftliche Ausschlusskriterien angewandt werden, bei deren Vorliegen ein Gebiet von der Endlagersuche ausgeschlossen wird. Der AkEnd formuliert fünf solcher Kriterien:
- großräumige Vertikalbewegungen (das heißt Hebungen von mehr als einem Millimeter im Mittel pro Jahr)
- aktive Störungszonen
- seismische Aktivität (darf nicht größer als Erdbebenzone 1 sein)
- vulkanische Aktivität
- Grundwasseralter (keine jungen Grundwässer, die am heutigen Grundwasserkreislauf beteiligt sind)
Kritik: In den Szenarien für die Ausschlusskriterien sind die Knackpunkte der Gorleben-Kritiker erwähnt: Lösungszutritte im Lager (Laugenzuflüsse), Reduzierung der geologischen Barrieren (Gorlebener Rinne; Abtragung des Deckgebirges bis aufs Salz), Schaffung von Wasserwegsamkeiten durch Störungen und Klüfte, Überdeckung durch Oberflächengewässer (Elbe). Die wörtlichen Ausschlusskriterien (s.o.) lassen sich so interpretieren, dass selbst der unsichere Standort Gorleben noch in Frage käme.
Geowissenschaftliche Abwägungskriterien. Mindestanforderungen:
- Der Gebirgsbereich muss aus Gesteinstypen bestehen, deren Gebirgsdurchlässigkeit (Wasser) kleiner als 10-10 m/s ist.
- Der einschlusswirksame Gebirgsbereich (also der Teil der geologischen Barriere, der zusammen mit den technischen Barrieren den Einschluss der radioaktiven Abfälle sicherstellen soll) muss mindestens 100 Meter mächtig sein.
- Die Oberkante des Gebirgsbereichs zum Deckgebirge muss mindestens 300 Meter tief liegen.
- Das Endlagerbergwerk darf nicht tiefer als 1.500 Meter liegen.
- Die Ausdehnung des Endlagergesteins muss bei Salz mindestens drei Quadratkilometer, in Ton oder Granit mindestens zehn Quadratkilometer betragen.
- Das Wirtsgestein darf nicht gebirgsschlaggefährdet sein.
- Es dürfen keine Erkenntnisse vorliegen, welche die Einhaltung der geowissenschaftlichen Mindestanforderungen zu Gebirgsdurchlässigkeit, Mächtigkeit und Ausdehnung über einen Zeitraum von einer Million Jahren zweifelhaft erscheinen lassen.
Kritik: Für das Beispiel Gorleben bedeutet das: Auch hier sind die Anforderungen noch so interpretierbar, dass der Salzstock die meisten dieser Kriterien erfüllt. Die aus den Mindestanforderungen resultierenden Abwägungskriterien zu den einzelnen Bereichen selbst sind mit wenig konkreten Adjektiven wie gering, groß, hoch, robust gespickt. Was das genau bedeutet, ist dann Auslegungssache.
Planungswissenschaftliche Ausschlusskriterien: Naturschutzgebiete, Nationalparks, spezielle Biotope, Überschwemmungs- oder Wasserschutzgebiete schließen den Bau eines Endlagers zu Beginn von Schritt 3 aus. Allerdings: Der Ausschluss kann dann überregelt werden, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Interesses dafür sprechen und aus Sicherheitsgründen keine gleichwertigen Standortalternativen gegeben sind.
Kritik: Die mögliche Überregelung lässt die planungswissenschaftlichen Ausschlusskriterien zur Farce verkommen. De facto sind die planungswissenschaftlichen Ausschlusskriterien auch Abwägungskriterien.
Sozialwissenschaftliche Kriterien: In einer so genannten Potenzialanalyse soll geprüft werden, ob der Bau eines Atommüllendlagers die Entwicklungschancen einer Region beeinträchtigt. Dabei werden zu erwartende Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, im Bereich der Kaufkraft, Abwanderung und Zuwanderung, Investitionen, Strukturstärkung oder -schwächung von Branchen (z.B. Landwirtschaft), Bauland- und Pachtpreise gegen einander abgewogen. Eine negative Beurteilung kann das Verfahren beenden, muss aber nicht zwingend dazu führen.
Kritik: Sozialwissenschaftliche Kriterien sind keine Ausschlusskriterien. Außerdem lassen sich die Entwicklungschancen einer Region durch finanzielle Hilfen des Staates entsprechend manipulieren. Aber nicht alle regionalpolitischen Versprechen werden Realität.Beispiel Gorleben: Von den Tausenden versprochenen Arbeitsplätzen sind nur rund 300 übrig geblieben.
Bürgerbeteiligung: Im Gesamtverfahren sollen durch Schaffung einer Informationsplattform die Bürger beteiligt sein. Das Bürgerforum bzw. Kompetenzzentrum wird mit Finanzmitteln ausgestattet, um sich von Experten seines Vertrauens beraten zu lassen. In den Schritten 3 und 4, eventuell auch 5 soll durch eine Befragung ein Bürgervotum eingeholt werden.
Unklar ist, in welchem Umkreis die Befragung stattfinden wird. Beispiel: Fragt man nur die Bewohner der umliegenden Dörfer, ist ein ablehnendes Votum wahrscheinlich, da die Leute vor Ort direkt betroffen sind. Fragt man die Menschen im ganzen Land, wird sich wahrscheinlich eine satte Mehrheit der Befragten für den ausgewählten Standort aussprechen, weil die meisten Menschen weit davon entfernt wohnen und froh sind, dass das Endlager nicht bei ihnen vor der Haustür geplant ist.
Im Falle eines (sehr wahrscheinlichen) negativen Votums schlägt der AkEnd vor: Erklärt die Bevölkerung nicht ihre Beteiligungsbereitschaft, empfiehlt der AkEnd, dass der Bundestag die Standortsuche und -entscheidung in Form einer Legalplanung an sich zieht, (...). Mit der Legalplanung kann eine erhebliche Einschränkung privatrechtlicher Klagemöglichkeiten verbunden sein. [4]
Kritik: Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, wenn den Bürgern mehr Mitspracherechte bei einem Endlagersuchprozess zugebilligt werden.Wenn ihr Votum im Endeffekt allerdings nicht bindend ist, verkommt die Mitsprache zur Farce. Als es nach der Wahl 1998 darum ging, einen Ausstieg aus der Atomenergie zu erreichen, wurde der so genannte Atomkonsens allein zwischen Regierung und Energiekonzernen beschlossen- mit den bekannten Folgen eines geordneten Weiterbetriebs der Atomkraftwerke.
Die Beseitigung des Atommülls, der unzweifelhaft durch den Betriebvon Atomkraftwerken entsteht, soll demgegenüber als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Wenn es um Lastenverteilung im Sinne des Wortes geht, sollen die Bürger in einem Arbeitskreis Endlager gefälligst mit anpacken. Wenn es um die Begrenzung der Atommüllmenge durch den riskanten Betrieb von AKW geht, verhandeln Regierung und Konzerne hinter verschlossenen Türen.
Sicher, der vorhandene Atommüll muss irgendwo gelagert werden, und zwar nach Auffassung von Greenpeace im eigenen Land anstatt in Ländern mit geringeren Umweltstandards wie Russland. Um national Akzeptanz für eine Standortsuche zu schaffen, ist es notwendig, dass durch einen Atomausstieg die Neuproduktion von Atommüll beendet wird. Das ist bisher in Deutschland nicht gesichert. Die CDU hat angekündigt, im Fall ihrer Rückkehr an die Regierung das von Rot-Grün beschlossene Auslaufen der Atomenergie zu stoppen und die Laufzeit der Reaktoren auf 50 Jahrezu verlängern.
Auch mit den Stromkonzernen gibt es keinen Konsens, dass die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Die Betreiber hoffen auf die nächste Wahl und einen Regierungswechsel. Sie werden versuchen, möglichst viele Atommeiler am Netz zu halten, so lange es irgend geht, und dadurch immer mehr Atommüll produzieren. Der rot-grüne Atomausstieg (und damit auch die Begrenzung der Müllmenge) entpuppt sich als leeres Versprechen. Kann die Atomindustrie erst einmal einen Endlagerstandort vorweisen, ob sicher oder nicht, wird sie die riskanten Atomkraftwerke auch in 20 Jahren nicht abschalten - und wahrscheinlich sogar neue Reaktoren bauen.
Die Bundesregierung fällt dem AkEnd in den Rücken
Schwerer noch als die inhaltlichen Mängel im AkEnd-Prozess wiegen die kontraproduktiven Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung eine Umsetzung des Prozesses nahezu unmöglich macht. Denn grundsätzlich geht der vorgeschlagene Weg in die richtige Richtung: erst die Sicherheitskriterien entwickeln, im Auswahlverfahren die Bürger beteiligen und dann Entscheidungen über den Entsorgungsweg treffen.
Das politische Handeln der rot-grünen Bundesregierung konterkariert die Arbeit des AkEnd:
- Für die Endlagerung aller Arten und Mengen radioaktiver Abfälle soll ein Endlager ausreichen. [5]
Kritik: Ein Endlager oder zwei - diese Frage lässt sich nicht mit sowohl als auch beantworten. Denn eine politische Festlegung auf nur ein Endlager macht die Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens für Schacht Konrad überflüssig. Konrad kann nicht einziges Endlager sein, denn der Standort ist für hochradioaktive Abfälle nicht geeignet. Trotzdem hält das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als dem Bundesumweltminister untergeordnete Behörde an dem Antrag auf Genehmigung von Schacht Konrad fest. Damit konterkariert Rot-Grün seine eigene Vorgabe an den AkEnd, ein Ein-Endlager-Konzept zu entwickeln.
- Es ist Vorgabe des Bundesumweltministers, dass sich der AkEnd nicht mit dem Salzstock Gorleben und dem geplanten Endlager Konrad befasst. [6]
Kritik: Im Koalitionsvertrag von 1998 haben SPD und Grüne festgestellt: Die Koalitionsparteien sind sich einig, dass das bisherige Entsorgungskonzept für die radioaktiven Abfälle inhaltlich gescheitert ist und keine sachliche Grundlage mehr hat. Konsequenterweise müsste die Bundesregierung also die Standorte Gorleben und Konrad aufgeben, denn sie gehören zum alten Entsorgungskonzept. Doch statt tatsächlich mit einer weißen Landkarte auf die Suche nach einer Entsorgungslösung zu gehen, weist Trittin den AkEnd an, Gorleben und Konrad aus seinen Überlegungen auszuklammern. Die nicht vertretbaren Optionen Gorleben und Konrad bleiben bestehen. Das parallele Umsetzen zweier entgegengesetzter politischer Strategien im Bereich Atommüllentsorgung raubt dem AkEnd-Verfahren die Legitimität.
- Im Dezember 2001 hat der Bundestag beschlossen, dass spätestens bis zum Jahr 2010 ein oder mehrere Standorte für die untertägigeErkundung zu benennen sind. [7]
- Kritik: Obwohl der AkEnd empfiehlt, zumindest zwei Standorte untertägigauf ihre Eignung zu erkunden, lässt die Bundesregierung mit ihrerAussage nach wie vor Spielraum für die Interpretation, dass auch dieErkundung eines Standortes ausreichen würde. Eine vergleichendetStandortsuche kann jedoch nur stattfinden, wenn man auch mehrereStandorte zu vergleichen hat, es sei denn, der eine neue Standort sollmit dem nachweislich unsicheren Salzstock Gorleben verglichen werden.
- Die Bundesregierung bekräftigt den Grundsatz der Endlagerung im eigenen Land. [8]
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Kritik: Die rot-grüne Koalition hat im Juni 2000 einen Atomkonsens mit den Energieversorgern unterzeichnet und die Ergebnisse im April 2002 im Atomgesetz (AtG) festgelegt. Man sucht allerdings sowohl im Atomkonsensals auch im AtG vergeblich nach einem Atommüll-Exportverbot. Dafür hates an politischer Überzeugung, die Endlagerung im eigenen Landvornehmen zu wollen, offensichtlich nicht gereicht. Die Hintertür zueiner internationalen Lagerstätte mit niedrigen Sicherheits-undUmweltstandards bleibt für die Atomindustrie offen.
- In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen aus dem Jahre2002 findet sich ein auf den ersten Blick unscheinbarer Satz, der den gesamten AkEnd-Prozess endgültig zur Farce werden lässt: Zur Frage der Finanzierung der Erkundungsarbeiten strebt die Bundesregierung eine Verständigung mit den Energieversorgungsunternehmen an, die deren Verantwortung als Abfallverursacher gerecht wird. Trittins Sprecher Michael Schroeren berichtet, die SPD habe in den Koalitionsverhandlungen vomUmweltministerium verlangt, die Energieversorger aus der Finanzierungherauszuhalten. Kritik: Beide Aussagen kommen einem Scheitern der vom AkEnd geforderten praktischen Umsetzung des entwickeltenStandortsucheverfahrens gleich, bevor es überhaupt begonnen hat. Denndas Bundesumweltministerium selbst verfügt weder jetzt noch in Zukunftüber die notwendigen Haushaltsmittel zur Bewältigung dieser Aufgabe.
Auf Seiten der Energieversorgungsunternehmen besteht keinerleiBereitschaft, die Finanzierung einer rund 1,5 Milliarden Euro teuren,neuen Standortsuche zu übernehmen. Die EVU vertreten seit langem denStandpunkt, mit der Finanzierung der Erkundung des Salzstocks Gorleben und der Grube Konrad ihrer Pflicht als AbfallverursacherGenüge getan zu haben. Die energiepolitische Sprecherin der Grünen,Michaele Hustedt, stellt fest: Die Formulierung, wer gegebenenfallsdie Erkundungsarbeiten an einem alternativen Standort finanziert, ist butterweich. Sind die Stromkonzerne davon nicht zu überzeugen, wird es dennoch auf Gorleben hinauslaufen.
- Der Konflikt zwischen Kanzleramt und Umweltministerium überdie Finanzierung einer alternativen Standortsuche lähmt die Umsetzungder AKEnd-Vorschläge. Zwar arbeitet das Umweltministerium - angeblichmit Hochdruck - an einer gesetzlichen Grundlage für den AKEnd-Prozess, doch gibt es bis heute weder einen Gesetzentwurf noch eine Zustimmungdes Kanzleramts zum konkreten weiteren Vorgehen in SachenAtommüllentsorgung.
Fazit
Durch die Festlegungen in der Atomkonsens-Vereinbarung hat Rot-Grün die Arbeit des AkEnd zu einer Alibi-Veranstaltung degradiert. Der AkEnd und das von ihm vorgeschlagene Suchverfahren nach alternativen Standorten stehen für einen Neuanfang in der Atommüllpolitik. Die Vereinbarung dagegen steht für eine Fortsetzung der alten Politik und ein Festhalten an den alten Standorten Gorleben und Konrad. Beides ist nicht gleichzeitig möglich.
Eine Umsetzung der AkEnd-Vorschläge rückt durch die atomfreundliche Politik Schröders in immer weitere Ferne. Hinter den Kulissen steht das Ergebnis schon fest: Der unsichere Salzstock Gorleben und Schacht Konrad sollen nach wie vor für die Endlagerung radioaktiver Abfälle herhalten.
Greenpeace fordert:
- einen glaubwürdigen Neuanfang in der Entsorgungspolitik, d.h. Aufgabe der unsicheren Endlagerstandorte Gorleben und Konrad, das heißt Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für eine vergleichende und ergebnisoffene Standortsuche, um eine langfristig sichereEntsorgungsmöglichkeit für den Atommüll zu finden.
- ein gesetzliches Exportverbot für Atommüll
- eine gesetzliche Verpflichtung der EVU zur Finanzierung der Atommüllentsorgung. Die Verpflichtung umfasst sowohl die Untersuchung verschiedener Entsorgungsmöglichkeiten und -standorte. Auch potenzielle Folgekosten, falls der strahlende Müll - wie im absaufenden Endlager Asse - unter Umständen wieder ausgegraben werden muss, müssen von derFinanzierungsverpflichtung abgedeckt sein.
Erstveröffentlichung: Mai 2002
Fußnoten
[1] AkEnd, Auswahlverfahren für Endlagerstandorte. Empfehlungen des AkEnd, Dezember 2002, S. 19.
[2] AkEnd, Interner Zwischenbericht, Juni 2000, S. 2
[3] Ebenda, S. 12 AkEnd, Auswahlverfahren für Endlagerstandorte. Empfehlungen des AkEnd, Dezember 2002.
[4] AkEnd. S. 13
[5] AkEnd, Auswahlverfahren für Endlagerstandorte Empfehlungen des AkEnd, Dezember 2002, S. 19
[6] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage derAbgeordneten Dr. Paul Laufs u.a., Bundestags-Drucksache Nr. 14/6376,20.06.2001
[7] AkEnd, Broschüre Auswahlverfahren für Endlagerstandorte, Dezember 2002, S. 8
[8] Pressemitteilung BMU, Endlagersuche erfolgt im kontinuierlichen Dialog mit der Öffentlichkeit, 16.9.2000