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Aktivisti protestieren vor einem Tiefseebergbauindustrieschiff

The Metals Company: ein Konzern auf Beutezug in der Tiefsee

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Was wie ein Politthriller klingt, ist bittere Realität: Die Tiefsee ist Zielscheibe eines Konzerns, der keine Skrupel kennt – The Metals Company.

Die Geschichte beginnt in der Südsee, auf Nauru – einem der kleinsten Staaten der Welt. Die Insel, einst durch Phosphatabbau reich geworden , ist heute wirtschaftlich ausgezehrt. Die Klimakrise  bedroht ihre Existenz, internationale Hilfe ist überlebenswichtig. In dieser Lage klopfte The Metals Company (TMC) an – ein Tiefseebergbauunternehmen mit großen Versprechungen und noch größeren Interessen. TMC suchte Zugang zu den Rohstoffen der Tiefsee: Metalle wie Kobalt, Nickel oder Mangan, die in sogenannten Manganknollen lagerten. Das sind handgroße Klumpen, die in mehreren Tausend Metern Tiefe über Millionen Jahre gewachsen sind. Diese Rohstoffe werden als „grüne Metalle“ vermarktet, doch der Abbau droht ein ökologisches Desaster auszulösen: Lebensräume, die wir kaum erforscht haben, könnten unwiederbringlich zerstört werden, noch bevor wir verstehen, was dort eigentlich lebt.

Damit TMC überhaupt abbauen darf, braucht es eine Genehmigung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) – einer UN-Organisation mit Sitz in Jamaika – und einen Staat, der als sogenannter “Sponsoring-State” für die Lizenzierung eintritt. Die ISA verwaltet den Meeresboden außerhalb nationaler Hoheitsgewässer und ist verpflichtet, diesen Teil der Erde im Interesse der gesamten Menschheit zu schützen. 

Doch es gab ein Problem für das Unternehmen: Es existierten noch keine finalen Regeln für den kommerziellen Abbau. Also keine rechtlich verbindlichen Umweltstandards, keine klaren Haftungsregelungen, keine internationalen Kontrollen und weiteres. 

TMCs Lösung: Das Unternehmen nutzte die politische Verletzlichkeit Naurus und machte den kleinen Inselstaat zum Türöffner für kommerziellen Tiefseebergbau. 2021 löste Nauru auf Betreiben von TMC mit der sogenannten Zwei-Jahres-Klausel einen Hebel aus, der die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) unter Druck setzte, binnen zwei Jahren Regeln für den Abbau am Meeresboden zu erlassen. Der Trick: Blieben die Regeln aus, sollte trotzdem abgebaut werden dürfen. 

Was Nauru offiziell als Gewinn des globalen Südens verkaufen wollte, war in Wahrheit ein Geschenk an die Industrie. TMC brauchte dringend einen Fortschritt, um Investor:innen zu beruhigen – und Nauru lieferte das Druckmittel. Ein winziger Staat, benutzt von einem Unternehmen, das bereit war, das Schicksal ganzer Ökosysteme aufs Spiel zu setzen.

Die Zwei-Jahres-Klausel

Die Zwei-Jahres-Klausel ist ein rechtlicher Hebel mit gewaltiger Sprengkraft: Laut dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen kann ein Staat, der ein Unternehmen mit Tiefseebergbau beauftragt, die ISA dazu auffordern, innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk dafür zu verabschieden. Wird dieses Zeitfenster nicht eingehalten, muss die Behörde auch ohne Schutzrahmen über einen Antrag auf Tiefseebergbau entscheide. 2021 löste Nauru unter dem direkten Einfluss von TMC erstmals diesen Mechanismus aus. Umweltorganisationen weltweit waren alarmiert. Wissenschaftler:innen warnten: Dieser Schritt könnte ein Wettrennen auf dem Meeresboden starten, bei dem die Natur die Leidtragende ist.

TMC spinnt ein Netz aus Lobbyismus und Lügen 

Pacific Leaders Hold Banner outside ISA Conference Centre in Kingston, Jamaica

Vertreter der Pazifikstaaten nehmen gemeinsam mit der Aktivistin Amanda Du-Pont im Juli 2024 an der Sitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) teil.

Was folgte, war ein beispielloser Lobby-Marathon hinter den Kulissen. Nachdem Nauru 2021 auf Betreiben von TMC die Zwei-Jahres-Klausel gezogen hatte, geriet die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) unter massiven Druck. Die Behörde, zuständig für die Verwaltung des internationalen Meeresbodens, hatte nun genau zwei Jahre Zeit, um ein Regelwerk für den Tiefseebergbau zu entwickeln. Ein Regelwerk, das über die Zukunft der letzten unberührten Ökosysteme unseres Planeten entscheiden würde – und über das Geschäftsmodell eines einzelnen Konzerns.

Doch statt in einem geordneten, wissenschaftsbasierten Verfahren die Risiken abzuwägen, begann eine Phase aggressiver Einflussnahme. TMC stellte sich als Klimaretter dar und malte öffentlich das Bild einer grünen Industrie. Tiefseebergbau sei notwendig für die Energiewende, hieß es auf Hochglanzfolien – weil in den Rohstoffen Metalle für Batterien und Solaranlagen zu finden seien. Dass unabhängige Studien längst bewiesen hatten, dass es nachhaltigere, ressourcenschonende Alternativen gibt, blendete dieses Märchen aus. Über Jahre spann TMC ein Netzwerk aus Lobbyarbeit, Halbwahrheiten und politischen Manövern. Unterstützt wurde der Konzern dabei ausgerechnet von jenem Mann, der die ISA eigentlich im Sinne des globalen Gemeinwohls führen sollte: Michael Lodge, ehemaliger Generalsekretär der UN-Behörde. So rückte der Konzern seinem Ziel näher. Entgegen wissenschaftlicher Empfehlungen und auf Kosten der Meere. 

2023: Die Frist läuft ab, die Zweifel wachsen

2023, zwei Jahre nach Aktivierung der Klausel, endete die Frist. Doch das von der ISA geforderte Regelwerk existiert nicht, die Mitgliedsstaaten sind sich bis heute uneins. Die einen – vor allem jene mit wirtschaftlichem oder geopolitischem Interesse – drängen auf einen raschen Start der Ausbeutung. Andere, darunter Länder wie Chile, Costa Rica, Frankreich oder Deutschland, fordern eine Pause für Tiefseebergbau. Die Debatte um das Ende der Zwei-Jahres-Regel auf der ISA-Ratssitzung im Juli 2023 endete deshalb ohne Entscheidung. Die Behörde vertagte die Frage, wie mit Abbauanträgen umzugehen ist, auf unbestimmte Zeit und erzeugte damit einen gefährlichen Schwebezustand. Denn: Theoretisch dürfen Anträge nun gestellt werden, obwohl der notwendige Regulierungsrahmen fehlt. Ein politisches Vakuum, das vor allem TMC nützt. 

Immerhin, parallel wächst der Widerstand: Neue wissenschaftliche Studien wie die „Dark Oxygen“-Untersuchung zur Sauerstoffproduktion in der Tiefsee, die 2024 erschien, zeigen, wie empfindlich und komplex das Leben in der Tiefsee ist – und wie wenig wir bisher darüber wissen. Die Öffentlichkeit wird dadurch wacher, immer mehr Staaten sprechen sich für ein Moratorium aus. Der vermeintliche Konsens des Anfangs bröckelt.

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/tiefsee

SOS für die Tiefsee

In der Tiefsee soll Unfassbares passieren: Für den Abbau von Metallen und seltenen Erden soll der Meeresgrund durchfräst und so einzigartige Ökosysteme zerstört werden. Fordern Sie die Bundesregierung auf, sich klar für ein Moratorium auszusprechen!

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2025: Ein Frontalangriff auf die internationale Zusammenarbeit

Im März 2025 versuchte TMC erneut, einen kommerziellen Abbauantrag bei der ISA vorzubereiten. Das Land Nauru legte zur Unterstützung eine Tagesordnung vor, in der die Genehmigung von Abbauplänen ohne bestehende Regularien möglich gemacht werden sollte. Doch Chile widersprach. Mit einem Gegenantrag sorgte das Land für eine Wendung im Drehbuch: Statt eine Genehmigung zu forcieren, wurde nun darüber beraten, was passiert, wenn ein Antrag vorliegt, bevor es überhaupt Regeln gibt. Der Plan von TMC geriet ins Wanken und der ISA-Rat positionierte sich deutlich: keine Genehmigung ohne Regelwerk. 

Was dann geschah, ist beispiellos: Am 27. März 2025, einen Tag vor der geplanten Diskussion um die Anträge bei der ISA, kündigte TMC an, die Meeresbodenbehörde zu umgehen und nun über die USA und damit der Trump-Regierung mit dem Tiefseebergbau zu starten. Statt sich dem multilateralen Verfahren zu stellen, wollte der Konzern nun eine Genehmigung nach einem veralteten US-Gesetz aus den 1980er Jahren beantragen, dem sogenannten Deep Seabed Hard Mineral Resources Act. Ein Gesetz, das damals als gezielte Provokation gegen die UN-Seerechtsverhandlungen entstand und nun aus der juristischen Mottenkiste geholt wurde, um internationale Regeln auszuhebeln. 

Unterstützung erhieltTMC dabei von höchster Stelle: Am 24. April 2025 unterzeichnete US-Präsident Donald Trump ein Dekret zur Förderung des Tiefseebergbaus. Ziel ist es, die Regularien der ISA gezielt zu umgehen und den industriellen Abbau in internationalen wie nationalen Gewässern massiv zu beschleunigen. Für Umweltorganisationen ist das ein Tabubruch und ein klares Signal, dass die USA bereit sind, den letzten unberührten Lebensraum der Erde wirtschaftlichen Interessen zu opfern. 

Am 29. April folgte der nächste Akt dieses Krimis. Die Tinte unter Donald Trumps Dekret für Tiefseebergbau war noch nicht trocken, da versuchte TMC als weltweit erstes Unternehmen die Tiefsee zur Ausbeutungszone zu erklären.Es reichte bei der US-Behörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) einen Abbauantrag für kommerziellen Tiefseebergbau in internationalen Gewässern ein. Der Antrag zielte direkt auf die Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik, ein abgelegenes Areal jenseits nationaler Hoheitsgrenzen, das offiziell unter der Verwaltung der Internationalen Meeresbodenbehörde steht. 

Die USA und TMC greifen mit diesen Schritten das multilaterale System an, das seit Jahrzehnten die Grundlage für die Zukunft des Meeresbodens bilden soll. Das Absurde daran: Die USA haben das UN-Seerechtsübereinkommen nie ratifiziert. Und doch soll nun ausgerechnet ein amerikanisches Sondergesetz als Türöffner für Tiefseebergbau dienen. 

Campaigner Daniela von Schaper on the Arctic Sunrise in the Arctic
Trotz weltweitem Widerstand plant die US-Regierung mit Tiefseebergbau zu beginnen – und nimmt sich damit das Recht heraus, den letzten unberührten Lebensraum der Erde zu zerstören. Dieses Vorgehen verstößt gegen jegliche Absprachen der ISA, die offizielle Grundlage internationaler Zusammenarbeit. US-Präsident Donald Trump kündigt de facto ein gemeinsames Vorgehen auf und verwandelt die Tiefsee mit Partnern wie The Metals Company in den Wilden Westen.

Daniela von Schaper

Meeresexpertin bei Greenpeace

Campaigner Daniela von Schaper on the Arctic Sunrise in the Arctic
Zitat
Trotz weltweitem Widerstand plant die US-Regierung mit Tiefseebergbau zu beginnen – und nimmt sich damit das Recht heraus, den letzten unberührten Lebensraum der Erde zu zerstören. Dieses Vorgehen verstößt gegen jegliche Absprachen der ISA, die offizielle Grundlage internationaler Zusammenarbeit. US-Präsident Donald Trump kündigt de facto ein gemeinsames Vorgehen auf und verwandelt die Tiefsee mit Partnern wie The Metals Company in den Wilden Westen.
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Daniela von Schaper
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Meeresexpertin bei Greenpeace
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TMC weiß: Ohne ein gültiges Regelwerk gibt es kaum Aussicht auf Genehmigung bei der ISA. Also sucht das Unternehmen nun einen Ausweg – koste es, was es wolle. WWas wir hier sehen, ist nicht einfach Lobbyismus”, so Greenpeace Meeresexpertin Daniela von Schaper. “Es ist eine Strategie der Eskalation und ein Lehrbuchbeispiel für wirtschaftlichen Machtmissbrauch.” Währenddessen fordern immer mehr Länder ein Moratorium für Tiefseebergbau. Doch das reicht nicht, so von Schaper, denn “die kommende Bundesregierung muss mehr tun, als sich hinter pauschalen Aussagen zu verstecken. Sie muss entschieden für den Schutz des letzten unberührten Lebensraums auf unserem Planeten eintreten.” Dieser Krimi ist noch nicht zu Ende. Aber es liegt an uns, wie er ausgeht.

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