Jetzt spenden
Ein Junger Ostsee-Dorsch versteckt sich hinter einer Rotalge, Juli 2004
Sari Tolvanen / Greenpeace

Coup für die Meere: Schutzgebiete

Die Weltmeere sind ein einziges Krisengebiet: Rund 85 Prozent der weltweiten Speisefischbestände sind bis an die Grenze genutzt oder überfischt. Schuld daran sind übergroße, übertechnisierte Fangflotten und rücksichtslose Fangmethoden, etwa mit Grundschleppnetzen. Diese erzeugen nicht nur massenhaft Beifang, sie zerstören auch kostbare Lebensräume am Meeresboden wie artenreiche Tiefseeberge, Korallen- oder Steinriffe.

Die Meeresverschmutzung ist trotz vieler Verbote und Verbesserungen ein Dauerbrenner: Chemikalien aus Fabrikabwässern und der Landwirtschaft schädigen oder vergiften Tiere und Pflanzen, verlorene Fischernetze treiben als Todesfallen im Wasser, Plastikteile verstopfen die Mägen von Fischen und Seevögeln. Hinzu kommen havarierte Tanker und Bohrinseln, illegale Tankreinigungen von Schiffen – jede Ölpest tötet unzählige Meereslebewesen. Die Öl- und Gasindustrie dringt in immer entferntere und tiefere Meeresregionen vor. Selbst die noch fast unberührte Arktis steht im Visier der Konzerne und Regierungen.

Künftig sollen auch Metalle, vor allem Manganknollen, aus der Tiefsee gefördert werden. Bislang liegt kein Konzept für einen schonenden Bergbau vor. Schon der Abbau von Sand oder Kies ist problematisch – in den Saugrohren landen auch jede Menge Lebewesen, und die aufgewirbelten Sedimente ersticken die Meeresumwelt.

Massenhafter Schiffsverkehr, Industrieanlagen, seismische Tests zur Erdölsuche, militärische Sonare: Auch Unterwasserlärm ist ein Problem, er stört zum Beispiel die Orientierung von Walen.

„All inklusive“-Lösung: Meeresschutzgebiete

Eine einfache, aber effektive Methode, die nicht alle, jedoch viele Probleme der Meere schmälern kann, sind Schutzgebiete: Vergleichbar mit Nationalparks an Land, sind dies Regionen, in denen die Natur sich selbst überlassen bleibt. Hier dürfen weder Fische gefangen, noch Ressourcen gefördert werden – jegliche Form der Ausbeutung und industriellen Nutzung ist tabu.

Fische und Fischende profitieren

Viele wissenschaftliche Studien belegen den positiven Effekt von großflächigen Schutzgebieten. Zum einen werden einzelne Arten wie der Schweinswal und ganze Lebensräume wie Korallenriffe geschützt. Zum anderen können sich ausgebeutete Speisefischbestände in Schutzgebieten regenerieren und wieder erstarken. Jungfische wachsen hier ungestört zu einer stattlichen Größe heran, bis sie schließlich selbst Nachwuchs bekommen.

So profitiert gerade die Fischerei von Schutzgebieten: In den Ozeanen gibt es keine Zäune, die Meerestiere wandern aus den geschützten Gebieten aus – in die Netze der Fischer.

Ein Erfolgsbeispiel ist der mexikanische Cabo Pulmo Nationalpark im Golf von Kalifornien. Er wurde 1999 eingerichtet. Bis 2009 hat sich die Zahl der Fische vervierfacht und die Zahl ihrer natürlichen Jäger sogar verzehnfacht. Es gibt heute zehnmal mehr Haie als vorher.

Zeit zu handeln

Bereits heute existieren zahlreiche staatliche Beschlüsse und internationale Vereinbarungen mit dem Ziel, die Artenvielfalt im Meer zu erhalten, Schutzgebiete einzurichten oder eine nachhaltige Fischerei zu gewährleisten: zum Beispiel die Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD), das Seerechtsüberkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS), das Abkommen zum Nord-Ost-Atlantik (OSPAR) und zur Ostsee (HELCOM), das Natura-2000-Netzwerk sowie die Gemeinsame Fischereipolitik der Europäischen Union.

Kein Wille, kein Weg?

Allerdings scheint bislang der politische Wille zu fehlen, Worten Taten folgen zu lassen. In den meisten Fällen ist die Umsetzung der Vereinbarungen ungenügend, sind die Fristen verpasst und Ziele nicht erreicht. Ein grundsätzliches Problem dabei ist die Zersplitterung politischer Kompetenzen: So beschäftigen sich auf europäischer Ebene die Umweltminister: innen zwar mit der Einrichtung von Schutzgebieten, aber die Regelung der Fischerei liegt ausschließlich in den Händen der Fischereiminister: innen. Das macht strikte Managementpläne fast unmöglich.

Bisher ist nur ein Prozent der Weltmeere geschützt. Noch dazu existieren viele Schutzgebiete nur auf dem Papier. Greenpeace fordert, mindestens 40 Prozent der Ozeane unter Schutz zu stellen und diesen Schutz streng zu überwachen.

Nach der Zielsetzung der CBD-Konferenz in Nagoya sollen bis 2020 immerhin zehn Prozent der Weltmeere geschützt sein. Die Umsetzung innerhalb von acht Jahren lässt einen sportlichen Endspurt erwarten.

Deutschland ist kein Vorbild: 2008 wurden der EU zehn Meeresregionen als „Natura 2000“-Schutzgebiete gemeldet. Vier in der Nordsee, sechs in der Ostsee machen insgesamt 45 Prozent der deutschen Meeresfläche aus. Noch wurde allerdings nichts zum Schutz dieser Gebiete getan. Am Sylter Außenriff zum Beispiel darf weiterhin unbeschränkt Fisch gefangen und Sand und Kies abgebaut werden. Deshalb versenkten Greenpeace-Aktivist: innen mehrfach tonnenschwere Natursteine am Riff, um Fischer mit zerstörerischen Grundschleppnetzen zum Abdrehen zu bewegen.

Die EU schreibt vor, dass sechs Jahre nach Bestätigung der Natura 2000-Gebiete Managementpläne entwickelt und geeignete Schutzmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Das heißt, 2013 ist die Deadline für Deutschland erreicht.

Greenpeace selbst hat konkrete Vorschläge für Schutzgebiete erarbeitet, zur Nord- und Ostsee, zum Mittelmeer, ebenso zur Hohen See.

(Autorin: Nicoline Haas)

  • Pazifischer Rotfeuerfisch (Lionfish) im Scott Reef, November 1997

    Lionfish

    Überspringe die Bildergalerie
  • Protest gegen schwedisches Kabeljau Fischerei Schiff im September 2004

    Schutz für den Kabeljau

    Überspringe die Bildergalerie
  • Austernfischer mit Miesmuscheln im Wattenmeer, Juni 1999

    Im Wattenmeer

    Überspringe die Bildergalerie
  • Fünf tote Delphine 20 Meilen vor Plymouth im Meer gesichtet, Februar 2004

    Tote Delfine gesichtet

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/protestmail-sos-aus-der-arktis

SOS aus der Arktis: Stoppt den Tiefseebergbau!

Die norwegische Regierung will in der Arktis als erstes Land der Welt mit dem Tiefseebergbau starten. Damit gefährdet sie das Wohlergehen der Meere und der Lebewesen, die dort leben. Wir müssen die Zerstörung der Tiefsee zur Ausbeutung des Meeresbodens verhindern, bevor es zu spät ist.

Protestmail senden
Walroß auf Eisscholle in der Arktis

Mehr zum Thema

Pink Octopus against Deep Sea Mining at Bundestag Berlin

Raubbau an der Tiefsee

Ab heute bis zum 25. Juli verhandeln die insgesamt 170 Mitgliedstaaten der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA über Tiefseebergbau. Greenpeace begleitet die Verhandlungen.

mehr erfahren über Raubbau an der Tiefsee
Greenpeace-Meeresexpertin Franziska Saalmann mit Fernglas auf der Schiffsbrücke

Einsatz für Tiefseeschutz

Erneut ist Greenpeace mit dem Schiff Witness in der Arktis unterwegs, um das von Norwegen für Tiefseebergbau vorgesehene Gebiet zu untersuchen und sich für seinen Schutz einzusetzen.

mehr erfahren über Einsatz für Tiefseeschutz
Illustration Blobfisch

Tief verletzt – ein Blobfisch im Interview

Sie lachen über ihr Gesicht – und übersehen dabei, was wirklich zählt: Die Tiefsee. Ein Blobfisch erzählt, wie sich Mobbing anfühlt – und was noch viel schlimmer ist.

mehr erfahren über Tief verletzt – ein Blobfisch im Interview
Seelöwen in der Nähe der Hopkins-Insel vor Süd-Australien

Globaler Ozeanvertrag

Nach fast 20 Jahren Einsatz für den Meeresschutz haben sich die UN 2023 auf ein internationales Hochseeschutzabkommen geeinigt. Nun läuft die Ratifizierung.

mehr erfahren über Globaler Ozeanvertrag
MY Arctic Sunrise (DSM) Open Boat in Hamburg

Arctic Sunrise darf nicht nach Nizza

Wenige Tage vor dem Start der UN-Ozeankonferenz (UNOC) in Nizza untersagen französische Behörden die Teilnahme des Greenpeace Schiffs „Arctic Sunrise“.

mehr erfahren über Arctic Sunrise darf nicht nach Nizza
Sampling and Analysing Sea Foam for PFAS on Sylt

Erhöhte PFAS-Werte im Meeresschaum

Der Meeresschaum an deutschen Stränden ist stark mit PFAS belastet. Das zeigen Greenpeace-Messungen. Deutschland muss den Umgang mit diesen gesundheitsgefährlichen Chemikalien besser regulieren.

mehr erfahren über Erhöhte PFAS-Werte im Meeresschaum