
Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag zu Mikroplastik in Kosmetik
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Probleme lassen sich meistens durch Gespräche aus dem Weg räumen. Darum befindet sich die Bundesregierung mit der Industrie auch im sogenannten „Kosmetikdialog“: Hier sollen Gesetzgeber und Hersteller von Kosmetikprodukten zu einvernehmlichen Lösungen in Sachen Umweltschutz finden. Dabei geht es vor allem um die Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik. Eine aktuelle Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Kosmetikdialog zeigt jedoch: Die Debatte gestaltet sich dürftig. Das Bundesumweltministerium setzt nicht die richtigen Themen, und die Industrie schaltet auf stur. Greenpeace fordert statt freiwilliger Selbstverpflichtungen längst ein umfassendes Gesetz zum Verbot von Plastik in Kosmetik.
Kosmetikdialog ist eine Scheinlösung
Die Antworten aus dem Bundesumweltministerium auf den Fragenkatalog der Grünen zeigen, dass es der Regierung an Verständnis für die Problematik mangelt. Sandra Schöttner, Greenpeace-Expertin für Meere, kritisiert vor allem, dass es bei den freiwilligen Selbstverpflichtungen der Hersteller nur um festes Mikroplastik geht. Flüssiges, wachsartiges, pastöses oder pulvriges Mikroplastik käme im Ausstiegsplan der Industrie gar nicht vor. „Der Kosmetikdialog zu Mikroplastik ist nicht mehr als eine Scheinlösung“, sagt Schöttner, „ein willkommener Freifahrtschein für die Branche, zukünftig werbewirksam Kosmetik- und Reinigungsprodukte als mikroplastikfrei zu bezeichnen, die es de facto nicht sind.“
Zur Umweltverträglichkeit von Mikroplastik in nicht-fester Form besitzt die Bundesregierung nach eigenen Angaben „keine Erkenntnisse“. Dabei belässt sie es auch und nimmt die Hersteller diesbezüglich nicht in die Verantwortung. Zu den Auswirkungen von nicht-festen Kunststoffen im Meer gibt es bislang wenige Erkenntnisse; dass festes Mikroplastik Umweltschäden anrichtet, ist hingegen bekannt. Hier müsste das Vorsorgeprinzip greifen: Wenn nicht sicher ist, dass die Stoffe unbedenklich sind, dürfen sie nicht weiter eingesetzt werden.
Kleine Mengen, große Wirkung
Mikroplastik in Kosmetikprodukten ist deshalb problematisch, weil es über unser Abwasser in die Meere gelangt. Die Verschmutzung wird vom Bundesumweltministerium allerdings herunterspielt. So heißt es in der Antwort, dass „Mikrokunststoffe mengenmäßig nur eine untergeordnete Rolle gegenüber anderen Eintragungsquellen spielen“. Diese Einschätzung teilt Greenpeace nicht. Selbst wenig richtet hier große Schäden an: An den Plastikpartikeln sammeln sich Schadstoffe, die letzten Endes auf unseren Tellern landen. Ein Greenpeace-Report zeigt, dass Meeresbewohner derart belastetes Mikroplastik mit der Nahrung aufnehmen – unter anderem beliebte Speisefische.
In den Antworten der Regierung offenbaren sich weitere Schwachpunkte des Kosmetikdialogs: In den Überlegungen inbegriffen sind lediglich sogenannte „rinse-off“-Produkte. Das sind solche Peelings und Shampoos, deren Plastikinhaltsstoffe sofort nach der Verwendung abgewaschen werden und in den Abfluss gelangen. Unbeachtet bleiben sogenannte „leave-on“-Produkte: Kosmetik, die über längere Zeit auf dem Körper bleibt und daher erst später Plastik ins Abwasser abgibt, zum Beispiel Haargel, Bodylotion oder Make-up – sie wird bislang von der Bundesregierung ignoriert.
Widersprüchlich, planlos, kurzsichtig
Des Weiteren hat das Bundesumweltministerium keinen Plan, wie der Handel mit Importwaren umgehen soll: Etliche internationale Konzerne, deren Produkte in deutschen Supermärkten und Drogerien liegen, haben mit der – wenn auch löchrigen – freiwilligen Selbstverpflichtung nichts zu schaffen. Deren Umsetzung soll bis 2020 abgeschlossen sein, erst dann wird über weitere Maßnahmen wie Verbote überhaupt erst nachgedacht. Die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie schreibt allerdings vor, dass die Ozeane zu diesem Zeitpunkt bereits in einem guten Umweltzustand sind. Das geht nicht zusammen.
Bereits im Juli 2016 belegte eine Greenpeace-Abfrage bei Kosmetikherstellern, dass die freiwillige Selbstverpflichtung wenig bringt. Die Kleine Anfrage der Grünen zeigt allerdings: Vom Bundesumweltministerium geht diesbezüglich auch keine Initiative aus. Dabei läge es an Ministerin Barbara Hendricks, der Willkür der Kosmetikhersteller ein Ende zu machen – mit einem überfälligen gesetzlichen Verbot von Mikroplastik in ihren Produkten. „Auf Kunststoffe in Kosmetik- und Reinigungsmitteln zu verzichten, ist keine Raketenwissenschaft“, sagt Sandra Schöttner. „Die Naturkosmetik zeigt seit Jahren, wie es geht.“